Gewichtung Indexbetreiber Stoxx prüft den Fall VW
Frankfurt am Main - Obwohl praktisch nur noch 5,8 Prozent der VW-Aktien im Streubesitz sind, gewichtet Stoxx die Aktie im Leitindex der Eurozone, dem EuroStoxx 50, mit einem Streubesitzanteil von knapp 50 Prozent. Die Deutsche Börse berechnet die Aktie im Dax mit einem Streubesitzanteil von knapp 45 Prozent.
Grund für diese Diskrepanz sind vor allem Optionen. Diese sind bislang nicht meldepflichtig und werden von den Index-Anbietern nicht als Festbesitz gewertet. Somit werden auch die von über Optionsrechte gesicherten VW-Aktien von rund 30 Prozent weiter als frei verfügbar angesehen, auch wenn dies real gar nicht der Fall ist.
Letztlich sieht es bei VW so aus: Neben dem Land Niedersachsen, das rund 20 Prozent besitzt, und dem Sportwagenhersteller Porsche, der über Aktien und auch Optionen bereits 74,1 Prozent an VW hält, sind am Markt allenfalls rund 6 Prozent VW-Stammaktien wirklich handelbar.
Dennoch heißt es bei der Deutschen Börse, dass, solange das Regelwerk und die Börsenordnung nicht verletzt würden, es keine Pläne gebe einzugreifen. Auch gebe es keine Überlegungen, VW aus dem Dax zu nehmen", sagte ein Sprecher des Marktbetreibers am Dienstag.
Offizieller Freefloat weit höher als der reale Freefloat
Hintergrund: Der "offizielle" Free Float einschließlich der über Optionen gehaltenen Aktien liegt noch weit über der Mindestmarke von 5 Prozent. Fällt der Free Float unter 5 Prozent, müsste die VW-Aktie per "Fast Exit" Regel binnen zwei Tagen aus dem Index entfernt werden.
Eine Änderung der Dax-Regularien sei spontan nicht geplant, hieß es von Seiten der Deutschen Börse weiter. Am Markt dagegen empören sich immer mehr Händler über die im Grunde nicht korrekte Gewichtung und dass das deutsche Börsenbarometer durch eine einzige Aktie zurzeit derart verfälscht wird. "Das Verhalten der Deutschen Börse ist unverantwortlich", sagte einer von ihnen. Auch Finanzexperte Wolfgang Gerke, Mitglied des Börsenrates der Deutschen Börse, forderte, die Gewichtung von VW kurzfristig zu verringern.
Unterdessen sprang die Stammaktie von Volkswagen bis Handelsschluss auf Xetra um 73 Prozent auf rund 900 Euro hoch. Am Vormittag war zeitweise sogar mehr als 1000 Euro wert, während der Großteil der anderen Dax-Werte teils kräftige Verluste verbuchte. Zudem waren die VW-Papiere bereits am Montag um knapp 150 Prozent gestiegen.
Stoxx gegen Deutsche Börse: Kommt das "Lex VW"?
Vom Indexanbieter Stoxx erwarten Indexexperten an diesem Abend "eine Art Lex VW". Einer sagte: "Man könnte an den Regeln festhalten und Optionen allgemein weiterhin nicht als Festbesitz werten. Allerdings ließe sich eine Ausnahme kreieren, wenn man wie bei VW durch die Bekanntgabe von Porsche um die Höhe der Optionsrechte weiß.
"Sollte hier etwas geschehen und nun diese Optionsanteile aus der Streubesitzgewichtung herausgerechnet werden, "könnte auch gleich die am Sonntag bekanntgegebene Anteilserhöhung durch Porsche mit herausgerechnet werden", sagte der Indexexperte. Selbst wenn die Deutsche Börse nicht sofort reagiere, würde sie durch so eine Handlung des Indexbetreibers Stoxx unter Zugzwang gesetzt.
Die Vorgeschichte der Fehlspekulationen mit der VW-Aktie begann im Jahr 2005/06, als zunächst viele Marktteilnehmer mit Bekanntwerden des Porsche-Interesses an VW auf steigende VW-Kurse setzten, die mit Übernahmevorhaben in der Regel stets einhergehen. Mit der Zeit positionierten sich dann wohl auch vermehrt Marktteilnehmer, die die Grenze des Kursanstiegs als erreicht ansahen und wieder Kursrückgänge erwarteten.
Warum die VW-Aktie sich abgekoppelt hat
Eine solche Short-Strategie, die insbesondere von Hedgefonds verfolgt wird, erschien logisch. Doch die Rechnung ging dieses Mal nicht auf. Es wurde ungedeckt auf fallende Kurse gewettet, also die VW-Aktie zu einem bestimmten Termin in der Zukunft an einen anderen Marktteilnehmer verkauft, ohne das Papier im Depot allerdings zu haben. Auf Verlangen des Käufers ist der Verkäufer zur Lieferung der Aktie verpflichtet. Besitzt er sie nicht, muss er sie eben über den Markt kaufen, egal zu welchem Kurswert.
Dieser Kaufzwang um jeden Preis, verbunden mit einem knappen Angebot an frei handelbaren Aktien, sorgt dafür, dass die Bewertung der VW-Stammaktie mit der Bewertung des Autokonzerns VW nichts mehr zu tun hat.