Dax-Geflüster Wasserscheuer Vorstand, volle Geldspeicher
Der ehemalige RWE-Chef Dietmar Kuhnt setzte auf das Geschäft mit dem Wasser. Innerhalb von vier Jahren investierte der Essener Energiekonzern 20 Milliarden Euro in entsprechende Beteiligungen. Der schwerste Brocken darunter war der größte britische Wasserlieferant Thames Water, den RWE für elf Milliarden Euro inklusive aller Schulden erwarb.
Doch dann kam 2003 ein neuer Mann an die Konzernspitze: der Niederländer Harry Roels. Dieser beschloss im Frühjahr dieses Jahres, nur noch auf die Kernkompetenzen zu setzen. Durchaus nachvollziehbar, denn die Strompreise sind hoch, hier stimmt die Rendite. Das Wassergeschäft jedoch, speziell in Großbritannien, ist viel zu reguliert, die Kosten für längst überfällige Modernisierungen des maroden Kanalnetzes sind immens hoch.
Roels entschied deshalb, sich von diesem Bereich wieder zu trennen und weiter daran zu arbeiten, die Position von RWE unter den fünf größten europäischen Gas- und Stromlieferanten auszubauen. Nach nur einem halben Jahr hat der Konzernlenker bereits einen wichtigen Etappenschritt erreicht: Thames Water geht an ein Konsortium unter der Führung der australischen Macquarie Bank - für knapp zwölf Milliarden Euro.
"Der Preis, den RWE erzielt hat, bewegt sich am oberen Rand der Erwartungen überraschend bei dem eher schwachen Zustand der Wassersparte", sagt Mark Waldmann, Analyst der Dresdner Bank. "Ausschlaggebend könnte gewesen sein, dass die Rendite im Wassergeschäft gut prognostizierbar ist vielleicht sehen wir hier eine neue Käuferschicht für diese regulierten Bereiche", so der Branchenkenner.
Zudem plant RWE für nächstes Jahr den Börsengang des zweiten Bausteins der ehemals groß angelegten Wasserstrategie, der US-Sparte American Water. Hier rechnen Analysten mit Erlösen von sechs bis sieben Milliarden Euro. Die Geldspeicher in Essen werden also nach Jahren der hohen Verschuldung wieder gut gefüllt.
Der bange Blick gen Osten
Der bange Blick gen Osten
Doch schon mit der durch den Thames-Water-Verkauf hohen Liquidität hat RWE einen enormen Spielraum für Akquisitionen und kann nach größeren Übernahmen Ausschau halten.
Vor Augen haben die Essener dabei allerdings fast jeden Tag neue Problemschlagzeilen über den Versuch des Wettbewerbers Eon, den spanischen Konkurrenten Endesa zu übernehmen. Auch Eon hatte das Wohlfahrtsproblem, eine "zu gesunde Bilanz" zu besitzen - der Preis, den Vorstandschef Wulf Bernotat jedoch mittlerweile für Endesa auf den Tisch legen will, scheint vielen überzogen.
"Eine große Akquisition ist bei RWE nicht zu erwarten, die Konsolidierungswelle auf dem europäischen Energiemarkt ist bereits weit fortgeschritten", sagt Waldmann und verweist zugleich auf mögliche Optionen abseits des einen großen Megadeals: "Die geplante Marktöffnung in Russland ist für RWE von hohem Interesse. Um diesen Wachstumsmarkt zu nutzen zu, wird RWE sicherlich versuchen, dort zu investieren", so der Analyst.
Bleibt Roels also seiner Linie treu und tätigt gemäß seiner Devise "Wachstum mit Augenmaß" keine übertrieben hohen Investitionen, dann weckt die gut gefüllte Kasse natürlich schnell Begehrlichkeiten.
Aktionäre werden auf Ausschüttungen pochen: "RWE könnte die reguläre Dividende erhöhen oder auch als Signal für den Kapitalmarkt den Weg einer Sonderausschüttung wählen", so Waldmann.
Natürlich werden auch Finanzinvestoren angelockt, wenn das Geld quasi auf der Straße liegt. "Über Pensionsfonds könnte ein Teil des Geldes sinnvoll investiert werden ein Weg, den der Wettbewerber Eon bereits gegangen ist", nennt Waldmann eine Möglichkeit, die eigene Attraktivität bei den trotz der hohen Marktkapitalisierung unruhig gewordenen Finanzinvestoren zu schmälern. Vorstellbar wäre dieser Schritt durchaus, zumal es in der Branche heißt "Eon ist RWE immer um zwei Jahre voraus".
Bleibt der bange Blick gen Osten: Dass der russische Staatskonzern Gazprom seine Fühler auch nach Deutschland ausstreckt, ist lange kein Geheimnis mehr. Das Engagement als Sponsor von Schalke 04 gilt als eine gelungene PR-Maßnahme doch zu welchem genauen Zweck die Millionen aus dem Kreml letztendlich wirklich in die Fußball-Bundesliga fließen, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren.
Analyst Waldmann schätzt die Möglichkeit einer Gazprom-Offerte jedoch als gering ein:" Ich glaube nicht, dass Gazprom für RWE bieten wird, obwohl das europäische Versorgergeschäft nicht unattraktiv ist. Der russische Energiemulti sollte zunächst seine Hausaufgaben im eigenen Land machen. Das bedeutet: Erneuerung von Ferngasleitungen nach Europa sowie die Erschließung neuer Erdgasfelder", so der Energieexperte.
Absage an LNG-Hochburg Katar
Absage an LNG-Hochburg Katar
Vielleicht hat Harry Roels schon viel früher ein dringendes Problem: Am Wochenende tagt der RWE-Aufsichtsrat und der könnte die Frage stellen, warum Roels das Angebot für Thames Water durch das Bieterkonsortium Katar/UBS abgelehnt hat. Dieses Angebot lag zwar beim Preis unter dem von Macquarie, Katar ist jedoch ein großer Exporteur von verflüssigtem Erdgas.
Warum also ist Roels darauf nicht eingegangen? So soll doch das "Liquified Natural Gas" (LNG) als Alternative zum Pipelinegas in Zukunft eine bedeutende Rolle im RWE-Konzern spielen. Geplant sind bereits Beteiligungen an Anlagen in Rotterdam und an der ägyptischen Küste, da wäre Katar als LNG-Hochburg zur Pflege der künftigen Geschäftsbeziehungen doch der am besten passende Käufer für Thames Water gewesen.
"Die Absage an Katar sollte nicht überbewertet werden. Katar ist bemüht, das verflüssigte Erdgas in Konkurrenz zu anderen Lieferquellen loszuwerden, und wird RWE sicher auch ohne den Zuschlag für Thames Water LNG-Verträge anbieten", so Waldmann.
Fraglich bleibt allerdings, wie lange das Konzernlogo bei RWE noch Bestand haben wird, denn die Vision der Versorgung "aus einer Hand" (Strom, Gas, Wasser, Entsorgung und Dienstleistung) besitzt bald nur noch zwei statt fünf Glieder. Die Vision und damit auch das Firmenzeichen des Roels-Vorgängers Kuhnt scheint in diesen Tagen endgültig ausgedient zu haben.
Für die Aktionäre ist das zweitrangig, denn die schauen statt auf das alte Logo sowieso viel lieber auf den Aktienkurs von RWE der hat sich seit dem Amtsantritt von Roels vervierfacht.