Finanzmarkt Der nächste Dominostein kippt

Nach Subprime und Conduit müssen die Anleger ein neues Schreckenswort lernen: Monoliner. So heißen Spezialversicherer in den USA, die einen Teil des Anleihenmarkts am Leben halten. Einige davon sind wegen der Kreditkrise ins Straucheln geraten und drohen, große Banken mit sich zu reißen.

Hamburg - Die Banken haben in den vergangenen Monaten viel Prügel dafür bezogen, dass sie erst nach und nach die in der Kreditkrise abgewerteten Papiere in ihren Büchern abschreiben. Außenstehende können kaum beurteilen, ob die Geldhäuser bewusst eine Erholung des Markts abwarten oder ob sie wirklich selbst überrascht sind, Quartal für Quartal neue Milliardenverluste aufdecken zu müssen.

Für die zweite Erklärung spricht immerhin, dass der Markt sich fortwährend verschlechtert. Die Risikoaufschläge für Kreditpakete, die mit US-Hypotheken besichert sind, haben in dieser Woche Rekordniveau erreicht. Außerdem tauchen ständig neue Risiken auf, wo sie nur wenige vermuteten.

Die neuesten Angstmacher, mitverantwortlich für den Börsencrash der vergangenen Tage, sind scheinbar grundsolide Spezialversicherungen aus den USA.

Sie heißen Monoliner, weil sie zur Zeit ihrer Gründung in den 70er Jahren ein einziges Geschäft betrieben. Sie versicherten Schuldverschreibungen amerikanischer Gemeinden gegen möglichen Kreditausfall. Weil die Monoliner dabei kein großes Risiko eingingen, bekamen sie beste Bonitätsnoten. Und die gingen mithilfe von Credit Default Swaps (CDS) auch auf die kommunalen Anleihen über.

So konnten selbst Bonds mit zweitrangiger Kreditwürdigkeit, in Ausnahmefällen auch unter Investmentqualität, zu Topinvestments aufsteigen. Ein Gewinn für Investoren, Gemeinden und die Monoliner.

ABS-Geschäft fliegt Monolinern um die Ohren

Wären sie doch auf der Monoschiene geblieben. Seit Dezember stehen die Marktführer MBIA  und Ambac  unter strenger Beobachtung der Ratingagenturen. Fitch hat Ambac bereits das Gütesiegel AAA entzogen. Der Grund: Weil ihnen das Geschäft mit den Gemeinden zu wenig brachte, versicherten die Monoliner auch kompliziertere Kreditderivate - Asset Backed Securities (ABS), zum Teil unterlegt mit Hypothekendarlehen von US-Hausbesitzern. Diese ABS fliegen den Monolinern nun genauso um die Ohren wie allen Investoren.

Unicredit schätzt das Volumen der von Monolinern versicherten Anleihen auf 2,3 bis 2,7 Billionen Dollar weltweit. Davon machten mit dem US-Immobilienmarkt verbundene ABS vor der Krise knapp 250 Milliarden Dollar, also etwa ein Zehntel, aus. Genug, um die Zahlungsfähigkeit der meist kleinen Versicherungen infrage zu stellen. Ambac schrieb für das abgelaufene Quartal 5,3 Milliarden Dollar ab und verbuchte 3,3 Milliarden Dollar Verlust. Die Aktien von MBIA und Ambac sind seit dem Sommer um mehr als 90 Prozent eingebrochen, mit dem letzten großen Sturz Mitte Januar.

Ambac musste kurzfristig eine Kapitalerhöhung um eine Milliarde Dollar abblasen, die dazu gedacht war, das AAA-Rating zu erhalten. Mit der Topkreditwürdigkeit verlor Ambac auch seine Geschäftsgrundlage. "Ein Downgrade eines Monoliners führt automatisch zu einem Downgrade für die versicherten Papiere", erklärt Markus Ernst, ABS-Analyst der Unicredit. Das betreffe nicht nur die riskanten ABS, sondern alle von dem Monoliner gegebenen Garantien.

"Das Problem haben die Investoren"

"Das Problem haben die Investoren"

"Es wurde klar gezeigt, dass die Monoliner nicht in der Lage sind, Ereignisse abzusichern, für die die Garantien ursprünglich gegeben wurden", urteilt Ernst. Folgen hat das zunächst für die Schuldner. Amerikanische Kommunen, deren Anleihen noch 60 Prozent des Monoline-Portfolios ausmachen, müssen in Zukunft höhere Zinskosten in Kauf nehmen. Das betrifft auch kleine private Schulen und Krankenhäuser, die wenig Steuermittel erhalten. Das ist ein weiterer Schlag für die US-Konjunktur.

Aus Europa kommen nach Ernsts Schätzung nur 70 bis 75 Milliarden Dollar an Monoline-versicherten ABS. Dabei handelt es sich meist um besonders exotische Papiere wie Future Flow Securitizations, Garantien für zukünftige Einnahmen beispielsweise des Fußballstadions von Arsenal, die Gebühren des Eurotunnels oder die Zahlungsströme der Türkei.

"Das Problem haben weniger die Originatoren der Anleihen als die Investoren", sagt Analyst Ernst. Auf die Verkäufer der Forderungen könnten sie bei ABS nicht zugreifen. Also verlieren ihre Schuldtitel an Wert. Im schlimmsten Fall steht das gesamte Monoline-Portfolio auf der Kippe, ein weiteres Billionenrisiko für die Finanzmärkte. "Die Papiere verteilen sich kreuz und quer über alle großen institutionellen Investoren", sagt Ernst.

Eine Kostprobe lieferte bereits der Kollaps des kleinen Monoliners ACA  im Dezember. Standard & Poor's stufte das Rating des besonders wagemutigen Versicherers sogar von A auf CCC, also Ramschniveau, ab. Die ACA-Aktie wurde von der New Yorker Börse ausgeschlossen. ACA hat nun schon zum zweiten Mal eine Stundung seiner Zahlungsverpflichtungen vereinbart und kämpft ohne viel Hoffnung ums Überleben.

Die Großbank Merrill Lynch  musste 3,1 Milliarden Dollar an Papieren abschreiben, die von ACA versichert waren. Das trug zum Zehn-Milliarden-Minus der Bank bei. Wenn ein vergleichsweise kleiner Akteur schon so große Wellen schlägt, fragen sich viele Marktbeobachter, was droht dann im Ernstfall bei großen Häusern wie Ambac oder MBIA?

Die Banken mauern

Die Banken mauern

"Da dürfte die Märkte noch so manch böse Überraschung ereilen", sagt Bankenanalyst Konrad Becker von Merck Finck. Er räumt ein, dass die Risiken nur schwer einzuschätzen seien, weil man das genaue Engagement einzelner Banken und Versicherer bei den Kreditversicherern nicht beziffern könne. Auch gegenüber Analysten äußerten sich die Finanzkonzerne nicht. "Hier wird kräftig gemauert", sagt Becker.

Lediglich die Postbank  habe konkrete Angaben gemacht und erklärt, dass sich in ihrem rund 6,3 Milliarden Euro schweren Portfolio strukturierter Finanzierungen Assets in Höhe von 40 Millionen Euro befänden, deren Rating durch einen Kreditversicherer abgesichert und damit verbessert wurde.

Auch wenn sich die Finanzkonzerne mit Informationen zurückhalten, müsse man davon ausgehen, dass die Absicherung von Anleihen durch Kreditversicherer eine weitverbreitete Praxis sei. "Alle Finanzinstitute sichern sich über Kreditversicherer ab. Sie räumen das auch ein. Die Frage ist nur, in welcher Höhe sie das tun", sagt der Analyst.

Die Allianz  zum Beispiel hatte zum 30. September vergangenen Jahres erklärt, dass bei der Tochter Dresdner Bank ein ABS-Handelsbuch mit einem Bruttovolumen von 18 Milliarden Euro und einem Nettovolumen von 7,9 Milliarden Euro bestehe. Die Differenz von 10,1 Milliarden entsteht dadurch, dass die Risiken dieser ABS-Papiere ausgelagert wurden - sei es nun durch Hedging, handelbare Kreditderivate (Credit Default Swaps) oder eben auch durch den Kauf von Monoline-Versicherungen, erklärt Becker.

Zeitungen zitierten eine Studie der Kölner Bank Sal. Oppenheim, der zufolge die ohnehin schwer gebeutelte Hypo Real Estate (HRE)  20 bis 25 Milliarden Euro an abgesicherten Anleihen mit dem Kauf der Staatsbank Depfa übernommen habe. HRE bekräftigte am Mittwoch, ohne Kapitalerhöhung auszukommen. Sal. Oppenheim wollte die Studie nicht an manager-magazin.de herausgeben. Sie habe zu viel Wirbel verursacht, hieß es zur Begründung.

Die bislang größte Nummer kursiert um die französische Großbank Société Générale. Bis zu 40 Milliarden Euro müsse die Bank abschreiben, weil ein Großteil ihrer Immobilienkredite von einem - nicht namentlich benannten - angeschlagenen Monoliner versichert sei, schrieb "Le Canard Enchaîné" ohne Angabe von Quellen. Das Satireblatt deckt häufig Geheimnisse aus Politik und Wirtschaft auf.

Société-Générale-Chef Daniel Bouton gab am Donnerstag zu, dass die Bank Probleme mit Monoline-versicherten Papieren hat. Für das vierte Quartal 2007 schrieb sie 550 Millionen Euro davon ab. Société Générale bezifferte ihr Monoline-Portfolio auf 1,2 Milliarden Euro, ungefähr zu jeweils einem Viertel auf MBIA, Ambac, FGIC und fünf kleinere Gesellschaften verteilt.

Warren, hilf!

Warren, hilf!

Schwierig könnte es zudem für Versicherungen werden, die selbst im Monoline-Geschäft aktiv sind. Die Münchener Rück  beeilte sich zu erklären, in diesem Bereich nur noch "auslaufendes Geschäft" aus der Zeit vor 2003 zu haben. "Insofern: Klare Entwarnung von unserer Seite." Die Swiss Re  ist nach Angaben eines Analysten von J. P. Morgan mit 18,8 Milliarden Schweizer Franken in Monoline-Versicherungen engagiert. Daraus würden bis zu 800 Millionen Franken an Abschreibungsbedarf resultieren.

Noch schlimmer käme es, wenn die Monoliner-Krise das Vertrauen in Kreditabsicherungen insgesamt zerstörte. Dann könnten auch einzelne Großbanken abgestuft werden und deren Credit Default Swaps (CDS) wertlos werden. Der Branchenverband International Swaps and Derivatives Association (ISDA) gibt das Volumen der Kreditderivate für Mitte 2007 mit 45 Billionen Dollar an, 75 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Eine allgemeine CDS-Krise würde die Kreditkosten für Unternehmen weltweit in die Höhe treiben.

Die gute Nachricht: Rettung naht. Eric Dinallo, für die Monoliner zuständiger Versicherungsaufseher des Staats New York, verkündete am Dienstag einen Rettungsplan, um den Markt zu stabilisieren. Erster Schritt sei, mehr Kapital anzulocken. Daher habe Dinallo schnell den Plan von MBIA zur Kapitalerhöhung um 1,5 Milliarden Dollar genehmigt. Außerdem habe er "erfolgreich Berkshire Hathaway eingeladen, eine neue Anleihenversicherung in New York zu eröffnen".

Berkshire Hathaway  ist die Holding des Multimilliardärs Warren Buffett. Der ist ohnehin stark im Rückversicherungsgeschäft engagiert und hat jüngst auch 3 Prozent der Swiss-Re-Aktien gekauft. Mit seinem guten Namen könnte Buffett glaubwürdige Garantien geben und einen Aufpreis im Vergleich zu den Monolinern verlangen, die mit ihren schlechteren Noten dann kaum noch an neues Geschäft kommen dürften. Seine neue Gesellschaft würde dann den kompletten Markt übernehmen. Vor allem aber hat Buffett genügend Cash auf die Seite gelegt, um in der Finanzkrise noch beweglich zu bleiben.

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