Inzwischen ist gewiss. Christopher Hohn, das Phantom aus London, war bei der Hauptversammlung der Deutschen Börse zugegen. Doch seine Taktik ging auf: Der öffentlichkeitsscheue Chef des TCI-Fonds entkam den lauernden Kameras und Mikrofonen unerkannt - obwohl er mitten unter den Aktionären saß.
Hamburg/Frankfurt am Main - Er war wieder einmal schneller, schlauer, seinen Häschern einen Schritt voraus. Christopher Hohn, das Phantom aus London, der geheimnisvolle und umstrittene Chef des Hedgefonds TCI hat sie alle an der Nase herumgeführt. 2000 Besuchern hätte der jungenhafte Brite auffallen können.
Zahllose Aktionäre haben ihn auf der Hauptversammlung der Deutschen Börse am Mittwoch womöglich gesehen. Erkannt haben sie ihn nicht. So unbemerkt, wie sich Hohn in den vergangenen Monaten in die Deutsche Börse einkaufte, so ungestört wohnte er dem Aktionärstreffen bei - obwohl er der Mann war, um den sich alle Fragen drehten.
Dutzende Journalisten, Fotografen und Fernsehteams lauerten vor und in der Frankfurter Jahrhunderthalle. Sie hatten alle dasselbe Ziel: ein Statement des öffentlichkeitsscheuen Briten zu bekommen und - viel wichtiger - Fotos. Endlich Bilder von jenem milliardenschweren Fondsmanager, der mit seiner Rebellion gegen die Führungsspitze der Deutschen Börse die Deutschland AG erschütterte. Genau zwei Fotos sind von ihm bislang bekannt, eines davon fast bis zur Unkenntlichkeit verschwommen.
Dass Hohn nach Frankfurt kommen wollte, war im Vorfeld lange kolportiert worden. Auch dass er sich den Fragen stellen und zu den Aktionären sprechen wollte, vielleicht jedenfalls. Es waren alles Spekulationen. Die Hauptversammlung glich einer Gerüchteküche. Mal hatte ihn jemand im Hotel gesehen, mal in der Warteschlange vor der Stimmkartenausgabe, dann wieder in einem abgeschirmten Nebenraum. Hohn war überall und nirgendwo, möglicherweise.
"Er ist am Seitenausgang"
Am Nachmittag schien die Erlösung nah: "Er ist draußen, am Seitenausgang." Die Behauptung löste einen jähen Wettlauf aus. Doch als die Kameras, Mikrofone und Notizblöcke endlich die abgelegene Glastür erreicht hatten, war alles längst gelaufen. Ratlose Gesichter, Kopfschütteln. Nicht einmal die Rücklichter seines "Fluchtwagens" waren noch zu erahnen. War es ein Taxi, oder eine schwarze Limousine? Feixend erklärte ein Sicherheitsbeamter der atemlosen Meute: "Sie sind schon weg." Die Frage, ob es denn überhaupt Mister Hohn war, quittierte er mit viel sagendem Schweigen.
Erst Stunden später stellte sich dann so etwas wie Gewissheit ein. Im zufälligen Gespräch auf der Heimreise wunderte sich eine junge Hostess der HV-Veranstalter über die große Aufregung. "Natürlich war Herr Hohn anwesend", berichtete sie lakonisch. "Er saß während der Versammlung in einer der hinteren Reihen des Saals, mitten zwischen den Kleinaktionären", ergänzte sie, sichtlich irritiert von der Fassungslosigkeit, die diese Feststellung auslöste.
Und sie hatte noch mehr zu berichten: Selbst als ein Bevollmächtigter Hohns das Sicherheitspersonal in der Jahrhunderthalle ausdrücklich auf seinen Auftraggeber hinwies, um nicht an der Zugangskontrolle zum Veranstaltungssaal zu scheitern, flog das Versteckspiel nicht auf.
Keine Fotos mangels Fotos
Stundenlang hatte Christopher Hohn also im Plenum gesessen, gut gelaunt und ungestört seine Abstimmungskarten abgeliefert, und selbst sein Sitznachbar erkannte ihn nicht.
Die "Financial Times Deutschland", erwischte Hohn schließlich doch - am Mobiltelefon. "Ja, ich war im Saal. Die ganze Veranstaltung über", bestätigte er dem Blatt.
Hohns Öffentlichkeitsscheu ist Taktik - und die ist aufgegangen. Auch diesmal gibt es keine Fotos, gerade weil es nahezu keine Fotos von ihm gibt. Sein Gesicht ist zu unbekannt und unscheinbar. Man übersieht Hohn, selbst wenn man ihn sucht. Und er gibt sich alle Mühe, dass es auch so bleibt.