Merck Das Chemiegeschäft boomt
Frankfurt am Main - "Das zweite Quartal brachte durch unseren Ausstieg aus dem Labordistributionsgeschäft, die EU-weite Zulassung für unser erstes Onkologieprodukt Erbitux sowie den soliden Aufwärtstrend bei Liquid Crystals viele positive Veränderungen für Merck", sagte Unternehmenschef Bernhard Scheuble am Dienstag. Nach Steuern sprang der Gewinn auf 364,4 Millionen Euro von 83,7 Millionen Euro ein Jahr zuvor nach oben.
Das operative Ergebnis ohne die Laborversorgersparte VWR legte vor allem dank eines florierenden Geschäfts mit Flüssigkristallen um 2,1 Prozent auf 176,6 Millionen Euro zu. Ohne VWR erlöste Merck 1,4 Milliarden Euro im Quartal, ein Umsatzplus von neun Prozent.
Merck erwarte jetzt für 2004 ein Gewinnplus nach Steuern von mindestens 150 Prozent statt wie bislang von 50 bis 100 Prozent, erklärte das Unternehmen. Das operative Ergebnis solle prozentual einstellig wachsen, wobei ein weiterhin starkes Chemiegeschäft Einbußen in der Pharmasparte mehr als wettmachen solle. Für die zweite Jahreshälfte gehe Merck zudem von einem hohen einstelligen Umsatzplus im Konzern aus.
Chemiesparte mit kräftigem Ergebnisanstieg
Merck verbuchte im zweiten Quartal Veräußerungsgewinne von 293 Millionen Euro aus dem Verkauf von VWR und von 47 Millionen Euro aus dem Verkauf der Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen Biomer. Mit der Veräußerung von WVR an die US-Investmentfirma Clayton, Dubilier & Rice hatte sich Merck von rund einem Drittel seines Jahresumsatzes getrennt. Der Konzern konzentriert sich nun auf die Bereiche Pharma und Spezialchemie.
Im Pharmageschäft sank das operative Ergebnis im zweiten Jahresviertel um 41 Prozent auf 64 Millionen Euro. Deutschlands ältester Pharmakonzern kämpft hier unter anderem in den USA mit Nachahmer-Konkurrenz für seinen einstigen Umsatzträger, das Diabetes-Mittel Glucophage. Zudem belasten auslaufende Gewinnbeiträge aus der US-Vermarktung des Magenmittels Omeprazol.
Der neue Hoffnungsträger, das Darmkrebsmittel Erbitux, wurde erst vor wenigen Wochen in der EU zugelassen. In der Chemiesparte nahm dagegen der operative Gewinn dank der starken Nachfrage nach Flüssigkristallen um 60 Prozent auf 124 Millionen Euro zu. Merck ist Weltmarktführer bei Flüssigkristallen, die etwa in TV-Flachbildschirmen oder in Handy-Displays zum Einsatz kommen.
"Im Jahr 2004 sind die Flüssigkristalle und Erbitux zweifelsohne die Flaggschiffe von Merck", erklärte der Konzern. Beide hätten das Potenzial, sich zu "Blockbustern" zu entwickeln. Darunter werden in der Branche Produkte mit Milliardenumsätzen verstanden. Nähere Ausführungen zum Blockbuster-Potenzial von Erbitux machte Merck zunächst nicht. Im ersten Halbjahr erzielte Erbitux einen Umsatz von 16,4 Millionen Euro. Im Dezember war Erbitux bereits in der Schweiz zugelassen worden.
Analysten-Erwartungen erfüllt, Aktie sackt dennoch ins Minus
Analysten: Zahlen trafen die Erwartungen
"Insgesamt fielen die Zahlen wie erwartet aus", kommentierte Pharmaanalyst Alexander Groschke von der Landesbank Rheinland-Pfalz. "In der Pharmasparte hat Erbitux und das Geschäft mit Generika den Rückgang bei Ethicals nicht ausgleichen können", ergänzte er. Im Chemiegeschäft habe das Flüssigkristallgeschäft seine Erwartungen übertroffen.
Ähnlich äußerte sich auch Oliver Kämmerer von der WestLB. "Die Pharmamargen sind wegen der Konkurrenz bei Glucophage unter Druck, aber die Erbitux-Umsätze waren stark und die Flüssigkristalle waren sehr beeindruckend", ergänzte er. Der Bereich Flüssigkristalle setzte rund 300 Millionen Euro im Halbjahr um.
Aktie stürzt von der MDax-Spitze ins Minus
An der Börse ist die Aktie im frühen Handel an die Spitze der MDax-Gewinnerliste geklettert, im weiteren Verlauf rutschte das Papier jedoch ins Minus. Gegen Mittag notierte der Titel 1,4 Prozent schwächer auf 44,55 Euro.
"Das liegt an den wahnsinnig hohen Erwartungen, die an das Unternehmen gestellt werden", sagte ein Analyst angesichts des Kursrutsches. Der Höhepunkt der Gewinnentwicklung sei überschritten, die Zahlen könnten kaum noch getoppt worden. Zudem sei der Ausblick für den Pharma-Bereich weiterhin schlecht. "Es wird auf der Telefonkonferenz schon genauer hinterfragt werden, was das Unternehmen gegen diesen Einbruch zu tun gedenkt", sagte er.
Groschke sah eine mögliche Ursache des Kursumschwungs in der Länge des Unternehmensberichts. "Der Text ist fast 30 Seiten lang - vielleicht haben sich die Investoren zunächst die netten Sachen rausgesucht, und dann hat das Grübeln begonnen."