Hedgefonds Seiferts Lehren
Frankfurt am Main Im geschichtsträchtigen Literaturhaus, ein ganzes Stück entfernt vom Frankfurter Finanzviertel, präsentierten Werner G. Seifert und sein Co-Autor Professor Hans-Joachim Voth ihr Buch "Invasion der Heuschrecken". Das Literaturhaus liegt am nördlichen Mainufer an der Schönen Aussicht, mit Blick auf das gegenüberliegende noble Wohnviertel Sachsenhausen - und gleich neben dem Arbeitsamt. Der passionierte Jazzmusiker Seifert, dem der heutige Börsen-Aufsichtsratschef Kurt Viermetz eine brillante Analysefähigkeit attestiert, mag Spannungen.
Zwölf Jahre lang stand der Schweizer an der Spitze der Deutschen Börse. Während dieser Zeit hat der Manager die Lokalbörse Frankfurt in einem gewaltigen Kraftakt zu einem renditestarken und am Kapitalmarkt hoch bewerteten Unternehmen entwickelt. Die Deutsche Börse AG konnte es sich sogar leisten, gleich zwei Mal die Londoner Börse LSE zum Übernahmeziel zu erklären.
Die Versuche scheiterten freilich am Widerstand rebellischer Finanzinvestoren. Seiferts persönlicher Kampf gegen diese "Heuschrecken" dauerte nur wenige Monate. Als schließlich eine Schmierenkampagne nach der anderen Kunden und Mitarbeiter verunsichert habe, reichte der 56-jährige Vorstandschef der Frankfurter Börse seinen Rücktritt ein. Er sei entmutigt gewesen, die zersplitterte Aktionärsstruktur des Marktbetreibers einigen zu können und damit das Blatt zu wenden.
Anfang der 90er Jahre hatte Seifert den Frankfurter Börsenhandel durch die Elektronisierung revolutioniert. Gemeinsam mit seinem damaligen Aufsichtsratschef Rolf E. Breuer kämpfte er gegen die ewig gestrigen Verfechter des Parketthandels und siegte am Ende. Doch das heutige Machtgefüge am Kapitalmarkt hat der Börsen-Modernisierer zu spät erkannt.
Nicht nur bekannte Großaktionäre taten ihre Vorstellungen über die Unternehmensstrategie im trauten Gespräch kund. Auch in Deutschland weitgehend unbekannte und unterschätzte Investoren mit handlichen Aktienpaketen im einstelligen Prozentbereich pochten auf ihren Einfluss. Sie kommunizierten, wie Seifert es beschreibt, am liebsten per Fax, E-Mail, Brief oder Telefon und gaben sich wenig kompromissbereit. Seifert forderten sie ultimativ auf, von seiner Übernahme der London Stock Exchange abzulassen und statt dessen Aktienrückkaufprogramme zu starten.
"Hedgefonds in Regularien einbinden"
"Hedgefonds in Regularien einbinden"
Mit gut 8 Prozent Aktienbesitz habe der Hedgefonds TCI die Neubesetzung gleich mehrerer Aufsichtsposten der Deutschen Börse mit Personen ihrer Wahl gefordert, kritisiert Co-Autor Voth. Seifert spricht von Donald Duck und Micky Maus in Aufsichtsräten, fügt dann aber schnell hinzu, dies seien Formulierungen, die in den Schreiben der Fonds gefallen seien. Insbesondere Christopher Hohn, der Chef des Hedgefonds TCI, hat es Seifert angetan. Er trete auf wie ein Haifisch, der Blut wittere. Und überhaupt könne Hohn so richtig garstig werden.
Jetzt, knapp ein Jahr nach seinem Rücktritt kehrt Seifert mit seiner Botschaft zurück. Die Hedgefonds müssten in Regularien eingebunden werden, damit sie den Kapitalmärkten nicht schaden sondern nützen. So müssten Interessenkonflikte geregelt werden, fordert er mit Blick auf die Beteiligung von Hedgefonds an allen drei führenden europäischen Börsen, London Stock Exchange, Euronext und Deutsche Börse. Dazu müsse es Transparenz darüber geben, wer Aktionär eines Unternehmens sei.
Kritik an der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin übt Seifert nicht. Die BaFin hat getan, was sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun konnte, urteilt Seifert. Die Aufsicht hatte keine Beweise für ein Acting in Concert gefunden, also das verbotene gemeinsame Vorgehen von Hedgefonds. Das war eine letzte Hoffnung, den Einfluss der Hedgefonds noch zu stoppen.
Der ehemalige Börsenchef ist aber gleichwohl wegen der inhaltlich unterschiedlichen Faxe, die aber vom gleichen Apparat abgesendet worden seien, überzeugt, dass ein Acting in Concert stattgefunden habe. Sein Resümee: Es sei bei der Öffnung der Kapitalmärkte in Deutschland etwas naiv vergessen worden, auch Sanktionsmöglichkeiten zu entwickeln. Das müsste nachgeholt werden. Seifert: Dazu soll das Buch einen Anstoß geben.