Spekulationen VW-Aktie erhitzt die Gemüter
Frankfurt am Main/London - Die Kursexplosion der VW-Aktie soll Spekulanten allein am Montag Verluste von 10 bis 15 Milliarden Euro beschert haben. Auf großes Mitleid dürfen die Hedgefonds-Manager nicht zählen. Vor allem sie waren es, die einem Bericht der "Financial Times" zufolge zuvor in großer Zahl auf fallende Kurse spekuliert hatten. Die sogenannten Leerverkäufer, die geliehene VW-Aktien verkauft hatten, waren von der Erhöhung des Porsche-Anteils bei Volkswagen kalt erwischt worden.
Da an der Börse nur noch wenige VW-Papiere übrigblieben und die Händler trotzdem Aktien zurückkaufen mussten, um sie den Ausleihern wiederzugeben, brach eine regelrechte Jagd auf die Anteilsscheine aus. Die VW-Aktie verdreifachte am Montag zeitweilig ihren Kurs.
Am Dienstag ging die Rallye weiter. Für einen Titel zahlten Händler zeiteilig mehr als 1000 Euro und damit fast doppelt so viel wie zum Handelsschluss am Montag. Zu Jahresbeginn lag der Kurs um 150 Euro.
"Haltung der Deutschen Börse unverantwortlich"
Viele Händler indes beklagten sich am Dienstag bitter über die Deutsche Börse AG. Die Haltung der Deutschen Börse bezüglich der Kursentwicklung bei Volkswagen (VW) sei "unverantwortlich", sagte ein Händler. Ein Börsianer sagte: "Wenn die Deutsche Börse nicht einschreitet droht uns eine Systemkrise - viele Investoren werden zu Käufen von VW-Aktien gezwungen, die es am Markt praktisch nicht mehr gibt." Nicht nur die Anleger mit Short-Positionen, sondern auch alle Fonds, die ihre Performance am Dax messen, würden zu Käufen gezwungen.
Robert Halver, Kapitalmarktexperte bei der Baader Bank, sagte: "Wir reden hier über einen Dax-Wert, nicht über einen Wert der dritten oder vierten Reihe. Solche Exzesse sind eines Dax-30-Index, der zu den fünf- bis zehn bedeutendsten Aktienindizes der Welt gehört unwürdig." Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von mehr als 81 seien Werte im "Neuen Markt" bewertet worden - wenn man sich die allgemeine dramatische Situation der Autobranche ansehe sei dies nicht nachvollziehbar. Ein Händler sagte: "Alle anderen Dax-Werte wie vor allem Autobauer werden hierdurch zerstört."
Insgesamt hatte der Wolfsburger Autobauer am Dienstag zeitweilige einen Marktwert von 295 Milliarden Euro und damit mehr als die Hälfte der Kapitalisierung des gesamten Leitindex Dax.
Finanzaufsicht BaFin prüft VW-Kursbewegungen
Die Finanzaufsicht BaFin nimmt den außerordentlich hohen Kursanstieg der Volkswagen-Aktie unter die Lupe. "Wir schauen uns den Handel mit VW-Papiere auf mögliche Anhaltspunkte für Insiderhandel oder Marktmanipulationen an", sagte eine Sprecher der Behörde am Dienstag. Auf Basis dieser Untersuchung entscheide die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, ob sie eine formelle Prüfung einleite. Die Analyse dauere aber noch einige Zeit. "In dieser Woche ist keine Entscheidung zu erwarten", sagte die Sprecherin.
Deutsche Börse: "Da muss man den Markt gewähren lassen"
Deutsche Börse will im Fall VW nicht handeln
Die Deutsche Börse indes will keine Konsequenzen aus den Kurskapriolen der Volkswagen-Aktie für ihren Leitindex Dax ziehen. "Da muss man den Markt gewähren lassen", sagte ein Sprecher der Börse am Dienstag. "Wir haben keine Rechtsverstöße beim Handel mit VW-Aktien festgestellt, es läuft alles nach den Regeln ab", betonte er. Die Börse werde sich an ihr Regelwerk halten, wonach Änderungen im Index außer der Reihe nur bei einem Streubesitz von weniger als 5 Prozent möglich sind. "Sonst wird das genauso unberechenbar."
Durch die Kursexplosion steigt das Gewicht der VW-Aktie in dem Index, obwohl im Markt offenbar kaum noch Papiere verfügbar sind. Der Dax stieg am Montag und am Dienstag nur wegen VW. Bei Marktteilnehmern waren deshalb Rufe laut geworden, VW aus dem Index zu nehmen.
Das Hessische Wirtschaftsministerium als Börsenaufsicht sieht ebenfalls keinen Anlass einzugreifen: "Wir beobachten die Bewegungen, haben im Moment aber keinen Grund, davon auszugehen, dass der Börsenhandel nicht ordnungsgemäß ist", sagte ein Sprecher.
Mit den sogenannten Leerverkäufen kann in Zeiten sinkender Aktienmärkte viel verdient werden. Die Grundidee ist, eine geliehene Aktie erst zu verkaufen und dann vor der Rückgabe an den Ausleiher zum niedrigeren Kurs zurückzukaufen. Die Geschäfte sind riskant, aber es passiert selten, dass sie so spektakulär schiefgehen, wie jetzt bei der VW-Aktie.
Porsche hatte am Sonntag mitgeteilt, den Anteil an Volkswagen auf 42,6 Prozent erhöht zu haben. Zu aller Überraschung gab der Sportwagenhersteller aber auch bekannt, weitere 31,5 Prozent an VW in Form von Optionen zu kontrollieren.
Insgesamt hat Porsche also 74,1 Prozent der Anteile in der Hand. Weil aber auch das Land Niedersachsen gut 20 Prozent der Anteile besitzt, ist nur noch ein sehr kleiner Anteil von gut 5 Prozent überhaupt noch am Markt verfügbar. Nach Informationen aus dem Markt hatten Leerverkäufer aber 12 bis 15 Prozent der VW-Anteile geliehen.
manager-magazin.de mit Material von Nachrichtenagenturen