Experten-Chat Daytrading mit Gewinn?
Hamburg - Daytrading-Firmen vermieten jedem, der Lust auf das schnelle Geschäft hat, einen Platz an einem PC, auf dem ein elektronisches Handelssystem zugänglich ist. Nach einer kurzen Einweisung dürfen die Daytrader an den Börsen weltweit mitmischen. Fünf Handelsräume hat etwa die Firma Momentum inzwischen in Deutschland eröffnet. Geplant sind weitere "Tradecenter" in Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Köln und sogar auf Mallorca.
Mindestens 50.000 Mark "Spielgeld" müssen Daytrader mitbringen. Ihre Handels-Aufträge werden mit einer Verzögerung von nur einer Sekunde ausgeführt. Da die Gewinne in der Regel im Ausnutzen kurzfristiger Kursschwankungen bestehen, wird oft gehandelt. Sinkt der Kontostand unter eine bestimmte Marke, werden keine Aufträge mehr ausgeführt.
Doch die Hoffnung auf Gewinne trügt zumeist. Der Verband der regionalen Wertpapier-Aufsichtsbehörden in den USA, die NASAA, überprüfte 4094 Transaktionen in einer Daytrading-Firma. Das erschreckende Ergebnis: 70 Prozent der Orders waren für die Daytrader ein Verlustgeschäft.
Etwa der gleiche Anteil unter den Daytradern werde "mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit alles verlieren, was er investiert habe". Auf den Konten, auf denen die Prüfer Gewinne fanden, hatte in der Regel nur eine einzige erfolgreiche Transaktion zur positiven Performance geführt.
Fazit der NASAA: Daytrading ist riskant und für die meisten Hobby-Trader das falsche Instrument. Die Werbeaussagen der Anbieter sind überzogen, Aufwand und Ertrag werden in der Regel unterschätzt. Doch Daytrading läßt sich erlernen.
Wer handelt beim Daytrading?
Der normale private Anleger investiert meist in Aktien. Er hält die Papiere oft über Jahre, um von steigenden Unternehmensgewinnen und damit steigenden Kursen zu profitieren.
Seit Kursinformationen im Internet leicht und vergleichsweise aktuell zu erhalten sind und Discountbroker Aktiengeschäfte deutlich günstiger abwickeln, steigen etliche Anleger inzwischen auf kurzfristigere Ziele um.
Sie versuchen, über Tage oder Wochen Kursschwankungen auszunutzen. Solche kurzfristigen Kursbewegungen können durch Ad-hoc-Meldungen, Aktiensplits, charttechnische Einschätzungen und natürlich auch durch Aktienempfehlungen im Fernsehen oder im Internet verbreitete Gerüchte ausgelöst werden.
Der klassische Daytrader hingegen nutzt diese Informationen, um dank solcher Kursschwankungen binnen Minuten bis zu einem Tag Gewinne zu machen. In den allermeisten Fällen gibt es jedoch keine Nachrichten oder Chart-Signale. Zum Tagesgeschäft des Daytraders gehört deshalb, günstige Konstellation von Angebot und Nachfrage zu erkennen und auszunutzen.
Ein Ziel wäre, den Beginn eines kurzfristigen, aber starken Kursaufschwungs zu erkennen, zu kaufen und rechtzeitig vor dem Scheitelpunkt wieder auszusteigen (Momentum-Trade). Andere versuchen, einen Wert etwas teurer als das aktuell beste Kaufangebot zu kaufen und ihn sofort etwas billiger als das beste Verkaufsangebot zu verkaufen. Solange Kaufangebote niedriger liegen als Verkaufsangebote, läßt sich mit der Differenz ein Gewinn erzielen (Cutting-Spread).
Schließlich können sich Daytrader auch auf Handelssysteme verlassen, die aufgrund bestimmter Regeln und Kennzahlen automatisch kaufen und verkaufen.
Mit einem ausreichend großen Kapital-Einsatz und/oder geeigneten Anlageformen genügen oft minimale Kurssteigerungen, damit Daytrader wieder aussteigen. In der Börsensprache werden kleinste Kursveränderungen "skalpiert". Der "Scalper" ist die Extremform des Daytraders.
Die Märkte beim Daytrading
Ob Aktien, Anleihen, Futures, Optionen, Kartoffeln oder Schweine - das Daytrading läßt sich grundsätzlich auf allen Märkten betreiben. Die tatsächliche Auswahl ist jedoch eingeschränkt, denn nicht alle Märkte bringen die nötige Größe und Transparenz sowie die entsprechenden Kursschwankungen mit.
Der Handel mit Dax-Papieren beispielsweise ist groß genug, daß Daytrader mit einer großen Kauf- oder Verkaufsorder ihre Kurse nicht durcheinanderbringen. Allerdings haben Dax-Werte zu geringe Kursschwankungen, um die Kosten für den fixen Handel zu decken. Am Neuen Markt gibt es die nötigen Kursschwankungen (Volatilität). Versucht aber ein Daytrader eine große Anzahl der in der Regel wenig gehandelten Neue-Markt-Aktien zu verkaufen, drückt er sofort die Kurse und seinen Gewinn.
Als bislang bester Markt für Aktien-Daytrader gilt die US-Börse Nasdaq, das Vorbild des Neuen Marktes. Hier finden sogar Anleger, die das Daytrading vom heimischen Computer aus über das Internet betreiben wollen, Möglichkeiten, schnell und effizient zu handeln.
Mit einigen Einschränkungen können Kleinanleger auch auf Optionen und Futures auf den S&P-Index und den Dax handeln. Profi-Systeme versprechen sogar einen direkten Einblick in das Orderbuch, sodaß Daytrader sehen können, welche Geschäfte wann, zu welchem Kurs und warum zustande kamen.
Zudem verlangen die Terminbörsen oft einen geringeren Kapitaleinsatz als die Broker an den Aktienbörsen. Für einen Dax-Future beispielsweise sind für einen Handel über eine Viertelmillion Euro tatsächlich nur 8500 Euro Kapitaleinsatz nötig. Auch bei US-Aktienbrokern ist dieser Handel "auf Kredit" (Margin) möglich.
Chancen und Risiken beim Daytrading
Aus Sicht des Daytraders bietet die Börse eine laufende Abfolge von Chancen. Der generelle Börsentrend interessiert kaum. Selbst bei einer schwachen Marktlage gibt es ständig Kursschwankungen, die sich ausnutzen lassen. Warum also monate- oder jahrelang auf einen größeren Kursgewinn warten, wenn sich mit vielen kleinen erfolgreichen Orders möglicherweise eine weitaus bessere Rendite erzielen läßt?
Die Erfahrung zeigt, daß das Daytrading weitaus höhere Ansprüche an den Investor stellt als die "normale" Aktien-Anlage. Daytrader müssen ihre Taktiken im Schlaf beherrschen, schnell reagieren, die Märkte richtig einschätzen, kurz: über Stunden völlig konzentriert handeln.
Sie müssen kühl genug sein, um selbst bei Verlusten ihr eigenes Geld völlig rational zu riskieren, sollen aber andererseits die Emotionen der anderen Marktteilnehmer nachfühlen können. Deren Einschätzungen bewegen schließlich die Kurse.
Weil kaum jemand diese Fähigkeiten kombiniert mitbringt oder sie über einen längeren Zeitraum einsetzen kann, machen viele Daytrader Verluste.
Das "Phänomen Daytrading" dürfte es eigentlich nicht geben, stellt der Verband der US-Wertpapier-Aufsicht NSAA in seiner aktuellen Studie fest. Jeder Neuling im Daytrading könne sehen, daß sich der Handel mit Futures und Optionen - seit Jahrzehnten möglich und in vielem vergleichbar mit dem Daytrading - bei Privatkunden nicht durchgesetzt hat.
Möglicherweise sind den Hobby-Daytradern diese Instrumente zu kompliziert und zu riskant, spekuliert der NSAA-Report etwas ratlos. Vielleicht vermuten Privat-Trader, daß das flotte Handeln mit Aktien oder Index-Optionen sicherer sei. Das sei aber ein Fehlschluß, meint die NSAA: Geld verloren wird auch beim Daytrading mit diesen vermeintlich deutlich sicheren Anlageinstrumenten. Es dauert nur etwas länger, bis das Kapital weg ist.