Bevor Premiere-Chef Georg Kofler offiziell Details zum Börsengang nennen will, sind wichtige Kennzahlen bereits durchgesickert. Einen Preis von 29 Euro pro Aktie beim größten IPO seit dem der Postbank, beurteilen Experten als sehr ambitioniert. Zumal die Konkurrenz nicht schläft.
Hamburg/Frankfurt/München - Die Aktie der Bezahlsenders Premiere könnte nach Informationen aus Finanzkreisen bis zu 30 Euro kosten. Laut dem "SPIEGEL" und der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) und wird das untere Ende der Preisspanne bei 24 Euro angesetzt. Das "Handelsblatt" berichtet in seiner Montagsausgabe von einem vorgesehenen Preis zwischen 23 und 29 Euro.
Die Preisspanne soll am Dienstag bekannt gegeben werden. Die Erstnotierung ist für den 9. März angesetzt. Im "SPIEGEL" werden als oberes Ende der Preisspanne 29 Euro genannt. Weitgehende Übereinstimmung gibt es über die Zahl der Aktien, die platziert werden. Der "FAS" zufolge ist in Finanzkreisen die Rede von mindestens 30 Millionen Stück. Der "SPIEGEL" berichtet von 26 bis 30 Millionen Aktien. Einigkeit herrscht darüber, dass etwa 10 Millionen Aktien auf eine Kapitalerhöhung entfallen dürften.
Das Volumen des Börsengangs wird mit den Angaben auf 600 Millionen bis fast eine Milliarde Euro angesetzt. Der Gesamtwert des Unternehmens könnte damit bei 1,7 bis gut 2,5 Milliarden Euro liegen.
Der TV-Bezahlsender wird damit einen Blitzstart hinlegen. Zwischen der offiziellen Ankündigung und der Erstnotiz der Aktie werden gerade einmal gut sieben Wochen liegen. Vorstandschef Georg Kofler macht Tempo beim größten IPO seit dem Postbank-Börsengang.
Erstes Geschäftsjahr mit schwarzen Zahlen
Im Vorfeld zeigte er sich sehr optimistisch. "Die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Börsengang von Premiere sind gut", sagte er vor wenigen Tagen. Die Geschäftszahlen der Premiere AG für das Jahr 2004 seien vom Kapitalmarkt gut aufgenommen worden. Premiere hatte im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von rund 985 Millionen Euro erstmals in seiner Firmengeschichte ein Geschäftsjahr mit operativ schwarzen Zahlen abgeschlossen. Unter dem Strich stand allerdings noch ein Nettoverlust von 81 Millionen Euro.
Andererseits konnte der Bezahlsender im vergangenen Jahr seine Kundenzahl um rund 340.000 auf 3,25 Millionen Abonnenten ausbauen. "Wir sind zuversichtlich, dass der Kapitalmarkt diese Entwicklung honorieren wird", sagte Kofler. Er rechne mit großem Interesse institutioneller Anleger aus Deutschland, Österreich und anderen Ländern. Außerdem sei Premiere eine populäre Marke mit einem leicht verständlichen Geschäftsmodell - und daher auch für Privatanleger attraktiv.
Wer zahlt bis zu 75 Euro für exklusives TV?
Ob dem so ist, muss sich erst noch beweisen. Medien- und Finanzmarktexperten haben aber vor allem Zweifel an den hochgesteckten Zielen Koflers, der langfristig ein Fünftel aller Haushalte in Deutschland erreichen will. Bislang sind es erst 8 Prozent. Kaum ein Haushalt in Deutschland, der nicht über Kabel oder via Satellit mit den Programmen dutzender TV-Sender versorgt wird. Für das vielfältige Angebot zahlt er bereits heute monatlich rund 30 Euro an Rundfunk- und Kabelgebühren. Zusätzlich kämen für den exklusiven Premiere-Empfang von Sportereignissen, Themenkanälen, Spielfilmen und Serien noch einmal bis zu 45 Euro hinzu.
Das Kundenwachstum entscheidet
Andere PayTV-Märkte wie etwa in Frankreich oder Großbritannien mögen deshalb funktionieren, weil das Angebot an frei empfangbaren Sendern viel kleiner ist. Bereits heute zahlt jeder zweite französische Haushalt für sein TV-Vergnügen. In Großbritannien erreicht der Sender BSkyB eine Marktpenetration von 43 Prozent. Und in Spanien erreicht Sogecable rund 21 Prozent der potenziellen Kunden. Davon ist man hier zu Lande noch weit entfernt. Selbst Analysten der im Konsortium sitzenden Schweizer Bank UBS sagen Premiere lediglich eine Marktpenetration von 14,5 Prozent voraus - für das Jahr 2014 wohlgemerkt.
Angesichts der vielen frei empfangbaren Sender in Deutschland ist mit einem schnellen Kundenwachstum nach Einschätzung von Experten deshalb nicht zu rechnen. "Ich denke nicht, dass die Penetrationsrate stark steigen wird und sehe Premiere deshalb nicht als mittel- oder langfristige Wachstumsstory", sagt zum Beispiel Marcus Stigler von Deutschlands zweitgrößter Fondsgesellschaft Deka Investment.
Bewertungen liegen meilenweit auseinander
Bewertungen liegen meilenweit auseinander
Mit Skepsis begegnen Experten deshalb auch Angaben der Emissionsbanken, die den fairen Wert des Unternehmens auf bis zu 3,5 Milliarden Euro taxieren. Die meisten Analysten und Fondsmanager halten eine Bewertung am unteren Ende der nun bekannt gewordenen Bookbuildingspanne sogar noch für zu hoch. Rund zwei Milliarden Euro seien angemessen - so etwa Heinrich Ey, Portfoliomanager für Telekom und Medien bei der Fondsgesellschaft dit. Stigler von Deka Investment hält Premiere bei einer Bewertung von rund 1,7 Milliarden Euro für interessant.
Abonennten sollen Aktionäre werden
Credit Suisse First Boston als einer der der Konsortialführer bewertet das Eigenkapital dagegen auf bis zu 2,7 Milliarden Euro. UBS kommt sogar auf bis zu 3,5 Milliarden Euro. Der Börsengang wird federführend von der HypoVereinsbank, Morgan Stanley und Credit Suisse First Boston begleitet, insgesamt gehören dem Konsortium elf Banken an.
Dass der Börsengang abgesagt wird, glauben Experten indes nicht. So hofft Premiere neben institutionellen Adressen im Bereich der Privatanleger vor allem bei seinen eigenen Kunden durch Sonderkonditionen neue Investoren zu gewinnen. Auch scheinen ausländische Investoren, die mit dem deutschen Markt weniger vertraut seien, den Börsengang zuversichtlicher zu beurteilen, heißt es in Frankfurt. Sie beurteilten das Marktpotenzial von Premiere in Deutschland vor allem anhand der niedrigen Marktdurchdringung im Vergleich zu bereits etablierten PayTV-Märkten, merkt ein anderer Fondsmanager kritisch an.
Die möglichen Risiken
Dabei ist noch nicht einmal ausgemacht, ob der Bezahlsender in Zukunft womöglich mit anderen Bezahlangeboten etwa von Bertelsmann oder ProSiebenSat1 konkurrieren muss. Bei der RTL-Gruppe zumindest scheinen die Pläne zum Einstieg in das PayTV-Geschäft schon relativ weit gediehen zu sein. "Nicht alle Sender können allein mit Werbung bezahlt werden. Deshalb werden wir Sender gründen, für die der Zuschauer auch eine Gebühr zahlen muss", sagte der RTL-Vorstandsvorsitzende Gerhard Zeiler dem Handelsblatt (Vorabmeldung der morgigen Montagausgabe). Ob auch digitale Pay-TV-Kanäle in Deutschland geplant seien, ließ Zeiler zunächst offen.
Jenseits dieser offenbar wachsenden Konkurrenz könnte Premiere zudem ein wichtiges Asset verlieren. Mitte 2006 laufen die Live-Übertragungsrechte für die Spiele der 1. und 2. Fußballbundesliga aus, merkt ein Analyst kritisch an, der nicht für die Konsortialbanken arbeitet.
Während Kofler seine Anteile (rund 20,50 Prozent) dem Vernehmen nach nicht so schnell versilbern will, dürften aber zumindest einige Altaktionäre Kasse machen. So gilt als sicher, dass sich der Finanzinvestor Permira (derzeit 55 Prozent), möglicherweise aber auch beteiligte Banken von Premiere-Anteilen trennen werden. So halten die HypoVereinsbank und die BayernLB jeweils rund 10 Prozent an dem Bezahlsender.