Die Signale von der Verbraucherseite sind beunruhigend - allerdings nur auf den ersten Blick. Zwar steigen die Inflationserwartungen der Privathaushalte seit Mitte 2004, sogar deutlich stärker als die tatsächlich gemessene Inflationsrate ausmacht. Und der Hauptgrund für diese Diskrepanz, die es so vor Einführung des Euro-Bargelds nur sehr selten gegeben hat, ist der kräftige Ölpreisanstieg.
Doch die Eurobanker machen sich jetzt offenbar Sorgen, dass hohe Lohnforderungen der Gewerkschaften eine Spirale steigender Inflationsraten in Gang setzen könnte. Allerdings reicht der Informationswert der Umfrage bei den Privathaushalten nicht aus, um eine solche Schlussfolgerung zu ziehen. Historisch betrachtet sind die Verbraucherpreiserwartungen den tatsächlichen Inflationszahlen in engem Abstand gefolgt, diesen aber nicht voraus gelaufen. Vor allem aber haben die Verbrauchererwartungen keinen nennenswerten Einfluss auf die Tarifabschlüsse.
Angesichts der Erhöhung der Gesamtteuerungsrate auf 2,5 Prozent war ein leichter, "mechanischer" Inflationsanstieg unvermeidlich. Doch der Preisauftrieb hat sich auf einem Niveau eingependelt, mit dem die Europäische Zentralbank (EZB) leben kann. Gegenwärtig weisen die Inflationserwartungen kaum auf ein Risiko hin, dass der Ölpreisschock oder "übermäßige Liquidität" die Inflation auf längere Sicht über die magische EZB-Inflationsgrenze von 2 Prozent steigen lassen könnte.
Die EZB achtet besonders auf die langfristigen Inflationserwartungen, wie sie beispielsweise in ihrer eigenen Umfrage bei Ökonomen erhoben werden. Die neuesten Umfrageergebnisse zeigen gegenüber der Umfrage von vor drei Monaten eine Aufwärtsrevision der Inflationsprognosen für 2006 von 1,8 Prozent auf 2,2 Prozent, was durch die höheren Ölpreise bedingt ist. Auf längere Sicht liegen die Inflationsprognosen dagegen durchaus im Bereich des Erträglichen: Die Prognose beträgt für 2007 unverändert 1,8 Prozent und auf Sicht von fünf Jahren 1,9 Prozent.
Vorsichtshalber lässt die EZB ihre Analysten auch noch untersuchen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für den Fall ist, dass die Inflationsrate über die 2-Prozent-Hürde steigt. Nach Meinung der EZB-Experten liegt sie bei 40 Prozent, das Risiko eines Rückgangs der Inflationsrate auf unter 1,5 Prozent gegenwärtig nur auf etwa 16 Prozent.
Doch selbst dieses Ergebnis muss die EZB nicht zum Anlass nehmen, ihre Zinsen zur Inflationsabwehr unbedingt anzuheben. Die geschätzte Wahrscheinlichkeit eines Inflationsanstiegs auf über 2 Prozent rangiert bereits seit 2002 auf dem oben genannten Niveau. Deshalb spiegelt sich darin vermutlich wieder, dass das Ziel der EZB als symmetrischer angesehen wird, als sie selbst dies offiziell darstellt. Folglich sehen wir in der aufwärtsgerichteten Tendenz auch kein Warnsignal, dass die Inflationserwartungen in nächster Zeit deutlich steigen würden.
Alles in allem ist nicht davon auszugehen, dass sich Europas Inflationsrate auf einem Niveau festsetzen könnte, der für die EZB nicht hinnehmbar wäre.