Euro-Hoch "Alarmsignal für die Wirtschaft"
Berlin - Der Euro ist weiter auf Höhenflug: Die europäische Gemeinschaftswährung stieg am Donnerstag erstmals auf mehr als 1,40 Dollar. Wirtschaftsvertreter und Politiker befürchten, dass die Aufwertung des Euro mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gefährdet. Die Bundesregierung erwartet indes, dass der Aufschwung in Deutschland robust genug ist, die aus Eurokurs und Ölpreis resultierenden Risiken zu verkraften.
Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs des Euro am Donnerstag kräftig gestiegen auf 1,4030 (Mittwoch: 1,3975) US-Dollar fest. Der Dollar kostete 0,7128 (0,7156) Euro. Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,69880 (0,69865) britische Pfund, 161,43 (161,80) japanische Yen und auf 1,6461 (1,6493) Schweizer Franken fest. Am Abend erreichte der Wechselkurs sogar 1,4099 Dollar.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler sah in dem steigenden Euro ein "Alarmsignal für die exportorientierte Industrie und Wirtschaft", die immer noch Hauptträger des Wachstums in Deutschland sei. Der Druck auf die Automobilindustrie und Zulieferer werde wachsen, im Dollar-Raum zu investieren, erklärte Stiegler. Das bedeute Gefahren für die Arbeitsplätze in Deutschland und im gesamten Euro-Raum.
Wegen des neuen Euro-Hochs sieht das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) keinen Spielraum mehr für eine Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB). Der starke Euro belaste Europas Wirtschaft schon seit langem deutlich, erklärte IMK-Direktor Gustav Horn. Eine Zinserhöhung passe "ganz und gar nicht in die konjunkturelle Landschaft". Denn es seien in der Euro-Zone keine echten Inflationsgefahren zu erkennen. "Eine Zinserhöhung würde den Euro weiter hochtreiben und die europäische Wirtschaftsentwicklung damit ernsthaft gefährden", sagte der Experte des IMK.
Der Euro hatte seit der Zinssenkung der US-Notenbank Fed unter anderem an Wert gewonnen, weil die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar für Anleger attraktiver geworden ist. Die Fed hatte am Dienstag wegen der Finanzmarktturbulenzen ihren Leitzins überraschend deutlich auf 4,75 von 5,25 Prozent gesenkt. Die EZB hatte wegen der Unsicherheiten zuletzt auf eine ursprünglich signalisierte Zinserhöhung auf 4,25 von 4,0 Prozent verzichtet. EZB-Vertreter haben seitdem aber bekräftigt, dass sie mittelfristig weiter Inflationsrisiken sehen.
Wachstumsprognosen gesenkt
Wachstumsprognosen gesenkt
Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) geht davon aus, dass die EZB gegen Jahresende ihren Leitzins noch einmal erhöht, wenn sich die Lage an den Finanzmärkten wie erwartet normalisieren sollte. "Damit dürfte dann aber die Zinsspitze erreicht sein", erklärten die Kieler. In einer Reuters-Umfrage unter 64 Ökonomen hatten jüngst zwei Drittel erklärt, sie erwarteten erst Anfang 2008 eine Erhöhung. Ein Drittel rechnet damit noch vor Jahresende. Von der Fed hingegen erwarten die Kieler Forscher im Herbst eine weitere Senkung des Leitzinses auf 4,5 Prozent.
Wegen der Turbulenzen an den Finanzmärkten schraubte das IfW seine Wachstumsprognosen vor allem für das kommende Jahr deutlich herunter. Für die USA erwarten die Forscher 1,8 Prozent, nachdem sie im Juni noch 2,8 Prozent vorausgesagt hatten. Für die Euro-Zone senkten die Experten ihre Schätzungen für dieses und nächstes Jahr jeweils um 0,3 Prozentpunkte auf 2,6 beziehungsweise 2,2 Prozent. Die Weltwirtschaft befinde sich zwar nach wie vor in einem kräftigen Aufschwung, hieß es. Das globale Wachstum werde sich aber auf rund 4,5 Prozent von knapp 5 Prozent in diesem Jahr abschwächen. Ein Risiko stelle der Vertrauensverlust der Akteure am Finanzmarkt dar. Allerdings werde dies die reale Wirtschaft wohl nicht massiv beeinträchtigen, erklärte das IfW.
"Entscheidend ist nicht die symbolische Marke von 1,40 Dollar, sondern der allgemeine Trend", sagte der Leiter des Referats Geld und Währung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Niels Oelgart, dem Online-Dienst der "Financial Times Deutschland". Der Euro werde weiter zulegen, da die Zinsdifferenz zur USA abnehme und Schwellenländer verstärkt im Euro-Raum investieren würden. Daher äußerte er die Befürchtung: "Da Absicherungsgeschäfte neu verhandelt werden müssen, wird das die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen negativ beeinträchtigen."
Die Bundesregierung hatte in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Monatsbericht erklärt, durch die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die jüngste Entwicklung von Eurokurs und Ölpreis hätten sich die Risiken für die weitere Wirtschaftsentwicklung zwar erhöht. "Die Voraussetzungen dafür, ihre Auswirkungen zu verkraften, sind jedoch aufgrund der günstigen Gesamtkonstitution der deutschen Wirtschaft gegeben." Die Dynamik des Aufschwungs dürfte in diesem Jahr allerdings nicht ganz an das Vorjahr heranreichen.
manager-magazin.de mit Material von ap, ddp und reuters