CDU Kohl gibt Ehrenvorsitz ab
Berlin - Die Spendenaffäre der CDU hat am Dienstag zu einem spektakulären Bruch der Partei mit ihrem jahrzehntelangen Vorsitzenden, Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl, geführt. Kohl legte am Abend den Ehrenvorsitz der Partei nieder, nachdem ihn die Führungsgremien aufgefordert hatten, das Amt solange ruhen zu lassen, bis die Spendenpraxis aufgeklärt sei.
Der Vorgang ist einzigartig in der deutschen Parteiengeschichte. CDU-Generalsekretärin Angela Merkel sagte im ZDF, sie sei traurig über Kohls Schritt.
Wenige Stunden zuvor hatte die CDU-Führung Partei-Chef Wolfgang Schäuble das Vertrauen ausgesprochen und sein Rücktrittsangebot abgelehnt. Merkel betonte, die Entscheidung für Schäuble solle über den Parteitag im April hinaus gelten, auch wenn man Wahlen nicht vorgreifen könne.
Stunden zuvor hatte Ex-Bundesinnenminister, Hessens ehemaliger CDU-Chef Manfred Kanther, persönliche Konsequenzen aus dem Skandal gezogen und angekündigt, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Politiker von SPD, Grünen und PDS meinten, ein wirklicher Neuanfang sei der CDU nicht gelungen.
CDU-Vorstand hält Kohls Schweigen für parteischädigende
Kohl, der 25 Jahre Parteichef und 16 Jahre Bundeskanzler war, erklärte: "Ich sehe mich außer Stande, mein Versprechen, das ich einigen Persönlichkeiten, die meine Arbeit in der CDU finanziell unterstützt haben, zu brechen."
Den Ehrenvorsitz niederzulegen, falle ihm nicht leicht. "Ich gehöre der Christlich Demokratischen Union seit 50 Jahren an. Sie ist und bleibt meine politische Heimat."
Kohl hatte zugegeben, von 1993 bis 1998 bis zu zwei Millionen Mark Bar-Spenden für die Partei angenommen zu haben, ohne dass die Spenden in den Rechenschaftsberichten ausgewiesen wurden.
Schäuble gegen Kohl
In einer am Nachmittag bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung vom CDU-Vorstand verabschiedeten Erklärung hieß es, Kohl verletze seine Pflichten, wenn er sich weiterhin weigere, die anonymen Spender von Millionenbeträgen zu nennen und damit seinen Beitrag zur Bewältigung der Krise und zur Aufklärung der Verfehlungen zu leisten.
Schäuble bezeichnete den Beschluss als schmerzlich. Er habe am Morgen noch mit dem Altkanzler gesprochen. "Der Verlauf dieses Gesprächs hat diesen Beschluss nötig gemacht" sagte Schäuble.
Das Parteipräsidium wollte geschlossen zurücktreten, falls Schäubles sein Amt aufgegeben hätte. Nach diesem Vertrauensbeweis habe er sich bereit erklärt, die "schwere Last weiter zu tragen", betonte der 57-Jährige, der deutlich machte, dass er beim Essener Parteitag im April erneut antreten will. Der Vorstandsbeschluss gelte "ohne jeden Vorbehalt und nicht auf Widerruf".
Schröder: CDU-Entscheidungen bringen keine Aufklärung
Der SPD-Vorsitzende, Bundeskanzler Gerhard Schröder, kritisierte die Beschlüsse der CDU. "Die Entscheidungen der CDU haben weder zur Aufklärung noch zur Selbstreinigung der CDU beigetragen", sagte er nach einer Sitzung der SPD-Fraktion. Die Regierung wolle dafür Sorge tragen, dass das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland nicht Schaden nehmen werde, sagte der Kanzler.
Der Bundestag wird sich an diesem Donnerstag auf Antrag von SPD und Grünen mit dem Skandal befassen. Am selben Tag findet auch die erste Arbeitssitzung des Spenden-Untersuchungsausschusses statt.
Staatsanwalt ermittelt gegen Hessen-CDU
In Hessen begann die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen mit einer Durchsuchungsaktion in der Wiesbadener CDU-Zentrale. Auch die Frankfurter Kanzlei des früheren CDU-Finanzberaters Horst Weyrauch und die Privatwohnung von Ex-Landesschatzmeister Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein wurden laut Staatsanwaltschaft durchsucht.
Der jahrelang für die Bundes-CDU tägige Weyrauch prüfte nach Angaben der Zeitung "Die Welt" bis 1996 auch die Rechenschaftsberichte der hessischen CDU. Fahnder der Staatsanwaltschaften von Wiesbaden und Bonn durchsuchten nach Informationen der "Bild"-Zeitung auch das Privathaus des früheren Kohl-Vertrauten Hans Terlinden in Mainz.