Bankbilanzen Ende der Finanzkrise in Sicht?
Hamburg - Ende vom Anfang, Anfang vom Ende - oder einfach immer noch mittendrin. Die Fachwelt rätselt, wo die Märkte in der Finanzkrise stehen. Nach Einschätzung von Mario Draghi, Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), haben die Banken bei ihren Bemühungen um einen Ausweg aus der Krise Fortschritte gemacht. Die Kreditinstitute seien auf gutem Weg, die im April beschlossenen Maßnahmen wie geplant binnen 100 Tagen umzusetzen, sagte der Vorsitzende des internationalen Forums für Finanzstabilität (FSF) am Samstag auf dem Treffen der Finanzminister der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G-8) in Osaka.
Probleme im Bankensektor bedeuteten keine ernsthafte Bedrohung für die Gesamtwirtschaft mehr. Die Branche sei aber noch in einem Zustand "brüchiger Stabilität". Draghi konstatierte Fortschritte bei der Offenlegung von Verlusten und Risiken sowie beim Ausbau der Kapitaldecken der Banken. Doch manche hätten noch immer einige Posten nicht in ihren Bilanzen, so dass sie bei deren Aufnahme weiteres Kapital benötigen könnten.
Im April hatten die sieben führenden Industrieländer (G-7) ein vom FSF entworfenes Maßnahmenbündel beschlossen, das die Finanzkrise dämpfen und eine Wiederholung verhindern soll. Gefordert wurden von den Banken unter anderem die schnelle und umfangreiche Offenlegung von Verlusten und Risiken, eine differenzierte, risikogerechtere Kapitalunterlegung von Finanzgeschäften sowie eine Verbesserung von Aufsicht, Rating und Risikomanagement.
Auch Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, sieht in der Finanzkrise Licht am Ende des Tunnels. Die Branche sei am Beginn des Endes der Krise, schrieb Ackermann in einem Gastbeitrag für die "Börsen-Zeitung" (Samstagausgabe).
"Die Anzeichen hierfür mehren sich." Allerdings werde es einige Zeit dauern, bis die Folgen der Krise überwunden seien und sich die Finanzmärkte normalisierten, schränkte Ackermann ein. Insgesamt habe sich die deutsche Finanzbranche als robust erwiesen.
Uneinigkeit innerhalb der Deutschen Bank
Uneinigkeit innerhalb der Deutschen Bank
Knapp ein Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise gibt es aber auch Experten, die eine Entwarnung für viel zu früh halten. Einer Studie der Investmentbank JP Morgan zufolge kommen auf die europäischen Geldhäuser beispielsweise weitere milliardenschwere Abschreibungen zu.
Auch Kollegen von Ackermann mahnen zur Vorsicht. "Wir werden sicher noch einige Quartale mit erheblichen Belastungen erleben", sagte etwa Alexander Dibelius, Deutschland-Chef von Goldman Sachs, dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). Allerdings schwinde das Misstrauen zwischen den Banken langsam. Noch müssten aber die Verluste und die sich daraus ergebenden Eigenkapitalverluste verdaut werden.
"Das wird vor allem über Kapitalerhöhungen geschehen. Erst wenn das Kapitalloch wieder aufgefüllt ist, wird die Krise endgültig bewältigt sein", ergänzte Dibelius und forderte zugleich Konsequenzen aus der Finanzkrise. Es dürfe nicht sein, dass man bestimmte Risiken einfach aus der Bilanz ausgliedern könne, ohne das damit verbundene Risiko zu berücksichtigen.
"Es ist zu früh, jetzt schon Entwarnung zu geben, auch wenn es erste Signale gibt, dass sich die Märkte normalisieren", hatte auch Bankenpräsident Klaus-Peter Müller gesagt. Selbst in der Spitze der Deutschen Bank selbst herrscht noch Skepsis. So hatte Ackermanns Top-Investmentbanker Anshu Jain vor einer Woche vor Investoren gesagt, verschiedene Indikatoren zur Lage an den Märkten ergäben derzeit kein klares Bild. Jain sprach zwar von einer Phase der Normalisierung, nicht aber von einem Ende der Krise.
Als Unsicherheitsfaktor gelten vor allem eine Reihe von Investmentbanken. Einige davon werden in der kommenden Woche ihre Bilanzen vorlegen - und damit voraussichtlich erneut enttäuschen. Zahlen kommen von Lehman Brothers am Montag, Goldman Sachs am Dienstag und Morgan Stanley am Mittwoch. Lehman hat bereits seinen ersten Quartalsverlust überhaupt prognostiziert - und dies gleich in Höhe von rund 2,8 Milliarden Dollar.
manager-magazin.de mit Material von reuters