Die Bemühungen werden hektischer: Offenbar schließt Deutsche-Börse-Chef Werner Seifert auch eine feindliche Übernahme der LSE nicht mehr aus. Zeitgleich meldet die Deutsche Bank, sie habe im Kundenauftrag bereits 8 Prozent der LSE-Anteile gekauft. Unterdessen zeigen sich die Londoner Broker in der Standortfrage kompromissbereit.
Frankfurt am Main/London - Die Deutsche Börse schließt einem Zeitungsbericht zufolge ein feindliches Übernahmeangebot für die Londoner Börse LSE nicht aus. Dies könne sich auf rund 600 Pence je Aktie belaufen, berichtete die britische Zeitung "The Observer" unter Berufung auf unternehmensnahe Kreise.
Im Dezember hatte die Deutsche Börse ihre Preisvorstellung für die LSE auf 530 Pence je Aktie oder insgesamt rund zwei Milliarden Euro beziffert. Die London Stock Exchange (LSE) hatte dies allerdings als zu niedrig bezeichnet. Der Observer berichtete nun, dass Deutsche-Börse-Chef Werner Seifert allmählich die Geduld verliere und nicht mehr länger als zehn Tage auf eine Empfehlung der LSE für ein verbessertes Angebot warten wolle. Vertreter der Deutschen Börse und der LSE waren nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen.
"Die Zeit für die LSE läuft aus", zitierte die Zeitung Kreise aus dem Umfeld der Deutschen Börse. "Wir versuchen eine Empfehlung vom Londoner Board zu bekommen. Aber wenn wir es nicht schaffen, werden wir uns mit unserem Anliegen direkt an die Aktionäre wenden."
Deutsche Bank hält 8 Prozent an der LSE
Unterdessen teilte die Deutsche Bank mit, nach Kundenaufträgen rund 8 Prozent der Anteile an der London Stock Exchange LSE zu halten. Ob diese Aktien im Auftrag der Deutschen Börse gekauft wurden, wollte ein Sprecher am Samstag nicht sagen.
Im Mittelpunkt der Diskussionen um eine Fusion der beiden Handelsplätze steht weiterhin die Standortfrage. Der britische Brokerverband Apcims zeigte sich am Wochenende kompromissbereit: Für den Fall einer Übernahme der LSE durch die Deutsche Börse bestehe man nicht unbedingt auf London als Firmensitz des Börsenbetreibers, teilte der Verband mit.
"London als Sitz ist zwar die von uns bevorzugte Lösung", sagte Angela Knight, Chefin der Association of Private Client Investment Managers (Apcims), der "Börsen-Zeitung" in einem am Samstag veröffentlichten Interview. Wenn dies aus bestimmten Gründen aber nicht möglich sei, werde Apcims dies akzeptieren. Was die Managementzentrale betreffe, bevorzuge Apcims ebenfalls London. Entscheidend sei jedoch, dass London als operatives Zentrum aufrechterhalten werde.
Scharfe Kritik von der Bundesbank
Scharfe Kritik von der Bundesbank
Knight betonte im Gespräch mit der Zeitung, dass sich Apcims nicht grundsätzlich gegen eine Übernahme der LSE stelle. Auch sei es gegenwärtig angesichts der geringen Informationen, die zur Verfügung stünden, nur eingeschränkt möglich, sich ein Urteil zu bilden. Es sei für Apcims jedoch wichtig, frühzeitig Position zu beziehen. Eine Übernahme der LSE müsse für die Nutzer substanzielle Kostensenkungen und Effizienzgewinne bringen. Die müssten allen Marktteilnehmern zugute kommen.
Sie bestehe indes nicht darauf, dass sich die Deutsche Börse von ihrem Wertpapierabwickler Clearstream trenne. Unabdingbar sei jedoch, dass der Nutzer eine freie Wahl der Abwicklungs- und Abrechnungssysteme erhalte. Die Deutsche Börse hat bereits zugesichert, die formalen Rahmenbedingungen - insbesondere in diesen beiden Bereichen - in London unverändert zu belassen.
Dagegen äußerte die Deutsche Bundesbank äußerte scharfe Kritik an den Standortplänen der Deutschen Börse. Es schwäche den heimischen Finanzplatz, wenn der Unternehmenssitz in Frankfurt aufrechterhalten werde, aber die operativen Arbeiten in London erledigt würden, sagte Hans Reckers, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank der "Welt am Sonntag". Falls die London Stock Exchange (LSE) übernommen werde, müsse die Arbeit zwischen den Marktbereichen fair verteilt werden.
Auch im Aufsichtsrat der Deutschen Börse wächst die Sorge, dass der Stammsitz des Unternehmens leiden könnte. "Es gibt zwar eine konkrete Absichtserklärung des Managements, dass die Beschäftigten in Frankfurt nicht mit Personalabbaumaßnahmen konfrontiert werden", sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär und Aufsichtsrat Herbert Bayer der Zeitung. Die Erfahrung zeige jedoch, dass solche Absprachen in vielen Fällen gebrochen werden.