Deutsche Bank Ackermann und das Rekordtief

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann lässt Gerüchte über eine Kapitalerhöhung unkommentiert, Staatshilfen lehnt er weiter ab. Die Aktie stürzt zeitweise unter die Marke von 16 Euro und schwankt anschließend enorm. An einer Kapitalerhöhung wird die Bank nicht vorbeikommen, sagt Analyst Konrad Becker. Und Ackermann wird das Institut radikal umbauen müssen - doch auch dann bliebe die nahe Zukunft düster.

mm.de: Herr Becker, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hat mit zuletzt vorgelegten Quartalszahlen die Anleger geschockt und Vertrauen verspielt. Andererseits könnte man dem Vorstand zugute halten, dass er reinen Tisch gemacht hat. Dennoch ist die Aktie zeitweise unter die Marke von 16 Euro gestürzt. Übertreiben die Märkte?

Beängstigend: Die deutschen Banken (hier Bankenviertel Frankfurt) geben Anlass zu großer Sorge. Ob Geschäfts, Landes- oder Genossenschaftsbank - ihre Abschreibungen auf Wertpapiere wollen nicht enden, die Löcher in den Bilanzen der Institute werden immer größer. Aktien börsennotierter Kreditinstitute fallen scheinbar ins Bodenlose. Die Aktie der Deutschen Bank stürzte am Dienstag unter die Marke von 17 Euro.

Beängstigend: Die deutschen Banken (hier Bankenviertel Frankfurt) geben Anlass zu großer Sorge. Ob Geschäfts, Landes- oder Genossenschaftsbank - ihre Abschreibungen auf Wertpapiere wollen nicht enden, die Löcher in den Bilanzen der Institute werden immer größer. Aktien börsennotierter Kreditinstitute fallen scheinbar ins Bodenlose. Die Aktie der Deutschen Bank stürzte am Dienstag unter die Marke von 17 Euro.

Foto: DDP

Becker: Der jüngste Kurssturz hat vor allem zwei Gründe: Zum einen meldete die Royal Bank of Scotland (Kurswerte anzeigen), dass sie mit rund 31 Milliarden Euro einen historisch einmaligen Jahresverlust nicht ausschließt. Zudem belastet nach wie vor die Meldung, dass nach einer Umfrage der deutschen Bankenaufsicht noch rund 300 Milliarden Euro an faulen Wertpapieren, die auf Immobilienkrediten basieren, in den Büchern deutscher Banken schlummern und damit vermutlich die nächste milliardenschwere Abschreibungswelle auf die Institute zurollen wird.

mm.de: Die Deutsche Bank  hatte zuletzt ihre kritischen Vermögenswerte reduziert und ihre eigenen Verbindlichkeiten sehr konservativ bilanziert. Offenbar ignorieren Anleger dies, sobald auch nur eine schlechte Nachricht aus der Branche aufschlägt. Warum?

Becker: Für mich ist die Kursreaktion ein Indiz dafür, wie gering das Vertrauen der Anleger in die Deutsche Bank geworden ist. Man zweifelt offenbar ernsthaft, dass die Bank in der Lage ist, die Krise ohne Kapitalmaßnahmen zu überleben und man ist sich unsicher wie viel die Bank in welchen Geschäftsbereichen zukünftig verdienen wird.

mm.de: Nun hatte Ackermann vergangene Woche auch erklärt, es seien keine negativen Effekte mehr von sogenannten toxischen Assets zu erwarten - also von Papieren, die vornehmlich mit Hypothekenforderungen unterlegt sind. Warum dann diese Panik?

Becker: Der Begriff toxische Assets ist nicht klar definiert und als Kategorie nicht greifbar. Er unterscheidet nicht deutlich unter den risikobehafteten Aktiva in einer Bankbilanz. Was wir gemeinhin als toxische Assets kennengelernt haben, bildet nicht die Gesamtheit der Risiken ab. Die Gesamtheit der Risiken ist größer, denn auch nichttoxische Vermögenswerte in einer Bankbilanz sind per se nicht risikolos.

Ende des dritten Quartals wies die Bilanz der Deutschen Bank Wertpapiere mit rund 1400 Milliarden Euro aus, die nach dem fairen Wert bewertet werden. Ein wichtiger Teil dieser Aktiva sind ganz herkömmliche Bondanlagen, deren Bewertung unter anderem von der Veränderung des Zinsniveaus abhängt. Hinzu kommen strukturierte Wertpapiere, deren Erträge von der korrekten Bedienung zum Beispiel eines Portfolios von Unternehmenskrediten oder Kreditkartenforderungen abhängen. Auf Grund der aktuellen Wirtschaftskrise wächst die Gefahr, das Unternehmen ihre Kredite nicht mehr bedienen können, und damit sinkt der Wert der darauf aufgesetzten strukturierten Wertpapiere, die dann wiederum abgeschrieben werden müssen. Auch diese Befürchtung hält sich im Markt.

mm.de: Im Eigenhandel hat die Deutsche Bank offenbar viel Geld verloren. Den will sie weitgehend einstellen, heißt es in Presseberichten. Halten Sie das auf lange Sicht für eine kluge Entscheidung? Schließlich hatte der Eigenhandel in guten Zeiten bis zu einem Drittel der Gewinne der Bank erwirtschaftet.

Becker: Die guten Zeiten sind vorbei. Im dritten Quartal hat die Deutsche Bank im Eigenhandel etwa eine Milliarde Euro verloren, und im vierten Quartal dürften die Verluste im Handel mit Papieren auf eigene Rechnung noch deutlich höher liegen. Da ist es aus meiner Sicht richtig, den Eigenhandel einzustellen. Denn offensichtlich lässt derzeit damit kein Geld verdienen.

"Dann poltern viele Menschen durch den Wagen"

mm.de: Wenn man in dieser Erkenntnis hier ad hoc nun komplette Strukturen niederwalzt …

Becker: … dann ist das wie die Notbremsung eines Zuges, und da poltern eben viele Menschen durch den Wagen.

mm.de: Sollten aber die Märkte spätestens in einem Jahr wieder anspringen, was Optimisten vermuten, fehlen plötzlich die Strukturen, die Menschen und ihr Knowhow. Lassen sich diese Lücken so schnell wieder schließen?

Becker: Ich denke, Handelsstrukturen lassen sich noch am schnellsten wiederbeleben. Was passiert denn jetzt? Jetzt werden einige hundert Eigenhändler auf die Straße gesetzt. Sollten die Märkte tatsächlich 2009 wieder anspringen, dürfte es ein Leichtes sein, diese oder andere Mitarbeiter wieder an Bord zu holen, denn derzeit haben sie kaum Alternativen.

mm.de: Auch die herausragenden Köpfe, die die Deutsche Bank im November vor die Tür gesetzt hat?

Becker: Also, so herausragend können die Herren nicht gewesen sein, wie die von ihnen mit zu verantwortenden Verluste ja eindrucksvoll zeigen. In der Regel stinkt der Fisch eben zuerst vom Kopf her.

mm.de: Bleiben wir im Bilde: Wer in der Not bremst, ist nicht vorausschauend gefahren und verliert zudem an Tempo. Wer sollte wieder in so einen Zug einsteigen?

Becker: Notbremsungen sind eben immer aus der Not geboren. Die Deutsche Bank kann aber ihr Geschäftsmodell, das sie in den vergangenen Jahren erfolgreich betrieben hat, nicht einfach so fortsetzen. Derzeit sieht es nicht danach aus, dass die Welt der Deutschen Bank in ein oder zwei Jahren sein wird wie zuvor.

mm.de: Um so mehr stellt sich die Frage, womit will die Bank künftig verstärkt Geld verdienen will - etwa mit Postbank-Kunden?

Becker: Die Deutsche Bank ist in der Vergangenheit stets zweigleisig gefahren. Neben dem schwankungsanfälligen Investmentbanking gab es immer die stabileren Geschäftszweige. Die Frage war lediglich, wie viel steckt man in den Ausbau dieser Gleise. Ich denke, die Deutsche Bank wird die Ressourcen weiter verstärkt zu den weniger schwankungsanfälligen Geschäftsfeldern wie Private Banking, Asset Managment und Privatkunden verlagern. In diesem Kontext spielt die Akquisition der Postbank eine wichtige Rolle.

mm.de: Die Bank der kleinen Leute mit viel Massengeschäft, das die Deutsche Bank lange verschmähte.

Becker: Wie der Kauf der Norisbank zeigt, ist die Bedeutung dieser Kundengruppe in der jüngsten Vergangenheit für die Deutsche Bank gewachsen. Sie will und wird dieser Klientel nicht alles anbieten, sie wird sie aber künftig mit standardisierten Produkten versorgen. Dieses Geschäftsmodell lässt sich profitabel betreiben und das sollte die Erträge der Deutschen Bank stabilisieren. Nicht zuletzt sind die hohen Spareinlagen der Postbankkunden für die Deutsche Bank von Interesse.

mm.de: Wenn die Postbank-Kunden denn mitspielen und sich nicht als Kunden zweiter Klasse fühlen.

Becker: Das glaube ich nicht. Die Deutsche Bank wird die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Sie wird auch nach einer vollständigen Übernahme den Markenname Postbank erhalten und ihren weniger lukrativen Privatkunden nicht einfach das 'B-Klasse-Etikett' aufdrücken. Klar differenzieren wird sie aber über den Preis. Das heißt, wer die größere Produktpalette und eine höhere Beratungsintensität wünscht, geht eben zur Deutschen Bank, wo er allerdings auch mehr bezahlt.

"Investmentbanking auch 2010 mit Milliardenverlust"

mm.de: Vor gut einem halben Jahr erklärten Sie, das Geschäftsmodell Investmentbanking der Deutschen Bank sei nicht tot. Revidieren Sie heute diese Position?

Becker: Nein. Auch wenn es in der jüngsten Vergangenheit mitunter den Anschein hatte, Investmentbanker seien vor allem verantwortungslose Spieler. Investmentbanking ist selbstverständlich mehr. Es bedient Bedürfnisse der realen Wirtschaft - Zinsabsicherung zum Beispiel. Firmen brauchen Produkte, mit denen sie ihre Finanzierung und deren Kosten über Jahre hinweg planen können. Sie brauchen Produkte, mit denen sie auch andere Kostenfaktoren wie Rohstoffe und Devisen planbar machen. Und Unternehmen werden sich auch künftig Kapital besorgen müssen, Eigenkapital über Aktien oder Fremdkapital über Bonds. Das ist Aufgabe von Investmentbanking, und deshalb wird man es auch in Zukunft brauchen.

mm.de: Wie stark wird die Deutsche Bank das Aufgabenfeld ihrer Investmentbanker zusammenstreichen?

Becker: Ich erwarte, dass man Verbriefungen jeglicher Form massiv zurückfahren wird und damit zugleich die Komplexität der Produkte verringern wird. Und auch den Eigenhandel wird die Deutsche Bank massiv beschneiden.

mm.de: Wenn Herr Ackermann die Gewichte noch stärker zu Lasten des Investmentbanking verschieben wird, welche Ertragsrelationen erwarten Sie hier in Zukunft?

Becker: Eines ist klar: Die herausragende Bedeutung, die das Investmentbanking für die Deutsche Bank noch im Rekordjahr 2006 hatte, wird es über Jahre einbüßen. Seinerzeit erwirtschafteten die Investmentbanker noch fast 60 Prozent der Erträge von 28 Milliarden Euro und über 60 Prozent des Vorsteuergewinns von 8,4 Milliarden Euro des Konzerns. Im Vergleich dazu werden nach meiner Schätzung die Erträge des Konzerns im Jahr 2010 auf 23 Milliarden Euro fallen und der Anteil des Investmentbankings daran auf unter 40 Prozent schrumpfen.

mm.de: Und wie wird es sich bei den Gewinnen verhalten?

Becker: Da sehen die Relationen vermutlich noch deutlich schlechter aus. Ich erwarte für die Gesamtbank in 2010 einen Vorsteuergewinn von 2,4 Milliarden Euro. Das Investmentbanking bleibt ein Bremsklotz für den Konzern und wird ihn voraussichtlich mit einem Verlust von 1,3 Milliarden Euro belasten.

mm.de: Wird das Investmentbanking der Deutschen Bank überhaupt jemals wieder eine herausragende Rolle für den Konzern spielen?

Becker: Das Investmentbanking wird auch in Zukunft wichtig bleiben, sein relative Bedeutung innerhalb der Bank wird aber sinken. Die Finanzkrise wird die Deutsche Bank vermutlich noch bis ins Jahr 2011 hinein belasten. Das heißt, das Risiko weiterer Verluste aus dem dann auch eingedampften Investmentbanking bleibt groß. Wirkliche Besserung erwarte ich hier erst im Verlauf der Jahre 2011/2012, dann dürften die Erträge dieser Sparte allmählich ihre Abschreibungen übersteigen. Aber selbst in guten Jahren dürften die Investmentbanker künftig nicht mehr als die Hälfte zum Vorsteuergewinn der Bank beitragen.

"Ackermann sollte in Sachen Staatshilfe den Ball flach halten"

mm.de: Ackermann hat wiederholt Staatshilfen für sein Institut abgelehnt und ist in gewisser Weise auch stolz darauf. Andere Banken verschaffen sich auf diesem Weg leichteren Zugang zu Liquidität oder bessern mit direkter Staatshilfe ihr Eigenkapital auf. Sie haben also einen echten Wettbewerbsvorteil. Leistet Ackermann mit seiner Haltung der Deutschen Bank einen Bärendienst?

Becker: Ich halte es für wichtig, auch in einer schwierigen Phase wie dieser, einer Bank klare Ziele vorzugeben. Und das formulierte Ziel Ackermanns, die Deutsche Bank werde die Krise aus eigener Kraft bewältigen, ist ein umfassendes und positives Ziel. Dahinter steht die Botschaft: Wir sind in der Lage, Risiken zu handhaben; wir können auch schlechte Jahre aus eigener Kraft überstehen. Für die Mitarbeiter ist das ein wichtiges Zeichen. Gleichwohl bleibt die Frage, ob das die Kunden honorieren werden.

mm.de: Und werden sie es?

Becker: Da habe ich wirklich Zweifel. Als vermögender Privatkunde oder Kunde des Investmentbanking interessiert mich das Ziel eines Bankchefs, die Krise seines Hauses unabhängig und in Ehren durchzustehen, doch nicht wirklich. Im Zweifelsfall entscheide ich mich eher für eine Bank mit Staatsgarantien, die mir bei gleichen Konditionen eine höhere Sicherheit bietet. So oder so wird die Deutsche Bank aber ihr Kapital erhöhen müssen.

mm.de: Warum? Immerhin hat sie bei der Kernkapitalquote die Zehn vor dem Komma gehalten.

Becker: Weitere das Eigenkapital verringernde Verluste sind wahrscheinlich. Längerfristig könnte der Markt eine Tier1-Quote von 10 Prozent als zu gering erachten. Wenn eine Bank wie die Commerzbank dank Staatshilfe auf 10 Prozent kommt und eine Deutsche Bank mit ihrer Risikostruktur das gleiche Niveau erreicht, weckt das Misstrauen.

mm.de: Kapital erhöhen, aber wie?

Becker: Das ist der entscheidende Punkt. Auf dem freien Markt wird es schwierig und vermutlich auch teurer für die Deutsche Bank. Deshalb würde ich an Ackermanns Stelle den Ball in Sachen Staatshilfe auch flach halten und nicht alle Türen zuschlagen.

mm.de: Hat er sich diese Option selbst nicht schon längst verbaut? Kann sich die Deutsche Bank den Ehrenkodex ihres Chefs auf Dauer leisten?

Becker: Das wird die Zukunft zeigen. In ein bis zwei Jahren wissen wir mehr.

"Bad Bank ist die dreisteste Art, Verluste zu sozialisieren"

mm.de: Ackermann hatte als einer der ersten deutschen Bankmanager die Bad Bank ins Gespräch gebracht. In den USA erwägt man sie mittlerweile, in Großbritannien will man diese Bank als Endlagerstätte für faule Kredite und Papiere umschiffen. Wird es Zeit für eine Bad Bank in Deutschland?

Becker: Ich persönlich bin dagegen. Dass die Rufe nach der Bad Bank jetzt lauter werden, überrascht mich indes nicht. Viele Hoffnungen, die die Märkte in den Stabilisierungsfonds der Bundesregierung legten, haben sich bislang nicht erfüllt. Nach wie vor laufen die Geldmärkte nicht störungsfrei, ist die Geldversorgung der Realwirtschaft nicht zufriedenstellend oder sind die Bankbilanzen ganz offensichtlich nicht stabiler geworden.

mm.de: Wäre eine Bad Bank daher nicht um so dringlicher?

Becker: Sie ist in meinen Augen keine Patentlösung für die Probleme. Denn eine Bad Bank hebelt einen entscheidenden Mechanismus einfach aus - dass nämlich bei allen Investments ein Risiko gepreist wird. So aber bliebe am Ende die Feststellung, gleich wie rücksichtslos Banken auch zocken, der Staat boxt sie aus ihrer misslichen Lage heraus. Dieses Zeichen ist fatal, das kann nicht sein. Politik wird damit erpressbar.

Wir müssen uns eines klar vor Augen halten: Die Bad Bank ist die dreisteste Art, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren. Wie soll das die Politik den Menschen hier zu Lande verkaufen, deren Sozialleistungen sinken, deren Steuern vermutlich steigen und deren Altersvorsorge durch die Inflation erheblich Schaden nimmt? Jenseits dieser Ebene gibt es auch ganz praktische Fragen, die zuvor dringend geklärt werden müssen.

mm.de: Welche?

Becker: Wie viel von dem Giftmüll in den Bankbilanzen kauft der Staat auf? Wer entscheidet, was zu welchem Preis aufgekauft wird? Und wer kommt schließlich für die Verluste auf?

mm.de: Dass der Staat mit einer Bad Bank auch Gewinne machen kann, schließen Sie aus?

Becker: Diese These halte ich für gewagt. In Schweden kaufte seinerzeit der Staat den Banken nicht nur die faulen Papiere ab, sondern beteiligte sich zugleich im großen Stil an den Instituten. Der Fall Schweden kann auch deshalb kein Vorbild sein, zumal dort nur ein begrenzter Markt, nämlich der Immobilienmarkt eines Landes in Schwierigkeiten geriet. Darüber hinaus ist nicht verbürgt, dass der schwedische Staat unter dem Strich tatsächlich Sanierungsgewinne erzielt hat. Das ist lediglich eine Vermutung.

mm.de: Eine Bad Bank macht also keine Gewinne?

Becker: Mit Blick auf die Krise im deutschen Finanzsektor halte ich das jedenfalls für relativ unwahrscheinlich. Selbst wenn sich ein Marktwert für die als unverkäuflich geltenden Papiere und Kredite finden sollte, sie werden in ihrem Wert fallen, sonst wären es ja keinen Bad Assets. Dann bleiben entweder Bewertungsverluste oder die Verluste stellen sich beim Verkauf der Papiere ein. Aber wer bitte trägt denn diese Verluste? Aus Bankensicht wäre es der Staat. Der Staat wiederum würde die Verlustrisiken am liebsten bei den Banken belassen - in diesem Fall aber machte eine Bad Bank für die Banken kaum Sinn.

mm.de: Was ist dann die Alternative zur Bad Bank?

Becker: Es gibt kaum welche. Wir müssen zähneknirschend feststellen, dass der Banksektor auf Grund seiner zentralen Funktion für die Volkswirtschaft ein großes Erpressungspotential hat, und er nutzt es auch. So oder so wird der Steuerzahler einen Großteil der Bankensanierung zahlen. Wenn dem aber so ist, sollten wir uns zwei Effekte wünschen: Erstens, den hoffentlich nachhaltigen Lerneffekt spürbarer Verluste für die Aktionäre. Verluste können sinnvoll und Konkurse notwendig sein - mit dieser Erkenntnis wäre schon viel gewonnen. Beim nächsten Mal sind die Investoren vorsichtiger und schauen vielleicht genauer hin, was in den Banken getrieben wird.

mm.de: Und zweitens? Wenn schon der Steuerzahler die Sanierung der Banken trägt, sollte der Staat dann einfach nur Geld geben und sich ansonsten weitgehend raushalten?

Becker: Sollten in den Bilanzen deutscher Banken tatsächlich noch unverkäufliche Wertpapiere von mindestens 300 Milliarden Euro schlummern und dies die Probleme im Finanzsektor verschärfen, dann sollten die Banken ihre Zahlen offen auf den Tisch legen und diese Papiere abschreiben. Wir werden dann über mehrere Quartale weitere Milliardenverluste bei den Banken erleben, und kein betroffenes Institut wird sich in dieser Lage längerfristig auf dem Kapitalmarkt refinanzieren können. Diese Funktion wird der Staat wahrnehmen müssen.

Diese Lösung ist vermutlich finanziell nicht viel günstiger als eine Bad Bank. Der Unterschied ist aber, der Staat würde damit (Haupt-)Anteilseigner der Bank und bekäme auch die Kontrolle über die Institute. Damit erübrigt sich die schwierige Aufgabe zu entscheiden, welche Assets zu welchem Preis von der Bad Bank aufgekauft würden. Wenn die Banken mit staatlicher Unterstützung saniert worden sind, kann der Staat seine Beteiligungen hoffentlich mit Gewinn wieder verkaufen.

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