Die Technologiebörse Nasdaq hat ihre 3,48 Milliarden Euro schwere Offerte für die Londoner Börse zurückgezogen. Wird sie sich ein neues Übernahmeziel suchen? Deutsche Börse und Euronext sollten sich jetzt rasch auf eine Fusion einigen, zumal auch die weltgrößte Börse Nyse nach Europa schielt, sagen Analysten. Frankfurt und Paris seien sich bereits näher gekommen, heißt es.
New York/Hamburg - "Nasdaq gibt bekannt, dass sie nicht länger beabsichtigt, für die LSE zu bieten", teilte das Unternehmen am Donnerstagmorgen (MEZ) in New York mit. Gründe für ihre Entscheidung nannte die Nasdaq nicht. Aus Börsenkreisen verlautete, die Nasdaq sei vom jüngsten Aufwärtstrend der LSE-Aktien abgeschreckt worden. In Reaktion auf die Meldung gaben Aktien der LSE am Donnerstagvormittag mehr als 11 Prozent auf 14,61 Euro ab.
Zugleich hielt sich die US-Technologiebörse aber die Tür für ein mögliches Gebot offen. Die Nasdaq habe weiter das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen ein neues Gebot einzureichen oder sich an einem Gebot eines Konsortiums für die LSE zu beteiligen, hieß es weiter.
Die Nasdaq hatte am 10. März 950 Pence in bar je LSE-Aktie geboten. Die Londoner Börse hatte dieses Gebot ebenso als zu niedrig abgewiesen wie zuvor jenes der australischen Bank Macquarie (580 Pence je LSE-Aktie). Davor hatten sich bereits die Deutsche Börse und die Vierländerbörse Euronext vergeblich um die LSE bemüht.
Nach Einschätzung von Experten hatte die Offerte der Nasdaq den Druck auf die Pariser Euronext und die Deutsche Börse erheblich verstärkt, die Hürden einer möglichen Fusion zwischen diesen beiden Handelsplätzen schnell zu überwinden. Andernfalls würden sie bei der Konsolidierung der europäischen Börsenlandschaft den Kürzern ziehen. Denn auch die weltgrößte Börse, die New Yorker Stock Exchange (Nyse), hatte unmissverständlich signalisiert, dass sie auf dem europäischen Markt Fuß fassen wolle.
Da die Option LSE vorerst wegzufallen scheint, könnten die beiden US-Börsen ihr Augenmerk nun womöglich stärker auf Paris und Frankfurt richten, hieß es am Donnerstag.
"Es droht weiter Gefahr aus Übersee"
"Die Gefahr eines Übernahmeangebots aus Übersee ist damit nach wie vor gegeben", sagte etwa Konrad Becker vom Bankhaus Merck Finck im Gespräch mit manager-magazin.de. Aus seiner Sicht sei dies aber nur ein Argument mehr für die These, dass sich Paris und Frankfurt jetzt schnell über die Bedingungen eines möglichen Zusammenschlusses einigen müssten.
Er halte aber eine Fusion zwischen Paris und Frankfurt nach wie vor für wahrscheinlicher als etwa eine Verbindung zwischen Frankfurt und New York. Bei einer gegenwärtigen Marktkapitalisierung von rund zwölf Milliarden Euro müsste die Nasdaq mindestens 14 Milliarden Euro für die Deutsche Börse bieten. "Das dürfte die Möglichkeiten der Nasdaq übersteigen", mutmaßte Becker.
Agieren Nyse und Nasdaq jetzt gemeinsam?
Eine womöglich gemeinsame Offerte von Nyse und Nasdaq für einen europäischen Handelsplatz hält der Analyst indes für wenig wahrscheinlich. Auf dem Heimatmarkt stehen die beiden Unternehmen in scharfer Konkurrenz zueinander. "Warum sollen sie dann im Ausland zusammen eine große Übernahme schultern? Finanziell wäre das sicherlich kein Problem, aber ich glaube nicht daran", sagte der Experte von Merck Finck.
Euronext und Deutsche Börse nähern sich offenbar an
Die Deutsche Börse und die Pariser Euronext scheinen sich indes bei ihren Gesprächen über eine mögliche Fusion näher zu kommen. Das signalisierte der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Börse, Kurt Viermetz, am Mittwochabend vor Journalisten in Frankfurt. Die Deutsche Börse werde heute im Anschluss an ihre Aufsichtsratssitzung ein Kommunique versenden, aus dem hervorgehe, dass "die Sache" auf einem guten Wege sei.
Gerade in der umstrittenen Standortfrage scheinen sich die Verhandlungsparteien zu bewegen. Beobachter schlossen aus den Äußerungen von Viermetz, dass der Verwaltungshauptsitz eines fusionierten Unternehmens in Frankfurt am Main angesiedelt sein wird. Der juristische Sitz hingegen könne durchaus im Ausland liegen.
Diese Option hatten Insider im Gespräch mit manager-magazin.de bereits Mitte März angedeutet. Noch im Dezember waren erste Gespräche zwischen Paris und Frankfurt an dieser Frage gescheitert.