Übernahmepoker
Wie Euronext die Deutsche Börse schlagen kann
Euronext-Chef Jean-François Théodore bleibt mit seinem Angebot zur möglichen Übernahme der LSE bewusst nebulös. Analysten erläutern gegenüber manager-magazin.de, in welchen Punkten die Euronext ihrem Konkurrenten Deutsche Börse gefährlich werden kann.
Hamburg/London/Paris - Im Wettstreit um die Londoner Börse (LSE) hat Jean-François Théodore bislang vor allem durch Lippenbekenntnisse die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Am Mittwoch unterbreitete er erste Vorschläge.
Wer aber glaubte, der Chef der Euronext werde sich nach monatelangen Spekulationen mit einem konkreten Angebot aus der Deckung wagen, sah sich getäuscht. "Das ist mehr ein Diskussionspapier als ein Angebot, denn dazu gehört ein Preis. Und den hat Euronext nicht genannt", erklärte Analyst Olaf Kayser von der Landesbank Rheinland-Pfalz.
Mit einem konkreten Kaufangebot hätte Théodore den Bieterwettkampf zwischen der Euronext und der Deutschen Börse eröffnet. Doch wie es sich für eine richtige Poker-Partie gehört, lässt man sich nur ungern in die Karten schauen. Ein Bietergefecht muss die Vierländerbörse nach Ansicht von Experten indes auch mehr fürchten als der Frankfurter Konkurrent. Denn aufgrund ihrer zurück liegenden Akquisitionen gilt sie finanziell schlechter ausgestattet als die Deutsche Börse.
"Integrationskompetenz": Höhere Einsparungen bei einer Fusion?
So warb die Euronext am Mittwoch vor allem zunächst mit dem Versprechen höherer Einsparungen bei einer Fusion, als sie der Rivale aus Frankfurt Ende Januar in Aussicht gestellt hatte. Zugleich rückte Théodore die bereits unter Beweis gestellte Integrationskompetenz der aus den Handelsplätzen Amsterdam, Brüssel, Lissabon und Paris entstandenen Börse in den Vordergrund. Damit dürfte die Vierländer-Börse vermutlich genauso punkten wie mit ihrem Angebot, das Board einer fusionierten Börse in Anlehnung an die bislang gängige britische Praxis zu planen.
Gleichwohl werde die Euronext in Kürze einen Preis nennen müssen und damit den unvermeidlichen Bieterwettkampf lostreten, zeigte sich Kayser im Gespräch mit manager-magazin.de überzeugt.
Denn jenseits "weicher Faktoren" wie möglicher Zugeständnisse in der Frage des Hauptsitzes oder herabgesetzter Handelsgebühren für die LSE-Kunden sei der Preis letztlich der entscheidende Punkt.
"Schließlich entscheiden am Ende die Aktionäre und nicht die Kunden der LSE über das Angebot", betonte auch Analyst Konrad Becker vom Bankhaus Merck Finck.
Deutlich höhere Restrukturierungskosten
Deutlich höhere Restrukturierungskosten
Mit rund 200 Millionen Euro glaubt die Euronext ab dem dritten Jahr nach einer Fusion rund doppelt so viel Synergie-Effekte erzielen zu können wie die Frankfurter. Zugleich stellte Théodore den LSE-Kunden ebenso wie die Deutsche Börse eine Gebührensenkung von zunächst 10 Prozent in Aussicht. Mit 184 Millionen Euro sind aber die von der Euronext bezifferten Aufwendungen für Restrukturierung deutlich höher als bei der Deutschen Börse (100 Millionen Euro).
Ähnlich wie die Deutsche Börse will die Euronext bestimmte Management-Positionen in London verankern, legte sich aber in der Frage des Hauptsitzes einer fusionierten Börse auch am Mittwoch nicht fest.
Stattdessen stellte der Euronext-Chef ein Doppellisting in London und Paris in Aussicht. Das Management der Deutschen Börse wiederum hatte Ende Januar erklärt, der Hauptsitz der neuen Börse werde in Frankfurt bleiben.
"Für einen Hauptsitz in Frankfurt würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen", meinte dagegen Konrad Becker von Merck Finck. Sollten LSE und Deutsche Börse fusionieren, dann werde "nach einer relativ kurzen Schamfrist" sehr schnell die Diskussion über den Nutzen zweier Standorte beginnen. "Diese Diskussion wird kommen, weil es ökonomisch keinen Sinn macht, die Vorstände zu teilen und an verschiedenen Orten anzusiedeln."
Standort: Muss es wirklich London sein?
Standort: "In London spielt die Musik"
Am Ende dieses Prozesses werde die Entscheidung vermutlich auf London hinauslaufen, weil dort das meiste Geschäft gemacht werde, wie die Zahlen zum Kassahandel bereits jetzt belegten. "In London spielt die Musik, und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern", sagte Becker.
Rolf Breuer, Aufsichtsratschef der Deutschen Börse, warnte unlängst davor, die Frage des Hauptsitzes zum Dreh- und Angelpunkt der Verhandlungen zu machen. Die Frage nach dem Standort eines fusionierten Unternehmens werde seiner Meinung nach "weit überschätzt". Diese Ansicht teilt auch Becker. Das Wohl und Wehe des Standortes Frankfurt entscheide sich nicht mit dem Hauptsitz einer fusionierten Börse.
Olaf Kayser von der Landesbank Rheinland-Pfalz betonte hingegen, dass die Deutsche Börse mit dem in Aussicht gestellten Umzug des Kassamarktes als auch der Terminbörse Eurex nach London der LSE bereits sehr weit entgegengekommen sei.
Sollte auch der Hauptsitz nach London verlagert werden, dürfte dies für erheblichen politischen Widerstand sorgen. "Ich glaube, das wäre nicht durchsetzbar", meinte der LRP-Analyst. Vermutlich werde die Deutsche Börse eher noch beim Preis nachbessern, dafür aber auf einen Unternehmenssitz in Frankfurt beharren.
Finanzkraft der Euronext nicht unterschätzen
Finanzkraft der Euronext nicht unterschätzen
Die jetzt unterbreiteten Vorschläge der Euronext dürften die Position der Deutschen Börse im Übernahmepoker um die LSE nicht geschwächt haben, meinen die Experten. Gleichwohl sei das Rennen für die Deutsche Börse noch längst nicht gelaufen.
"Abgesehen von dem fehlenden Preis entsprechen die Absichtserklärungen der Euronext in großen Teilen dem Angebot der Frankfurter. Ich kann darin kein verbessertes Angebot erkennen und sehe auch nicht, wie man damit die Deutsche Börse ausstechen könnte", sagte Kayser. Und auch Becker von Merck Finck glaube nicht, dass dieses Angebot die Chancen der Deutschen Börse "signifikant verringert" habe.
Andere Experten warnten allerdings davor, das fehlende Preisangebot der Euronext als Schwäche zu interpretieren. Man solle die finanziellen Möglichkeiten der Vierländer-Börse nicht unterschätzen, sagte Johannes Thormann von der WestLB mit Blick auf das acht Banken starke Konsortium im Rücken der Euronext.
Becker erklärte dazu, es dürfte für Euronext vermutlich kein Problem sein, ein Angebot finanzieren zu lassen, das über jenen 530 Pence je LSE-Aktie liegt, die die Deutsche Börse in Aussicht gestellt hat. Die Frage sei vielmehr, wie stark so ein kreditfinanziertes Angebot dann die Erträge belasten werde und ob die Aktionäre bereit seien, dieses Risiko mit zu tragen. In diesem Punkt sieht der Analyst die besseren Karten dann allerdings wieder auf der Seite der Deutschen Börse.