US-Hypothekenkrise Ratingagenturen in der Kritik

Während die US-Hypothekenkrise die Börsen weltweit in einen Abwärtsstrudel treibt, geraten nach den Banken nun die Ratingagenturen in die Kritik. Offenbar erwägt die EU-Kommission, die Arbeit der Bonitätswächter mit Gesetzen zu überwachen. Kritiker werfen den Experten zu wenig Distanz zu den Banken vor.

Hamburg - Die US-Hypothekenkrise und die einhergehenden Verwerfungen an den weltweiten Finanzmärkten sind noch lange nicht ausgestanden. Die Suche nach möglichen Verantwortlichen hat aber längst begonnen. So erwägt die EU-Kommission jetzt nach Agenturberichten, mit gesetzlichen Regelungen für die Arbeit von Ratingagenturen auf die US-Hypothekenkrise zu reagieren.

Man werde untersuchen, ob die Agenturen zu spät vor den Problemen im US-Markt für zweitklassige Hypothekenkredite gewarnt hätten, sagte ein hochrangiger Vertreter der EU-Exekutive am Donnerstag. Bereits im vergangenen Jahr habe es einige Warnsignale von Vertretern der Branche in den USA gegeben. Es sei auffällig, dass die Ratingagenturen damals überhaupt nicht reagiert hätten, fügte er hinzu.

Auf den Prüfstand soll nun der Verhaltenskodex gestellt werden, den sich die Bonitätswächter wie Standard & Poor's, Moody's und Fitch nach dem Zusammenbruch des Enron-Konzerns gegeben hatten. Damals war von Interessenkonflikten die Rede gewesen, weil die Agenturen von den Firmen bezahlt werden, deren Kreditwürdigkeit sie bewerten sollen. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat in der Vergangenheit allerdings deutlich gemacht, dass er zunächst abwarten wolle, wie sich dieser Kodex in der Praxis bewähre. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen wird im kommenden Jahr erwartet.

Haben die Ratingspezialisten die Krise verschlafen?

Auch bei der nun schwelenden Hypothekenkrise schließen Marktteilnehmer Interessenkonflikte der Ratingagenturen nicht aus, berichten Medien seit einigen Tagen, ohne allerdings die Kritiker namentlich zu nennen. So heißt es etwa in der Stuttgarter Zeitung (Donnerstagausgabe), die Ratingagenturen hätten nicht nur wieder einmal eine Krise verschlafen. Hinter vorgehaltener Hand würden Kritiker den Bonitätsprüfern auch vorhalten, sie hätten zu gute Ratingnoten auf dem Kreditmarkt vergeben, weil man es sich mit den eigenen Auftraggebern, den Banken, nicht verderben wolle.

Die führenden Ratingagenturen scheinen indes ihre Bewertungsmethoden für mit Subprime-Krediten unterlegte Anleihen nun anpassen zu wollen, berichtet das "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe). "Wir werden bei den Bewertungen von mit Subprime-Krediten gedeckten Anleihen künftig von größeren zukünftigen Verlusten der zugrunde liegenden Vermögenswerte ausgehen", zitiert das Blatt aus Kreisen der Ratingagentur Standard & Poor's.

Auch der Konkurrent Moody's wolle nun bei schwachen US-Hypothekenschuldnern höhere Ausfallwahrscheinlichkeiten berücksichtigen und für neue Kredite höhere Risikoannahmen treffen, heißt es in dem Bericht weiter – nach Einschätzung kritischer Beobachter allerdings viel zu spät. Fitch wiederum habe deutlich gemacht, seine Ratingmethoden ständig zu verfeinern. Auf Anfrage von manager-magazin.de wollte sich ein Fitch-Analyst zu diesem Thema nicht äußern.

Die Ausfallraten werden steigen

Wie sich die Spirale in Gang setzte

Zum Hintergrund: Die derzeit schwelende Krise an den weltweiten Finanz- und Kreditmärkten hängt stark mit der sehr laxen Kreditvergabepraxis in den Vereinigten Staaten zusammen. Banken haben dort über lange Zeit Hypothekendarlehen an Schuldner mit schwacher Bonität vergeben. Diese Kredite und die damit verbundenen Ausfallrisiken bündelten die Institute in Form von strukturierten Anleihen und reichten die Papiere zum Beispiel an Finanzinvestoren weiter. Die meisten dieser Wertpapiere hatten die Ratingagenturen mit guten Bewertungen eingestuft.

Mit steigenden Zinsen und fallenden Hauspreisen in den USA gerieten viele Schuldner in Bedrängnis, konnten die überwiegend mit einem variablen Zinssatz versehenen Darlehen nicht mehr bedienen. Die Kredite fielen verstärkt aus, die Kurse der entsprechenden Anleihen sackten drastisch ab, die Ratingagenturen – so der Vorwurf – reagierten allerdings nicht.

Betraf die Krise zunächst US-amerikanische Hypothekenbanken, griff sie dann auf Geschäftsbanken und Hedgefonds über und erreichte schließlich auch deutsche Banken, die im US-Immobilien- und -Hypothekenmarkt auf verschiedenste Weise engagiert sind. Prominentestes Beispiel ist die Beinahepleite der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB.

Die Ausfallraten werden steigen

Beobachter gehen davon aus, dass die Kreditausfallraten in den USA in den nächsten Monaten steigen werden und sich die Krise an den Finanzmärkten damit verschärfen könnte. Der Markt für Anleihen, die mit Subprime-Hypotheken unterlegt sind, dürfte jedenfalls weiter unter Druck geraten. Experten schätzen sein Volumen auf rund 800 Milliarden Dollar. Sogenannte Collateralized Debt Obligations (CDOs) sollen sich auf ein Volumen von etwa einer Billion Dollar belaufen. CDOs sind Papiere, die durch einen Pool von Anleihen und Krediten besichert sind.

Zu den inkriminierten Titeln zählen auch Asset Backed Securities (ABS), mit Sicherheiten hinterlegte Kredite, die durch Verbriefung handelbar gemacht werden. Und Investmentgesellschaften bekommen das Misstrauen der Anleger deutlich zu spüren. Die überwiegend institutionellen Investoren haben sich in jüngster Vergangenheit verstärkt von ihren ABS-Fondsanteilen getrennt, bis schließlich die Liquidität vieler Fonds nicht mehr ausreichte, alle Rückgabewünsche zu befriedigen. Auch in Deutschland zogen Investmentgesellschaften die Reißleine und mussten eine ganze Reihe von ABS-Fonds vorerst schließen.

Sollten führende Ratingagenturen mit Subprime-Krediten unterlegte Wertpapiere nun massiv herunterstufen, wären Investoren zu weiteren Verkäufen gezwungen - soweit sich überhaupt Käufer für die forderungsbesicherten Titel finden. Beobachter gehen jedenfalls davon aus, dass der Markt für Kreditanleihen weiter unter Druck geraten und dies zu noch höheren Verlusten führen wird – mit den derzeit zu beobachtenden Konsequenzen für Börsen und Finanzmärkte.

(mit Material von reuters)

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