Dax-Geflüster Rivalen der Börse
Hamburg - Eigentlich geht es Deutschlands Investmentbankern prima. Der Aktienmarkt läuft gut, und die Börsenleute haben anständig zu tun: In der zweiten Jahreshälfte wagten so viele Unternehmen wie lange nicht mehr den Gang an die Börse, und jede einzelne Firma davon engagierte die Investmentbanker als Berater. Zufrieden sind sie dennoch nicht. Ausgerechnet Börsenexperten fürchten plötzlich Konkurrenz.
"Manche Unternehmer verkaufen ihre Firmen bereits lieber an Private-Equity-Unternehmen, anstatt sie an die Börse zu bringen", hat Union-Investment-Fondsmanager Thomas Meier beobachtet. Und tatsächlich scheinen die Unternehmensfinanzierer derzeit im Vorteil zu sein.
Mehr und mehr Anleger stecken ihr Erspartes den Private-Equity-Spezialisten direkt zu, so dass die Firmenfinanzierer immer mehr Geld für börsenreife Unternehmen bieten. Sollte das eigene Kapital dennoch nicht reichen, greifen die Firmenkäufer derzeit einfach auf Bankkredite zurück. Denn solange die Zinsen für das Geld auf Pump niedrig sind, bekommen die Private-Equity-Firmen den Rest des nötigen Kapitals schnell zum günstigen Preis zusammen.
"Die Börse hat derzeit einen ernsten Wettbewerber", sagt Fondsmanager Meier deshalb zu manager-magazin.de. Die Börsenspezialisten der Private-Equity-Branche sind längst zum Börsenschreck geworden.
Das flaue Gefühl der Investmentbanker gegenüber ihren neuen selbstbewussten Wettbewerbern scheint durchaus berechtigt, zeigt ein historischer Vergleich. Denn in den vergangenen zehn Jahren haben die neuen Firmenbesitzer ihre Unternehmen nur selten aufgepäppelt, um sie anschließend an die Börse zu bringen.
Selbst im vergangenen Jahr dominierte noch der Weiterverkauf an strategische Investoren, bestätigt Holger Frommann manager-magazin.de, Sprecher des Bundesverbandes deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK).
"2004 wurden 25 Prozent aller Firmen an andere Unternehmensinvestoren weiterverkauft, das ist der höchste Anteil aller Möglichkeiten, wieder aus den einst erworbenen Firmen auszusteigen. Dagegen haben die Private-Equity-Firmen nur 4,1 Prozent ihrer ehemals übernommenen Firmen an die Börse gebracht."
Außer den Investmentbankern muss sich darüber allerdings kaum ein Anleger grämen, und die Wirtschaftspolitiker der Bundesrepublik Deutschland schon gar nicht. "Dass wir in Deutschland jetzt erstmals diese Konkurrenz zwischen Private-Equity-Firmen und Aktienmarkt wahrnehmen, liegt nur an den vergleichsweise wenig entwickelten Kapitalmärkten", sagt Finanzwirtschaftler Andreas Oehler von der Universität Bamberg gegenüber manager-magazin.de. "Diese Rivalität ist in angelsächsischen Ländern längst Realität, und ausgeblutet ist der Aktienmarkt dort dadurch nicht."
Kapitalalternative zur Börse
Kapitalalternative zur Börse
Im Gegenteil: Gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung Großbritanniens, der USA und Deutschlands werden an der Londoner Börse dreimal so viele Unternehmensanteilsscheine gehandelt wie an der bedeutendsten Börse Deutschlands in Frankfurt am Main, hat die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung errechnet. An der New York Stock Exchange sind es doppelt so viele; die Technologiebörse Nasdaq ist in dieser Berechnung noch nicht einmal eingerechnet.
"Zudem ist es ein Vorteil für die deutsche Volkswirtschaft, wenn unsere Unternehmen von zwei Seiten umworben werden, nämlich den Kapitalgebern der Private-Equity-Branche auf der einen und dem Geldbeschaffer Aktienmarkt auf der anderen", sagt der Erlanger Börsenprofessor Wolfgang Gerke zu manager-magazin.de.
Die Alternative tut Not, denn nie zuvor suchten vor allem Deutschlands Mittelständler so händeringend nach Kapitalgebern wie derzeit, hat zuletzt die Stadtsparkasse Düsseldorf in einer groß angelegten Umfrage ermittelt. Seit Banken ihre Kreditzinsen hier zu Lande verstärkt an der Bonität der Firmen ausrichten müssen, können sich sogar börsenreife mittelgroße Unternehmen nicht immer das Kapital von ihrer Hausbank leisten.
Oft springen dann Private-Equity-Anbieter ein. Im Schnitt stiegen bei der Mehrzahl ihrer Firmen seit dem Jahr 2000 Gewinn, Umsatz, Anzahl der Arbeitsplätze - und sogar die Steuerzahlungen, berichtet der BVK.
Deutschlands Investmentbanker müssen sich aber nicht sorgen. Sie solten auch im kommenden Jahr ganz gut über die Runden kommen, sofern die Statistiker der Deutschen Börse Recht behalten. Ihr Barometer für anstehende Börsengänge steht kurz vor Jahresende so hoch, wie noch nie in 2005. In den kommenden drei Monaten werden deshalb wieder einige Firmen den Gang an Frankfurts Börse wagen. Und all diese Unterenehmen brauchen den Rat der Investmentbanker.