Euro-Rekord EZB bleibt gelassen
Frankfurt am Main - Diskussionsstoff gibt es genug für Jürgen Stark. Der frisch gewählte französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy reitet eine Attacke gegen die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB), in der Öffentlichkeit wird das Grundgerüst der geldpolitischen Steuerung der Notenbank, die Zwei-Säulen-Strategie, kritisch diskutiert, und der Euro erklimmt mit 1,3784 Dollar ein Rekordniveau. Der 59-jährige Zentralbanker hält jedoch - abgesehen von der üblichen Warnung vor dem Inflationspotenzial - in der Diskussion mit Journalisten im Frankfurter EZB-Tower den Ball flach.
"Niemand im EZB-Rat stellt die beiden Säulen in Frage", sagt Stark dezidiert. Die Debatte darüber sei eine "Phantomdiskussion", legt er nach. Die Notenbanker Frankreichs und Italiens sollen die Stabilität der Geldnachfrage in Zweifel gestellt haben. Der Zwei-Säulen-Ansatz leiste gute Dienste, hält Stark gegen. Das Ende der 90er Jahre entwickelte Konzept der zwei Säulen nutzen die Zentralbanker für ihre Vorbereitung geldpolitischer Entscheidungen. Dabei werden realwirtschaftliche und monetäre Daten in zwei Säulen getrennt analysiert.
Zum Beleg des Erfolgs des Zwei-Säulen-Ansatzes führt der Notenbanker die Entwicklung der Inflationsrate an. Sie habe in den Jahren 1999 bis 2006 im Schnitt bei 2,05 Prozent gelegen - und das unter "teilweise widrigen" Bedingungen. In den acht Jahren vor der Euro-Einführung habe die Teuerungsrate noch 2,6 Prozent betragen. Dass indes das selbst gesetzte Ziel von 2 Prozent Inflationsrate nicht erreicht worden ist, führt er auf eine Reihe externer Schocks zurück.
Allerdings bekräftigt Stark seinen Willen, sowohl die monetäre als auch die realwirtschaftliche Analyse weiterzuentwickeln. "Die EZB wird die Forschung zur monetären Analyse noch verstärken und die Forschung zur realwirtschaftlichen Analyse ausweiten", kündigt der EZB-Chefvolkswirt an. So könnten Variablem wie die Hauspreise oder Wohlstandsindikatoren in die monetäre Analyse einfließen.
Und Sarkozys Plädoyer für eine europäische Wirtschaftsregierung und Koordinierung der Wirtschafts- mit der Geldpolitik, die von der EZB als Angriff auf deren Unabhängigkeit verstanden wird? Der ehemalige Sherpa der Bundesregierung weist darauf hin, dass keine andere Regierung im Euro-Raum Unterstützung für die französische Forderungen signalisiert habe. In Europa gebe es eine Kultur, auf die sich Änderungen in einer Regierung nicht auswirken werde. Der Trend zum Wirtschaftsnationalismus müsse begrenzt werden.
Starker Euro bereitet Stark keine Sorgen
Starker Euro bereitet Stark keine Sorgen
Den jüngsten Höchststand des Euro von mehr als 1,37 Dollar kommentiert mit Gelassenheit. "Der Euro-Kurs reflektiert die Stärke der wirtschaftlichen Entwicklung im Euro-Raum", konstatiert er. Auch in dieser Frage greift er auf die Entwicklung in der Vergangenheit zurück. So bewege sich die Euro-Notierung in Bereiche, in den denen seine Vorgänger schon während der 90er Jahre gewesen seien. Zudem dürfen seiner Ansicht nach "Tageswerte nicht überinterpretiert" werden. Der Euro bewege sich nicht außerhalb der "Vorstellungskraft" der EZB.
Befürchtungen, dass der hohe Euro-Wechselkurs die reale Wirtschaft belastet, teilt er nicht. Durch die Globalisierung wirke der Kurs bei den Unternehmen weniger stark als in der Vergangenheit. Die Firmen würden den Export rund zur Hälfte untereinander in der Euro-Zone abwickeln, während der Handel mit dem Dollar-Raum nur 10 Prozent ausmache. Außerdem stehe dem belastenden Effekt eines starken Euro in Relation zum Dollar auch ein entlastender gegenüber: die Importpreise insbesondere für Rohstoffe verbilligen sich.
EZB sieht "Aufwärtsrisiken" für die Inflation
Gleichwohl sieht der Geldpolitiker "klare Aufwärtsrisiken" für die Inflation im Euro-Raum. Das aufgebaute Inflationspotenzial bereitet ihm "Sorge". Er hebt die erstarkende "Pricing Power" der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor hervor. "Die Macht der Unternehmen ist gestiegen, höhere Preise am Markt durchzusetzen", erklärt er. Inflationspotenzial baut sich zudem auf der Lohnkostenseite auf. Diese würden sich zwar noch "moderat" entwickeln, aber mit den zunehmenden Kapazitätsengpässen würden die Löhne "wohl ab 2008" stärker steigen.
"Preis- und Lohnmacht" gepaart mit einer nach Ansicht Starks "robusten Konjunkturentwicklung" und "günstigen Finanzierungsbedingungen" - die Vermutung liegt entsprechend nahe, dass die EZB ihren restriktiven Kurs nicht ändern wird. Stark signalisiert dann auch wie schon zuvor EZB-Präsident Jean-Claude Trichet ein weiteres Anziehen der Zinszügel. Nachdem die Notenbank in der letzten Sitzung vor der Sommerpause die Leitzinsen mit 4 Prozent konstant gelassen hatte, erwarten die EZB-Beobachter im September, spätestens im Oktober die nächste Zinserhöhung um einen Viertel Prozentpunkt.