Börse Der Tanz der Pessimisten

Viele Aktiensparer haben das Jahr abgeschrieben. Zu schlecht scheinen ihnen die Wirtschaftsnachrichten, als dass sich die Börse bekrabbeln könnte. Doch die Investoren haben sich ihre Meinung zu schnell gebildet: Der Dax kommt langsam zurück.
Von Thomas Grüner

Haben Sie sich auch schon festgelegt? Darauf, dass Aktiensparer für längere Zeit nichts zu Lachen haben werden? Dass kleinere Kursgewinne an der Börse sofort wieder zusammenbröseln - und der große Zusammenbruch bald kommen wird? Warum eigentlich?

Weltweit berappeln sich die Börsen. Rund die Hälfte der zwischenzeitlich aufgelaufenen Kursverluste seit den Hochs aus dem vergangenen Jahr sind wettgemacht. Der deutsche Aktienindex Dax  beispielsweise rangiert heute nur noch etwa 13 Prozent unter seinem Rekordhoch. Und der amerikanische Aktienleitindex S&P 500  rückt seinem Höchststand vom 11. Oktober 2007 bereits ebenfalls wieder näher; der Index steht nur noch 11 Prozent unter seiner Bestmarke. Dagegen fällt ausgerechnet der Preis für jene Anlageklasse, die gerade in Aktienkrisenzeiten als die klassische Anlagealternative gilt: Der Goldpreis sinkt, und das nicht zu knapp - um mehr als 16 Prozent seit seinem Rekordstand vom 17. März 2008.

Doch während die Gegenbewegung an den Aktienmärkten derzeit von vielen Anlegern eher als eine Rally im Abwärtsmarkt empfunden wird, soll der Kursrutsch beim Gold  lediglich eine typische Korrektur in einem stetigen Aufwärtsmarkt sein. Der eigentlich gleiche Vorgang, nämlich eine scharfe Korrektur in einem Aufwärtstrend, wird also unterschiedlich bewertet. Dabei gibt es durchaus Hinweise dafür, dass die optimistischere Börsensicht nicht weniger gute Argumente gibt.

Barübernahmen und große Aktienrückkäufe beispielsweise verknappen derzeit weltweit das Aktienangebot, neue Emmissionen dagegen bleiben vielfach aus. Seine Ursache hat diese Entwicklung vor allem in der Differenz zwischen den Gewinnrenditen der Unternehmen und den Renditen lang laufender Anleihen. Hat ein Unternehmen ein niedriges Kurs-/Gewinn-Verhältnis und kann sich günstig am Anleihemarkt verschulden, wird das Unternehmen sich natürlich für eine dann günstigere Kreditfinanzierung entscheiden.

Hat das Unternehmen jedoch - wie oftmals im ominösen Jahr 2000 der Fall - ein hohes Kurs-/Gewinn-Verhältnis und damit eine niedrige Gewinnrendite, wird es die Kapitalbeschaffung über die Ausgabe neuer Aktien vorziehen, da diese Variante in diesem Fall günstiger ist. Dieser Effekt sollte der eigentliche Treiber der nächsten Aufwärtsbewegung sein.

Fazit: Das fundamentale und technische Umfeld spricht für eine heftige Korrektur in einem Bullenmarkt, nicht für einen neuen Bärenmarkt. Denn ein echter Bärenmarkt beginnt immer langsam und schleichend. Er tarnt sich dabei so gut, dass er meist zu spät von der Mehrheit der Investoren erkannt wird. Der aktuelle Börsentrend jedoch wäre mithin der erste Bärenmarkt der Finanzgeschichte, den die Medien und auch die übergroße Mehrheit der Anleger und Analysten bereits nach wenigen Wochen auch als einen Bärenmarkt bezeichnen.

Sie erinnern sich sicher noch gut an den Bärenmarkt 2000 bis 2002. Bis weit in das Jahr 2001 hinein wurde allgemein von einer Korrektur und angeblich guten Nachkaufchancen und vermeintlichen Schnäppchenpreisen gesprochen. Der tatsächliche Bärenmarkt wurde erst wesentlich später identifiziert – als es längst zu spät war. Deshalb würde ich derzeit durchaus nochmals ein paar schwache Börsentage oder auch Wochen einkalkulieren. Von einem beständigen Minusmarkt aber würde ich nicht ausgehen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren