Börsengang "Volksaktie" Bahn rollt zum Abstellgleis
Berlin - Bestrebungen in der SPD zur Privatisierung der Deutschen Bahn über "Volksaktien" haben einen herben Dämpfer erhalten. Finanzminister Peer Steinbrück lehnt diese Möglichkeit ab, wie am Sonntag aus Regierungskreisen verlautete. Sein Haus favorisiert demnach einen Teilverkauf über Namensaktien, die dem jeweiligen Besitzer zugeordnet werden können. Damit soll der SPD-Basis die Sorge genommen werden, dass das letzte Großunternehmen im Staatsbesitz in die Hände unliebsamer Investoren gerät.
Zugleich zeichnet sich eine Verschiebung des Börsengangs ab. "Ich sehe nicht, dass eine Teilprivatisierung früher als Ende 2008 vollzogen werden kann", sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) dem "Tagesspiegel am Sonntag". Er warne seit längerem vor zu großer Eile. SPD-Fraktionschef Peter Struck schloss nicht aus, dass die Bundestagsabstimmung über die Privatisierung auf das kommende Jahr verlegt wird. "Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen", sagte er der "Berliner Zeitung".
Auch Bahnchef Mehdorn plädiert für Namensaktien
Den Kreisen zufolge sind Steinbrück und seine Berater gegen die Volksaktie, da Wertpapiere ohne Stimmrecht nicht besonders attraktiv seien. Bei der Namensaktie kann geprüft werden, wer in ein Unternehmen einsteigt und an wen er das Papier weiter veräußert, so dass ein Verkauf in "falsche Hände" notfalls verhindert werden kann.
Der "Tagesspiegel" berichtete zudem, weil die Besitzer der Namensaktien volles Stimmrecht bekämen, solle den SPD-internen Kritikern angeboten werden, nur 24,9 Prozent der Bahn zu verkaufen. Dies würde allerdings den Erlös schmälern. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, der die Volksaktie ablehnt, plädierte für eine Privatisierung über Namensaktien.
Konzept stimmrechtsloser Vorzüge soll zu den Akten
"Im Ergebnis soll das Konzept der stimmrechtslosen Vorzugsaktien nicht weiter verfolgt werden", zitierte der "Spiegel" aus einem achtseitigen Argumentationspapier, das Steinbrück am Montag dem SPD-Vorstand vorlegen will. Es liste etliche Nachteile des Volksaktien-Modells auf. "Ob eine stimmrechtslose Bahnaktie große Nachfrage auf sich ziehen und ein adäquates Volumen einspielen könnte, erscheint zweifelhaft", zitierte das Magazin aus dem Schriftstück mit dem Titel "Volksaktie Bahn - Pro und Contra".
Garantierte Dividende eine Gefahr für den Bund
Garantierte Dividende hat ihre Tücken
Auch könne eine Garantie-Dividende dazu führen, dass der Konzern nicht genügend Geld für Investitionen übrig habe. Bei Verlusten wäre sogar denkbar, dass der Bund als Mehrheitseigner Geld nachschießen müsse, um die Ansprüche der Aktionäre zu befriedigen. Ähnlich einer Anleihe soll die "Volksaktie" kein Stimmrecht besitzen, aber mit einer Garantie-Dividende von fünf Prozent ausgestattet sein. Der SPD-Parteitag Ende Oktober will über das Modell beraten.
Mehdorn sagte der "Wirtschaftswoche", Namensaktien würden Ängsten in der Bevölkerung entgegenwirken, "unredliche Zeitgenossen könnten sich hinten herum der Bahn bemächtigen". Er forderte außerdem die Möglichkeit zur regelmäßigen Erhöhung der Trassenpreise für die Nutzung des Schienennetzes. Eine Steigerung um den Inflationsausgleich wäre eine realistische Zielgröße, sagte er. Im Gegenzug signalisierte der Bahn-Chef, dass das Unternehmen die Milliardenkosten für den Erhalt des Netzes um 3 bis 4 Prozent drücken könnte. Nach Tiefensees Gesetzentwurf soll der Bund dem Konzern künftig bis zu 2,5 Milliarden Euro im Jahr für den Erhalt des Netzes zahlen.
Rechnungshof meldet Bedenken an
Neue Kritik am Tiefensee-Modell kam vom Bundesrechnungshof, wie das Magazin "Focus" berichtete. Entgegen den Plänen der Regierung könnten Wirtschaftsprüfer die Verwendung von Bundesmitteln durch die Bahn nicht wirksam kontrollieren, heiße es in einem Bericht an den Bundestag. Schon für bisherige Investitionen in das Schienennetz fehlten seit Jahren Nachweise für etwa 210 Millionen Euro.
Der Bundestag hatte am Freitag erstmals über den Gesetzentwurf zur Bahn-Privatisierung beraten. Auch in Teilen von Union und SPD gibt es gegen das Tiefensee-Modell Widerstand.
Der Bund bleibt danach zwar formal Eigentümer des Netzes und zahlt Milliardenzuschüsse für dessen Unterhalt, die Bahn als wirtschaftlicher Eigentümer aber betreibt die Trassen und führt Gewinne oder Verluste in der eigenen Bilanz. Um das Netz nach 15 Jahren zurückzubekommen, müsste der Bund einen Wertausgleich von derzeit 7,5 Milliarden Euro zahlen.
manager-magazin.de mit Material von reuters