Marktkommentar "Nerven bewahren"
Es schien kein Halten mehr zu geben. An der Börse haben viele der weltweit führenden Aktienindizes seit Jahresbegin auf breiter Front mehr als 20 Prozent ihres Wertes verloren. Die formale Grenze zum Bärenmarkt, einer Zeit sinkender Kurse, ist damit in vielen Aktienindizes überschritten - zumindest der Börsentheorie nach. Doch ist das wirklich ein gutes und verlässliches Verkaufssignal?
Genau das glauben wir in diesem Fall nicht. Im Gegenteil: Wir gehen davon aus, dass dieser Crash unmittelbar vor seinem Ende steht und würden deshalb gegen den vermeintlichen Trend eher Aktien kaufen als welche zu verkaufen.
Das mag auf den ersten Blick überraschen. Doch an der Börse muss man sich nicht anders verhalten als beim Einkaufen: Im gerade begonnenen Winterschlussverkauf stürmen die Menschen ja auch sinnvoller Weise die Kaufhäuser, weil die Preise zu diesem Zeitpunkt fallen. Doch an der Börse ist es derzeit genau andersherum. Von dort rennen alle weg - wegen der fallenden Kurse. Vernünftig ist das nicht.
Es gibt noch mehr Gründe, jetzt zu kaufen. Erinnern Sie sich beispielsweise an die Börsenkrise 1997? Es sieht derzeit so aus, als ob der aktuelle Crash genau so verläuft, wie die zweite Abwärtswelle in jenem Oktober vor knapp zehn Jahren.
Damals wurde die Korrektur mit einem furiosen Finale beendet, das 2007 noch fehlte, aber nun anscheinend mit dreimonatiger Verspätung nachgeholt wird. In den dann folgenden Monaten aber legten die Aktienindizes bis in den Sommer 1998 kräftig zu - nicht zuletzt, weil die Notenbanken die Leitzinsen deutlich senkten. So, wie es am Dienstag auch die amerikanischen Zentralbanker taten.
Mehr noch: Auch damals fielen die langfristigen Zinsen stark, wie es derzeit zu beobachten ist. Damit verschob sich Verhältnis in den Bewertungen zwischen Aktien- und Rentenmärkten deutlich zu Gunsten der Aktienmärkte. Genau, wie jetzt wieder.
Jetzt keine Panikverkäufe
Jetzt keine Panikverkäufe
Während die zehnjährigen Renditen in den USA heute nur noch bei 3,45 Prozent notieren, bedeutet das im Umkehrschluss ein Kurs-Gewinn-Verhältnis dieser Anleihen von fast 29. Der marktbreite Aktienindex S&P 500 weist dagegen je nach Gewinnschätzungen lediglich ein Kurs-/Gewinnverhältnis von rund 15 auf. Aktien sind also das günstigere Investment.
Ganz klar, dieser Jahresstart hat auch uns überrascht. Aber jetzt gilt es überlegt zu reagieren und übertriebene Absicherungen oder gar breite Panikverkäufe auf diesem Kursniveau zu vermeiden. Denn fast alle crashartigen Bewegungen der vergangenen Jahrzehnte wurden schnell wieder korrigiert. Dagegen beginnen echte Bärenmärkte immer langsam und schleichend. Beispiele gefällig?
Denken Sie an das Jahr 2000. Damals hatte der Dax ein Kurs-/Gewinnverhältnis von mehr als 30. Die zehnjährigen deutschen Staatsanleihen dagegen rentierten mit rund 6,5 Prozent, was umgerechnet ein Kurs-/Gewinnverhältnis von rund 15 bedeutete. Und damit waren Anleihen damals deutlich preiswerter als deutsche Aktien.
Im Moment aber ist es genau andersherum: Das Kurs-/Gewinnverhältnis an den Rentenmärkten ist derzeit fast doppelt so hoch wie an den Aktienmärkten. Um also die Situation des Jahres 2000 überhaupt erst wieder zu erreichen,müsste sich der Dax fast vervierfachen!
Und abschließend noch ein Wort zur heute bereits oft gehörten "Bärenmarktdefinition". Würde man die wörtlich nehmen, hätte der "Bärenmarkt" 1997 genau einen Tag gedauert. Nur am 28. Oktober 1997 wurde im Handelsverlauf ein Verlust von zwischenzeitlich mehr als 20 Prozent im Dax verzeichnet. Behalten Sie also die Nerven auch wenn das derzeit sicher schwer fällt.