Konjunktur Europas Lokomotive?
London - Die deutsche Industrie erlebt den stärksten Aufschwung seit sechs Jahren und treibt damit sogar die Erholung der Branche in Europa an. Im Juni ging es hier zu Lande so gut voran, dass Deutschland den stärksten Produktionsanstieg unter den vier großen Volkswirtschaften der Euro-Zone verzeichnete: Der entsprechende Index für Deutschland kletterte von 60,7 auf 62,1 Punkte, für die Euro-Zone insgesamt verbesserte sich das Konjunkturbarometer von 59,5 auf 60,1 Punkte.
Der RBS/BME-Einkaufsmanagerindex für Deutschland legte im Juni ebenfalls zu, und zwar um 59,5 von 58,5 Punkten im Vormonat, wie das britische Forschungsinstitut NTC ermittelt hat. Damit notiert der Index nun schon seit zehn Monaten über der Schwelle von 50 Zählern, ab der er eine Ausweitung der Geschäfte in dem Sektor anzeigt. Auch der Index für das Währungsgebiet erreichte mit 57,7 nach 57,0 Punkten im Mai den höchsten Stand seit sechs Jahren.
"Die Umfage zeichnet ein starkes Bild", sagte NTC-Chefvolkswirt Chris Williamson. Die Firmen in Deutschland und der Euro-Zone stellten so viele neue Mitarbeiter ein wie seit dem Boomjahr 2000 nicht mehr. "Wir haben einen großen Wendepunkt am Arbeitsmarkt erreicht", sagte Williamson. Die Auftragsbücher füllten sich und die Unternehmen weiteten ihre Produktion kräftig aus. Wegen der starken Zuwächse beim Auftragseingang standen die Kapazitäten NTC zufolge erneut unter Druck. Zugleich wuchs das Auftragspolster der Industrie wuchs so stark wie noch nie seit Beginn der Datenerhebung 2002.
Der Index für die deutsche Beschäftigung legte auf 55,1 von 53,5 Zählern zu - das ist der zweithöchste Stand in der Umfrage, in der seit 1996 rund 400 Unternehmen befragt werden. Auch der Jobaufbau in der Euro-Zone erreichte ein Sechs-Jahres-Hoch.
Hintergrund ist die anziehende Nachfrage nach deutschen Industrieerzeugnissen und die Einführung neuer Produktlinien, die bei den Konsum- und Vorleistungsgüterproduzenten, aber auch den Herstellern von Investitionsgütern für kräftige Ausweitungen sorgten. Vor allem die Inlandsbestellungen legten zu, doch auch bei den Exportorders verbuchten die Umfrageteilnehmer ein deutliches Plus. Angezogen hat vor allem die Nachfrage aus Frankreich, Italien, Spanien, den USA, Polen und der Türkei. In der Euro-Zone ließ die Dynamik der Auslandsaufträge infolge des starken Euros leicht nach, erklärte NTC.
Die Preismacht der Firmen in Deutschland und der Euro-Zone verbesserte sich im Juni weiter: Sie konnten ihre Verkaufspreise so stark erhöhen wie noch nie, seitdem die Daten im September 2002 erstmals erhoben wurden. Allerdings stiegen wegen höherer Metallpreise, aber auch wegen der hohen Öl- und Energiepreise die Kosten ebenfalls stark an. Während der Druck auf die Gewinnmargen in Deutschland etwas nachließ, blieb der Abstand zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen in der Euro-Zone unvermindert hoch.
Die deutsche Industrie steht nach Einschätzung der Postbank nun vor einem robusten und dauerhaften Wachstum. Darauf deute der überraschend kräftige Anstieg des Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe im Juni hin, sagte Volkswirt Biran Mandt. "Der Anstieg des deutschen Einkaufsmanagerindexes steht im Einklang mit dem Ifo-Geschäftsklimaindex, der sich im Juni ebenfalls deutlich verbessern konnte", sagte Mandt.
manager-magazin.de mit Material von dpa-afx und reuters