Fischer-Kolumne Höhere Steuern für Jobvernichter?
Die Zahl von mehr als fünf Millionen Arbeitslosen hat die Politiker in diesem Land aufgeschreckt. Eine Art "Große Koalition gegen die Arbeitslosigkeit" soll nun gebildet werden. Haben die Politikerinnen und Politiker der etablierten Parteien wirklich erkannt, worum es geht - oder handelt es sich doch nur um Theaterdonner der dem Drama "Bundestagswahl" vorauseilt?
Tatsache ist, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder sich mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und dem Chef der CSU, Edmund Stoiber, treffen will. Schröder weiß, er steht mit dem Rücken an der Wand. Wenn es ihm nicht gelingt, bis zur Bundestagswahl im Herbst 2006 die Arbeitslosenzahlen zumindest deutlich an die 4,5 Millionen-Grenze zurückzuführen, dürfte die SPD die Wahl verlieren. Mit dem Ende der Regierung wird aber auch der Stern von Gerhard Schröder sinken und eine politische Karriere zu Ende gehen.
Große Koalition gegen Arbeitslosigkeit
Die Opposition wiederum weiß, dass sie sich beim Thema Arbeitsplätze einbringen muss, um bei den kommenden Wahlen weiter punkten zu können. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sehen die Arbeitslosigkeit zu Recht als ein nationales Problem an und erwarten von den etablierten Parteien - wozu heute auch die Grünen gehören - einen Schulterschluss. Bundeskanzler Schröder wird deshalb nach eigenem Bekunden die beiden Parteichefs der Union, Merkel und Stoiber zum Gespräch laden.
Es ist sogar möglich, dass es tatsächlich zur "Großen Koalition gegen Arbeitslosigkeit" kommt. Denn auch der Opposition würde es nutzen, wenn sie bei einer Regierungsübernahme bereits auf gestartete Reformprojekte zurückgreifen könnte.
Binnennachfrage und Angst
Alles, was neue Arbeitsplätze schafft und die Rekordarbeitslosigkeit drückt, ist gut. Doch wird eine Senkung der Unternehmenssteuern diesen Effekt bringen? Klar ist: Ohne eine anspringende Binnennachfrage wird es keinen stabilen Aufschwung und damit keinen Zuwachs an sicheren Arbeitsplätze geben.
Diese Binnennachfrage wird aber auch vom privaten Konsum bestimmt. Warum kaufen die Menschen in diesem Land so wenig? Bei den Gründen wird man zunächst auf eine nachvollziehbare Angst vieler stoßen, die befürchten, in den Sog der Arbeitslosigkeit zu geraten und deshalb sparen, um im Falle eines Falles die Existenz abzusichern. Bei dieser nachvollziehbaren Haltung wird gespart und nicht konsumiert.
Die Armut wächst in Deutschland
Die Armut wächst in Deutschland
Außerdem darf man die Augen nicht vor der wachsenden Armut in diesem Land verschließen. Nach dem Bericht, den Bundessozialministerin Ulla Schmidt dem Bundeskabinett dieser Tage vorlegte, gelten rund 13,5 Prozent aller Deutschen als arm. Dabei wird der Grenzwert bei 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens angesetzt. Wer sich darunter befindet, gilt als arm. Von dieser Klientel kann wohl kaum eine erhöhte Konsumbereitschaft erwartet werden.
Dabei ist die in diesem Bericht definierte Armut sehr stark mit der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland verbunden. Mittlerweile gelten die wirtschaftlichen Verhältnisse von weit über der Hälfte (56,3 Prozent) der Arbeitslosen als ungesichert. Hier wird die Problematik zur Spirale: Die Armut behindert den Konsum, der lahmende Konsum behindert die Binnenkonjunktur und die schwache Binnenkonjunktur behindert die Schaffung neuer Arbeitsplätze, was wiederum das Risiko für weitere Armut in Deutschland steigen lässt.
Verhalten mancher Manager unverantwortlich
Das Misstrauen der Menschen in diesem Lande gegenüber staatlichen (sprich steuerlichen) Entlastungen gegenüber Unternehmen wird nicht zuletzt durch deren Verhalten geschürt.
Zum Beispiel Angst um den Arbeitsplatz: Es ist erst ein paar Wochen her, als der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, auf der Jahreshauptversammlung deutlich machte, dass nicht einmal ein gesundes Unternehmen die bestehenden Arbeitsplätze garantieren will. Vor diesem Hintergrund ist es nur schwer vermittelbar, dass eine weitere steuerliche Entlastung der Unternehmen dazu führen würde, dass Arbeitsplätze geschaffen oder gar neue entstehen würden.
Zum Beispiel Mitnahmementalität der Manager: Hier schlägt das Verhalten einiger Krankenkassenchefs drastisch zu Buche. Dabei ändert sich wenig an der Situation, wenn die Gehaltsanhebungen in den Chefetagen einiger Krankenkassen selbst in den eigenen Reihen auf harsche Kritik stoßen.
Für den pflichtversicherten Arbeitnehmer aber bleibt doch folgendes Bild: Er wird über Praxisgebühr und erhöhte Medikamentenzuzahlung immer stärker an den Kosten der Gesundheitsversorgung beteiligt. Gleichzeitig werden die Beiträge aber nicht oder nur minimal gesenkt. Dafür werden in den Chefetagen der Krankenkassen kräftige Gehaltszuschläge genehmigt.
Hier soll keiner neuen Neiddebatte das Wort geredet werden - allerdings muss man auch verstehen, dass das Gros der Versicherten die Gehaltssteigerungen bei den Krankenkassenbossen nicht differenzieren. Es waren schon immer die schwarzen Schafe, die eine ganze Herde grau erscheinen lassen.
Hochsteuerland oder gelobtes Land?
Wie hoch werden Unternehmen wirklich besteuert?
Ein weiteres Problem liegt darin, dass man die Problematik Unternehmensbesteuerung dem Steuerzahler und Arbeitnehmer nur schwer bis gar nicht transparent machen kann. Selbst Fachleute tun sich schwer, klar zu sagen, wie hoch denn nun die zu zahlenden Steuern für eine Kapital- beziehungsweise eine Personengesellschaft seien.
Ein Kapitalunternehmen zahlt 25 Prozent Körperschafts- und etwa 13 Prozent Gewerbesteuer - macht zusammen rund 38 Prozent. Die Personengesellschaft zahlt normalerweise den im Zuge der Steuerreform gesenkten Spitzensteuersatz von 42 Prozent.
Doch neben der Körperschafts-, der Gewerbe-, der Kapitalertrags- und der Einkommensteuer, die alleine schon unverständlich ineinander verflochten sind, müssen Ausnahmeregeln, Abschreibungsmöglichkeiten, Bemessungsgrundlagen und vieles mehr berücksichtigt werden, die die steuerliche Belastung der Unternehmen senken.
Fazit: Während der eine Steuerfachmann sich darüber wundert, dass bei den so hohen Steuern überhaupt noch Unternehmen in Deutschland existieren, erklären andere es zum gelobten Land in Europa - der Laie steht daneben und versteht die Welt nicht mehr.
Höhere Steuern für Jobvernichter?
Wir müssen über die Besteuerung unserer Unternehmen reden. Doch dies darf nicht, wie in der Vergangenheit, eine Einbahnstraßendiskussion sein. Steuerliche Entlastungen müssen mit sozialem Verhalten verdient werden. Unternehmen, die eine durchaus gute Bilanz vorlegen können und dennoch ohne nachvollziehbare Gründe Stellen abbauen, müssen stärker belastet werden, als jene, die ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und Arbeitsplätze erhalten oder neu schaffen.
Wer glaubt, nur durch eine Senkung der Unternehmenssteuer ohne verbundene Forderungen eine Veränderung am Arbeitsmarkt zu erreichen, irrt sich. Schließlich ist die Steuerbelastung der Unternehmen seit vielen Jahren rückläufig. Das Finanzministerium erwartet laut Steuerschätzung trotz großer Gewinne der Unternehmen ein geringeres Steueraufkommen aus diesem Bereich als im Jahr 2000. Dennoch hat es keine Wende am Arbeitsmarkt gegeben.
Den Bogen nicht überspannen
In der Diskussion ist jetzt auch die so genannte "duale Einkommensteuer". Bei diesem Vorschlag des Sachverständigenrates sollten die Steuersätze auf Arbeitnehmer- und Unternehmenseinkommen strikt getrennt werden. Während die Einkommen aus abhängiger Beschäftigung wie bisher progressiv belastet werden sollen, will man bei diesem Modell die privaten Kapitaleinkommen und Unternehmensgewinne mit einem festen Satz zwischen 30 und 35 Prozent versteuern.
Dieses Modell hat jedoch zwei Knackpunkte. Zum einen dürfte es problematisch werden, zwischen Unternehmens- und Arbeitseinkommen sauber zu trennen. Zum anderen wird aber auch deutlich, dass hier eine einseitige Entlastung auf Seiten des Kapitals stattfindet.
Nun haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon eine ganze Reihe von Einschnitten und Einbußen hingenommen, wobei ihnen immer wieder versichert wurde, dass damit eine Stabilisierung des Arbeitsmarktes, ein notwendiges Wirtschaftswachstum und so weiter erreicht würde. Bisher wurde jedoch für den so genannten "kleinen Mann" keine Verbesserung spürbar. Deshalb wird er irgendwann nicht mehr bereit sein, weiter abzugeben. Darum darf jetzt auch bei der Entlastung von Unternehmen der Bogen nicht überspannt werden.