Immobilienbewertung "Die Fonds ignorieren die Wirklichkeit"
mm.de: Herr Groom, allenthalben brechen die Immobilienpreise ein. Offene Immobilienfonds hingegen weisen immer noch positive Renditen aus. Wie kann das sein?
Groom: Betrachtet man die Kapitalwertseite, so sind positive Renditen sehr unwahrscheinlich. Die Bewertung der Immobilien, auf der ja zum Teil die Gesamtrendite der Fonds beruht, stellt die Wirklichkeit nicht realistisch dar. Schließlich besteht derzeit leider in fast allen Märkten Abwertungsbedarf.
mm.de: Bilden die Fonds den Markt richtig ab?
Groom: Entweder bilden die Fonds mit ihren Bewertungen den Markt nicht richtig ab. Oder sie sind noch nicht bereit, die notwendigen Abwertungen vorzunehmen, weil sie dann dem Anleger gegenüber Verluste eingestehen müssten. Eine dritte mögliche Erklärung der positiven Kapitalwertrenditen wäre, dass die Fondsgesellschaften in der Vergangenheit zu konservativ bewertet haben und daher momentan nicht abschreiben müssen.
mm.de: Letzteres wäre merkwürdig. Würden die Fonds zu niedrige Immobilienpreise ausweisen, so ginge das doch zulasten der Anleger, die ihre Anteile vor dem großen Crash verkauft haben. Schließlich hängt der Wert eines Anteilscheins vom Wert des Immobilienportfolios ab.
Groom: Der Wert der Immobilienportfolios wird aber nicht an der Börse, sondern von Immobiliengutachtern festgelegt. Doch es wirkt, als ob die Gutachter die Wirklichkeit ignorieren - die realen Preise am Immobilienmarkt. Die Sachverständigen orientieren sich maßgeblich an den nachhaltigen Erträgen, die ein Objekt einbringen soll.
Dass beispielsweise das Mietniveau sinken kann - insbesondere in einer Rezession - wird in den Gutachten wenig berücksichtigt. Wer für ein Investment 5 Prozent Ausgabeaufschlag zahlt, der will aber doch wissen, was seine Anlage wirklich wert ist.
mm.de: Befürworter rühmen das sogenannte Ertragswertverfahren dafür, dass auf diese Weise Volatilität aus der Wertentwicklung ausgeklammert wird.
Groom: Das mag sein. Zumal jede Immobilie in der Regel nur einmal jährlich bewertet wird. Aber die so entstandene Glättung ist eine Täuschung über den tatsächlichen Marktwert.
"Abwertungsbedarf von 5 bis 15 Prozent"
mm.de: Viele Fondsmanager argumentieren, sie könnten derzeit keine Marktpreise bilanzieren, weil der Immobilienmarkt seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers brachliege. Transaktionen im Volumen von mehr als 50 Millionen Euro fänden praktisch nicht statt. Was sollen sie also tun?
Groom: Fehlende Transaktionen können keine Ausrede der Gutachter sein, die momentan herrschenden Marktbedingungen einfach zu ignorieren. Sie sind, wie es die Definition des Verkehrswerts verlangt, nach ihrer jetzigen Meinung zur Marktsituation gefragt und nicht nach einer Meinung von vor einem Jahr oder früher. Solche Meinungen sind Geschichte und keine Bewertungen im Sinne des Verkehrswerts.
mm.de: Sie haben den Wert der Immobilienportfolios offener Fonds geprüft. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Groom: Auf Grundlage der von den Fonds veröffentlichten Informationen haben wir nur für die deutschen Portfolios einen Abwertungsbedarf von 5 bis 15 Prozent identifiziert. Bei dieser Schätzung waren wir sehr gutmütig. Im Ausland ist der Abwertungsbedarf möglicherweise sehr viel höher. In London beispielsweise sind die Werte um mindestens 25 Prozent gefallen. Wenn die Fonds bei ihren London-Immobilien keinen Abwertungsbedarf sehen, dann haben die Gutachter diese Liegenschaften in der Vergangenheit nicht nur zu niedrig, sondern falsch bewertet.
mm.de: Nun sieht das deutsche Recht die Verkehrswertermittlung nach der Wertermittlungsverordnung, bei der die nachhaltig zu erzielenden Einnahmen einer Immobilie deren Wert bestimmen, aber doch als das richtige Bewertungsverfahren an.
Groom: Das große Problem ist nicht die Methodik, problematisch sind die Annahmen der Gutachter. Diese beruhen auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit, was prinzipiell in Ordnung ist. Sie bilden aber nicht unbedingt die Marktsituation zum Stichtag ab. Doch eigentlich müssten die Gutachter eine stichtagsbezogene Marktmiete zugrunde legen. Die Methode der offenen Immobilienfonds ist nur eine Szenarioanalyse auf langfristige Sicht. Dabei sollten einem täglich handelbaren Investment auch täglich aktuelle Preise des Basisinvestments - also der Immobilien - zugrunde liegen.
"Mit Erholung nicht vor 2010 zu rechnen"
mm.de: Wie sollte die Bewertung Ihrer Ansicht nach erfolgen?
Groom: Die Bewertung sollte stichtagsbezogen erfolgen. Schließlich gibt es eine international gültige Definition dessen, was der Marktwert beziehungsweise eigentlich auch der Verkehrswert ist: Man führt zum Stichtag eine Bewertung durch, bildet die Bedingungen am Markt ab. Und das entspricht der Definition des Verkehrswerts und somit dem Marktwert. So entsteht eine hypothetische Darstellung eines Verkaufs an einem bestimmten Stichtag.
mm.de: Wie könnte diese aussehen?
Groom: Unser "VICTOR Performance Index" beispielsweise misst kurzfristige Wertschwankungen an deutschen Spitzenbüromärkten.
Die Werte in den 1-a-Lagen haben seit der zweiten Hälfte 2007 einen deutlichen Abschwung erlebt: Die Rentabilität über die gesamten vergangenen fünf Jahre ist dadurch auf lediglich 2,4 Prozent gefallen. Die Werte sind damit wieder nahezu auf dem Stand von 2004 angelangt. Der Wertverlust lag allein im vergangenen Jahr bei minus 12,6 Prozent. Da die Folgen einer schweren Rezession erst allmählich auf die Immobilienmärkte durchschlagen, ist mit einer Erholung der Märkte nicht vor 2010 zu rechnen.
mm.de: Nun könnte man Ihnen ja unterstellen, dass Sie nur neidisch sind. Schließlich zahlen die Fondsgesellschaften recht gut für die Erstellung der Gutachten, und Sie können das Geschäft anscheinend nicht selbst betreiben.
Groom: Wir würden in der Tat gerne in diesen Markt einsteigen, das Investmentgesetz macht es uns allerdings sehr schwer. Denn sobald Jones Lang LaSalle in irgendeiner Form auch anderweitig mit einem Fonds zusammenarbeitet - beispielsweise in Japan für die Vermietung eines Objekts zuständig ist - dürfen wir die deutschen Liegenschaften nicht bewerten.
Interessanterweise finden wir allerdings häufig unsere Marktanalysen in den Berichten der Gutachter wieder. Es scheint, dass sie die Marktberichte der großen Immobilienberater in ihren Gutachten verwenden, wenn sie ausländische Immobilienmärkte untersuchen. Und das ist dann wirklich paradox.
mm.de: Es wird immer wieder der Vorwurf laut, die Gutachter seien nicht unabhängig, weil sie von den Fonds beauftragt und bezahlt werden. Würden Sie auch so weit gehen?
Groom: Nein, das nicht. Die Gutachter sind unabhängig. Ob sie Experten in allen Märkten sind, ist hingegen fraglich. Ich würde es zum Beispiel auch nicht wagen, eine Bewertung in Tokio durchzuführen.
Immobilienfonds: Der Anlagespagat