KarstadtQuelle Schlaflos in Essen
Essen - Wie hat er das nur hingekriegt, der Bent Rosinski? Er ist Chef der Werbeagentur Jung von Matt, schon mit 39 Jahren. Und auch noch Bodyguard für leidende Kaufhaus-Vorstände: Seit Rosinskis Werbeagentur den Reklamespruch "Geiz ist geil" erfunden hat, liefert der Werber vielen deutschen Einzelhandelschefs versehentlich ein Daueralibi für die Misere ihrer Firmen.
Auch die Vorstände des Essener Kaufhausriesen KarstadtQuelle haben Rosinskis Generalentschuldigung für schleppende Geschäfte dankend angenommen. Seit Monaten versenden die Essener kaum noch eine Umsatz- oder Gewinnmeldung ohne Hinweis auf den fiesen Käuferstreik in Deutschland. Doch jetzt scheint der Schutzfaktor des "Geiz-ist-geil"-Sprüchleins zumindest für die KarstadtQuelle-Vorstände abzunehmen.
Mühsame Sanierungsfortschritte
In der Branche wird spekuliert, dass die Gläubigerbanken des Konzerns die Geduld mit den Essener Kaufleuten verlieren. Die Banker würden die Zerschlagung des größten europäischen Kaufhauskonzerns erwägen, um ihr verliehenes Geld leichter in Sicherheit bringen zu können. Sogar das Ende der Fusion zwischen Karstadt und Quelle aus dem Jahr 1999 sei jetzt im Gespräch - angestoßen von amerikanischen Investmentbanken, die ebenfalls zu den Gläubigern des Essener Kaufhauskonzerns zählen.
Zwar will derzeit zumindest KarstadtQuelle-Sprecher Jörg Howe davon nichts wissen; "das ist Unfug, geplant ist weiterhin die Sanierung des Konzerns. Gerade heute präsentiert die Unternehmensberatung Roland Berger den Gläubigerbanken das entsprechende Konzept", wies er die Branchengerüchte gegenüber manager-magazin. de zurück.
Aber Einzelhandelsexperten halten die Zerschlagungsidee weiter für denkbar, sollten die Roland-Berger-Berater die Gläubigerbanken heute nicht von ihrem Rettungsplan überzeugen können. Bisher habe KarstadtQuelle seine eigenen Sanierungspläne schließlich nur mühsam vorantreiben können, sagen Branchenanalysten.
Umsatzeinbruch bei Verkaufskandidaten
Burkhard Sawazki beispielsweise, Aktienanalyst bei HSBC Trinkaus und Burkhard sieht KarstadtQuelle weiterhin vor Problemen beim Verkauf seiner kleineren Einzelhandelsketten stehen. "Die Bereiche, bei denen ein Verkauf möglich wäre, haben eine deutliche Verschlechterung ihres operativen Geschäfts erlitten", sagt Sawazki. Bei den Unternehmenstöchtern SinnLeffers und Wehmeyer etwa sei der Umsatz zuletzt um 16,6 beziehungsweise 7 Prozent zurückgegangen.
"Die Bemühungen, den Gesamtkonzern durch den Verkauf von Unternehmensteilen zu sanieren, sind dadurch sicher nicht leichter geworden", kommentiert Christoph Schlienkamp die Zahlen seines Kollegen; er ist Chefanalyst des Düsseldorfer Bankhauses Lampe.
Rettungsanker Großaktionäre
Sollte der Konzern deshalb allerdings in die beiden Ursprungsgesellschaften Karstadt und Quelle getrennt werden müssen, rät der Analyst, nicht in die Aktien des Kaufhauses zu investieren. "Der Zusammenschluss hat seiner Zeit durchaus Sinn gemacht", sagt Schlienkamp zur Begründung. "Die Verbindung von stationärem Handel und Versand bietet ohne Zweifel das Potenzial für Synergien, unter anderem bei der Bündelung der Einkaufsmacht von Karstadt und Quelle."
Zudem verlöre das neue Karstadt-Management bei der Trennung von Quelle womöglich eine starke Stütze beim Kampf gegen die drohende Pleite: Quelles Hauptaktionärsfamilie Schickedanz hatte bei der letzten Kapitalerhöhung des Konzerns mit Millionensummen ausgeholfen - und so den Weg für einen neuen Sanierungsversuch freigemacht.
"Sollte diese Notressource wegfallen, könnte Karstadt auf dem Kapitalmarkt zusätzliche Probleme bekommen. Und spätestens dann werden KarstadtQuelle-Aktien unter Druck geraten", sagt Schlienkamp.
Wer sich als Anleger in dieser Situation für den Kauf oder Verkauf von KarstadtQuelle-Aktien entscheidet, muss sich nach Meinung von Christian Schindler vor allem auf sein Anlegergefühl verlassen.
"Fundamental ist die Situation bei KarstadQuelle derzeit kaum einschätzbar, Investments in das Unternehmen sind zu einer Glaubensfrage geworden. Manches spricht für hopp, anderes für topp, für Kurssturz oder Gewinnchancen", sagt der Analyst der Landesbank Rheinland-Pfalz.
Vielleicht gibt es ja doch Hoffnung für KarstadtQuelle. Die Geiz-Kampagne hat sich zumindest für Rosinskis Werbeagentur Jung von Matt und seinen Auftraggeber bisher bestens ausgezahlt. Die Elektrohandelskette Saturn, Teil des KarstadtQuelle-Konkurrenten Metro, kann sich vor Kunden kaum retten. Trotz Konsumflaute.