Schiffbau Kvärner auf neuem Kurs
Oslo/London - Der Norweger Kjell Almskog soll Europas größten Schiffbau-Konzern Kvärner wieder auf die Beine bringen. Die Entscheidung für den 57jährigen gab der Aufsichtsrat des stark verschuldeten Kvärner-Konzerns am Mittwoch in London bekannt. Das Unternehmen, das in Rostock-Warnemünde auch die Kvärner-Warnow-Werft betreibt, gilt wegen anhaltend hoher Schulden durch Unternehmenskäufe als stark angeschlagen und mußte im September bereits "erhebliche Einschränkungen bisheriger Aktivitäten" ankündigen. Unmittelbar nach der Ernennung des 57jährigen Almskog, der aus dem Vorstand des ABB-Konzerns geholt wurde, stiegen die Kvärner-Aktien erstmals in diesem Jahr an der Osloer Börse mit zwölf Prozent wieder spürbar. Sie waren seit Januar fast im freien Fall von 454 auf 100 Kronen abgestürzt.
Aufsichtsratschef Christian Bjelland hob bei der Bekanntgabe von Almskogs Ernennung dessen Erfahrung mit "Express-Operationen" hervor. Daraus schlossen Beobachter, daß sehr kurzfristig mit einschneidenden Veränderungen bei Kvärner zu rechnen ist. Nach einem Halbjahres-Ergebnis ohne nennenswerten Gewinn und zusätzlichen Verschlechterungen durch die Asien-Krise bei hoher Verschuldung kursierten in Oslo bereits Gerüchte, daß Kvärner komplett von der Aker-RGI-Gruppe übernommen werde.
Dies wurde ebenso dementiert wie Berichte, wonach etliche der insgesamt 13 eigenen Werften in Norwegen, Deutschland, Großbritannien und Finnland zum Verkauf stehen. Kvärner-Pressesprecherin Marit Ytreeide erlärte dabei zur Lage der Kvärner Warnow Werft in Rostock-Warnemünde, wo Containerschiffe und Anlagen für die Offshoreindustrie gebaut werden: "Kvärner-Warnow läuft gut und hat gute Aussichten auf dem Markt. Für sie trifft die Perspektive eines Rückgangs nicht zu."
Als Sündenbock für die Talfahrt des Gesamtkonzerns mußte der bisherige Vorstandschef Erik Tönseth (52) vor zwei Wochen seinen Hut nehmen. Tönseth hatte Kvärner seit seinem Antritt 1989 auf einen rasanten Expansionskurs gebracht, die Beschäftigtenzahl von 10.000 auf 60.000 gesteigert und neben den Schiffbau-Aktivitäten auch das Engagement in der Offshore-Industrie drastisch ausgebaut. Als er 1996 Kvärner durch den Kauf der britischen Trafalgar-Gruppe auch beim Bau von Industrieanlagen nach eigener Aussage "an die Weltspitze" bringen wollte, begann der Abstieg. Der Kaufpreis von neun Milliarden Kronen (zwei Milliarden Mark) war ausschließlich durch Kredite finanziert, die nun als Schulden mit einer Gesamtlast von über zwölf Milliarden Kronen schwer auf allen Kvärner-Aktivitäten lasten.
Marktbeobachter erwarten eine Verschlechterung der Lage für den Konzern im kommenden Jahr. Zusätzlich zu den anhaltend niedrigen Ölpreisen, der Asienkrise und der eigenen Schuldenlast kämpft das Unternehmen, dessen Hauptsitz Tönseth von Oslo nach London verlegen ließ, auch mit schwer verkäuflichen Immobilien, die man beim Trafalgar-Kauf mit übernehmen mußte.