Kapitalmärkte Zuckerbrot und Peitsche
Frankfurt am Main - Karl Dannenbaum treibt eine Frage um. Wie kann ein Wirtschaftswunder, wie es Deutschland in der Nachkriegszeit erlebte, wiederholt werden? Besonders originell ist die Frage nicht. Schon eher, dass ein Investmentbanker Zeit für die Suche nach einer Antwort aufwendet.
Dannenbaum ist Deutschland-Chef der US-Investmentbank Lehman Brothers. Fürs Gedankenmachen über das "zweite deutsche Wirtschaftswunder", wie er seine Vision bezeichnet, wird der 63-jährige Investmentbanker nicht bezahlt. Er verdient sein Geld mit Deals. Fusionen und Übernahmen sind sein Geschäft, und bei diesen Deals geht es oft genug um die Höhe der Synergien, die am Ende durch das Entlassen von Beschäftigten erzielt werden. Lehman ist bei diesen Transaktionen gut im Geschäft.
Dannenbaum ist aber auch Sohn eines deutschen Mittelständlers mit 200 Mitarbeitern. Er, der mehr Zeit in Flugzeugen verbringt als in seinen beiden Büros in London und Frankfurt, will nicht als einer dieser vaterlandslosen Technokraten gelten. Für ihn steht fest: Nur der Kapitalmarkt kann ein zweites Wirtschaftswunder auslösen.
Der Kapitalmarkt gibt vor, wo effizient investiert werden soll. "Wo der Staat wegen seiner Finanzknappheit seine Funktion nicht mehr erfüllen kann, soll der Kapitalmarkt einspringen", regt Dannenbaum, ganz Investmentbanker, an. Zunächst sei dies bei der Altersvorsorge nötig. Denn weil sich die Struktur der Alterspyramide stark verändere, schrumpfe die Zahl der Deutschen, die in die Rentenkasse einzahlen.
Durch die wachsenden medizinischen Möglichkeiten stiegen gleichzeitig die Gesundheitsausgaben. "Diese wachsende Kluft kann der Staat nicht überbrücken", meint Dannenbaum, wohl aber der Kapitalmarkt, der mit seinen Produkten bereit stehe. Arbeiter und Angestellte griffen in Zukunft zur Alterssicherung auf Pensionsfonds zurück. "Sie werden sich wundern, wie schnell sich das Klima zum Thema Globalisierung in Deutschland ändern wird, wenn die Rendite der Investments für die Rente ausschlaggebend ist", sagt er.
"Katalysatoren für Deutschland"
"Katalysatoren für Deutschland"
Dannenbaums Vertrauen in den Staat reicht nicht mehr weit. "Die verantwortlichen Politiker erringen und behalten ihre Jobs durch parteiliche Meinungsmache und interpretationsfähige Wahlversprechen im kleinen nationalen politischen Raum", lehnt er seine Argumentation an die gängige Politikerschelte an.
Dabei sei der Maßstab doch schon längst nicht mehr der Wahlkreis sondern die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf dem globalen Markt. Nicht die Globalisierung koste in Deutschland Arbeitsplätze, sondern die Einasphaltierung des Arbeitsmarktes durch die Politiker. Sie klammerten sich, so argumentiert Dannenbaum, an dem Irrglauben fest, durch das Drehen von ein Paar Stellschrauben auf der Steuer- und Einnahmenseite sei alles Notwendige getan.
"Nur durch den Kapitalmarkt kann angesichts der zunehmenden Ressourcenknappheit die Zukunft Deutschlands gesichert werden", meint er. Denn dort, wo eine wettbewerbsfähige Rendite erwirtschaftet werden könne, bestehe ein komparativer Vorteil. Nur diejenigen Unternehmen, die diese goldene Regel strikt umsetzten, könnten Arbeitsplätze sichern und neue schaffen.
Wegbereiter für diesen Wandel sind nach Dannenbaums Ansicht die Finanzinvestoren: "Sie wirken bei diesem Restrukturierungsprozess wie ein Katalysator, der Deutschland wieder wettbewerbsfähig macht." Der Investmentbanker mag nicht vollständig leugnen, dass Vorstände Fehlentscheidungen treffen und zuweilen Entlassungen das Vakuum bei langfristigen Unternehmensstrategien füllen.
Deshalb begrüßt er das Vordringen von Hedgefonds und Private-Equity-Firmen. "Hedgefonds und Private-Equity-Fonds halten dem deutschen Management wie einem Zugpferd den Zuckerwürfel vor die Nase und schwingen zur Sicherheit noch die Peitsche in der Luft", sagt Dannenbaum.