Die Steuer-Kolumne Der Aderlass
Hamburg - Die Summe der Zuzahlungen ist grundsätzlich auf maximal 2 Prozent des Brutto-Jahreseinkommens begrenzt. Ist diese Grenze erreicht, sollte man sich umgehend mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzen und eine Befreiung von weiteren Zuzahlungen beantragen.
Darum ist es wichtig, nicht nur alle Belege zu sammeln, sondern diese auch in bestimmten Abständen aufzuaddieren, damit der Krankenversicherte nicht zufällige Überzahlungen leistet, die er dann wieder auf umständlichen Wegen zurückfordern muss. Am besten, Sie speichern alle Werte in Ihrem Computer in eine Tabelle oder ein elektronisches Haushaltsbuch ab, wie zum Bespiel das Haushaltsbuch 3.0 aus der WISO Geld-Tipp Reihe (14,95 Euro im Buch- und Fachhandel oder online unter www.buhl.de).
Die Regelungen für Eheleute und Familien
Die Kosten, die für mitversicherte Familienangehörige entstehen, werden selbstverständlich mitgerechnet. Eheleute und Familien werden bei der Berechnung der Prozentgrenze entlastend berücksichtigt:
Vom Bruttoverdienst werden Kinder- und Ehepartner-Freibeträge abgezogen. So bezahlt ein Familienvater von zwei Kindern als Alleinverdiener mit einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro nicht etwa bis zu 600 Euro an Eigenanteilen. Nach Abzug des Kinderfreibetrages und des Freibetrages für den Ehepartner verbleibt ein Einkommen von 18.357 Euro, von dem die zwei Prozent (367,14 Euro) berechnet werden.
Chronisch Kranke: Es wird kompliziert
Für chronisch Kranke gilt die Regelung, dass sie ein Prozent des Jahresbruttoeinkommens zuzahlen müssen. Bleibt die Frage, wer "chronisch krank" ist. Hier haben sich die Parteien auf die Regelung verständigt, dass es sich um Personen handelt, die sich in ärztlicher Dauerbehandlung befinden (mindestens ein Arztbesuch pro Quartal auf Grund der gleichen Krankheit) und eines der nachfolgenden Kriterien erfüllen:
- Es besteht Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe zwei oder drei nach dem zweiten Kapitel des Sozialgesetzbuches XI
- Es liegt eine Behinderung von mindestens 60 Prozent nach Paragraf 30 des Bundesversorgungsgesetzes vor
- Es liegt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 Prozent nach Paragraf 56 Absatz 2 des Sozialgesetzbuches VII vor
- Es ist eine kontinuierliche Behandlung oder medizinische Versorgung notwendig, da nach ärztlicher Einschätzung sonst eine Schädigung des Patienten eintreten würde
Für Bewohner eines Seniorenheims gelten andere Regelungen. Bei ihnen ist entscheidend, ob sie ihren Heimaufenthalt selbst bezahlen oder ob dieser vom Sozialamt finanziert wird. Wer selbst zahlt, muss ebenfalls bis zu 2 Prozent seines Bruttojahreseinkommens berappen. Trägt das Sozialamt die Finanzierung, muss der Heimbewohner pro Jahr 71,04 Euro (beziehungsweise bei chronisch Kranken 35,52 Euro) selbst finanzieren.
Natürlich gilt die 2- beziehungsweise 1-Prozent-Regelung für alle Ausgaben des Versicherten und der mitversicherten Personen (Ehegatten und Kinder). Zu Grunde gelegt wird lediglich das Bruttojahreseinkommen des Versicherten.
Wann zahlt die Kasse die Fahrtkosten?
Fahrtkostenerstattung
Die Fahrtkostenregelung wurde abgemildert. Grundsätzlich werden die Fahrtkosten erstattet, wenn ein Schwerbehindertenausweis mit der Kennzeichnung "aG2" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "BI" (Erblindung) oder "H" (besondere Hilfsbedürftigkeit) vorliegt. Darüber hinaus sollen Fahrtkosten erstattet werden, wenn "vergleichbare Umstände" vorliegen, aber kein Ausweis vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Versicherte beispielsweise ein Bein in Gips gelegt hat und der Patient dadurch nicht laufen kann.
Achtung: Die Fahrtkosten bei "vergleichbaren Fällen" müssen vorher von der Krankenkasse genehmigt werden, sonst kann eine Übernahme verweigert werden.
Außerdem werden die Fahrtkosten übernommen, wenn eine Behandlung über einen längeren Zeitraum notwendig ist und der Patient Schaden nehmen würde, wenn er nicht gefahren würde.
Zusätzlich wurde ein Liste von Behandlungen aufgestellt, bei der der Transport genehmigt und bezahlt wird. Diese Liste gilt als noch nicht abgeschlossen. Derzeit werden danach Fahrten erstattet, wenn es zur ambulanten Dialysebehandlung geht. Auch Fahrten zu einer onkologischen Strahlen- oder Chemotherapie werden übernommen.
Darüber hinaus muss bei Fahrtkosten zugezahlt werden. Die Eigenbeteiligung beträgt 10 Prozent der Fahrtkosten, mindestens fünf, höchstens zehn Euro.
Das Kreuz mit der Praxisgebühr
Das Kreuz mit der Praxisgebühr
Wohl die höchsten Wellen schlug die so genannte Praxisgebühr. Ich sage bewusst so genannte, denn diese Gebühr wird zwar in der Praxis erhoben, muss aber zu 100 Prozent an die Krankenkassen abgeführt werden. Einige Krankenkassen überlegen jetzt schon, auf die Praxisgebühr zu verzichten. Allerdings ist hier noch nicht geklärt, ob dies rechtlich überhaupt möglich ist. Ärzten, die die Praxisgebühr für ihre Patienten übernehmen wollten, wurde dies untersagt.
Grundsätzlich müssen alle Personen über 18 Jahre eine Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal zahlen. Wer also am 30. März zum Arzt geht und diesen am 2. April wieder konsultiert, muss in beiden Fällen zehn Euro bezahlen, da er die Quartalsgrenze überschritten hat.
Darum sollte man seinen Arztbesuch - soweit dies möglich ist - so planen, dass er vorne in einem Quartal liegt. Dadurch ist die Chance größer, dass die Behandlung innerhalb eines Vierteljahres abgeschlossen wird und kein weiterer "Zehner" ausgegeben werden muss.
Der Besuch beim Facharzt ist mit der Überweisung des Hausarztes frei, wenn beide Besuche im gleichen Quartal liegen. Wer allerdings seine Überweisung nachreichen will, hat Pech: Eine Rückerstattung der Praxisgebühr ist ausgeschlossen.
Eine Überweisung gilt nur für das laufende Quartal. Am Ende eines Quartals sollte man deshalb darauf achten, dass man noch vor Beginn des neuen Vierteljahres den Facharzt aufsucht, da die Überweisung sonst wertlos ist. Grundsätzlich gilt aber auch hier die Regel, möglichst zu Beginn eines Quartals zum Hausarzt und anschließend zum Facharzt zu gehen, damit die Behandlung innerhalb des Vierteljahres abgeschlossen wird.
Überweisen dürfen Vertragsärzte und zugelassene Einrichtungen, ermächtigte Ärzte oder Einrichtungen, die ärztlich geleitet werden. Der Facharzt darf nicht zum Zahnarzt und umgekehrt der Zahnarzt nicht zum Facharzt überweisen.
Auch für eine telefonische Beratung wird die Praxisgebühr erhoben. In diesem Fall wird die Gebühr natürlich erst im Nachhinein fällig.
Bei Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, bei der Durchführung von Schutzimpfungen, bei der Zahnprophylaxe (zweimal im Jahr) oder der Vorsorge für schwangere Frauen ist die Praxisgebühr nicht zu leisten.
Praxisgebühr: Wann liegt ein Notfall vor?
Bei einem akuten Notfall muss der Arzt behandeln, auch wenn der Patient die Praxisgebühr nicht zahlen kann. Der Patient muss diese allerdings nachentrichten.
Bei Notfallsituationen unterscheidet man zwischen dem "planbaren" Notfall und anderen Notfällen. Das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung führt hierzu aus:
"Bei einem 'planbaren' Notfall muss die Praxisgebühr nicht gezahlt werden. Wer zum Beispiel am Wochenende nach einer Operation oder nach einem Unfall zum Verbandwechsel den Notarzt in Anspruch nehmen muss, zahlt keine Praxisgebühr; er hat die Gebühr bereits bei der Behandlung gezahlt. Wer jedoch überraschend den Notarzt ruft, muss die Praxisgebühr zahlen, auch wenn er sie in demselben Quartal bereits beim Allgemeinarzt gezahlt hat. Bei der Fahrt im Rettungswagen wird keine Gebühr fällig, jedoch bei der anschließenden Behandlung."
Bei der Behandlung nach einem Arbeitsunfall wird die Praxisgebühr nicht fällig, weil hier die Krankenkassen auch nicht als Kostenträger fungieren. Außerdem dürfen Laborärzte keine gesonderte Praxisgebühr verlangen, wenn sie zum Beispiel kurz vor Quartalsende eine Blut- oder Gewebeprobe entnommen haben und diese erst im folgenden Quartal analysieren.
Wenn es medizinisch vertretbar ist, kann künftig das Rezept für die Antibabypille auch für ein halbes Jahr ausgestellt werden, wodurch eine Praxisgebühr gespart werden kann. Da Frauen über 21 Jahre das Verhütungsmittel sowieso nicht mehr erstattet bekommen, fällt die Praxisgebühr hier lediglich bei jungen Frauen zwischen 18 und 21 Jahren an.
Wann zuzahlen für welches Medikament?
Medikamente mit Rezept
Grundsätzlich gilt bei Medikamenten: "Kein Rezept - kein Geld". Im Ausnahmefall können die Kosten für rezeptfreie Medikamente bei Kindern unter zwölf Jahren oder Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen übernommen werden. Auch wenn ein Medikament zum so genannten Therapiestandard gehört, können diese Kosten übernommen werden.
Im Zweifelsfalle lassen Sie sich vorher von Ihrer Krankenkasse beraten, denn im Nachhinein gibt es normalerweise keine verbindlichen Zusagen mehr. Für verschreibungspflichtige Medikamente müssen 10 Prozent des Kaufpreises als Eigenanteil getragen werden, mindestens fünf Euro - höchstens jedoch der Kaufpreis beziehungsweise zehn Euro.
Dies bedeutet, dass man Medikamente bis zu fünf Euro komplett selbst bezahlen muss. Für Medikamente die mehr als 5 Euro und bis zu 50 Euro kosten, müssen Sie jeweils fünf Euro zuzahlen. Bei Medikamenten über 50 Euro bis zu 100 Euro werden 10 Prozent einbehalten, und bei Medikamenten, die mehr als 100 Euro kosten, werden grundsätzlich zehn Euro als Eigenanteil einbehalten.
Medikamente ohne Rezept
Es wird eine Liste mit Arzneimitteln geben, die - obwohl rezeptfrei - weiterhin erstattet werden. Diese Liste dürfte aber erst zum Ende des laufenden Quartals fertig werden. Bis dahin gilt die Übergangsregelung, dass jeder Arzt mit Begründung auch weiterhin alle notwendigen rezeptfreien Medikamente verordnen kann, sie werden von der Kasse erstattet. Diese Auffassung vertritt zumindest das zuständige Bundesministerium. Dennoch sollten Sie sich möglichst bereits im Vorfeld darüber informieren, ob Ihr Medikament bezahlt wird oder nicht.
Augen auf beim Augenarzt
Durch Beginn der Gesundheitsreform sind die Zuschüsse zu Brillen weggefallen. Die notwendigen Leistungen des Augenarztes - zum Beispiel der Sehtest - die einer Brillenanpassung vorausgehen, werden aber weiterhin bezahlt.
Will Ihnen ein Augenarzt die Verordnung einer Brille privat in Rechnung stellen, zahlen Sie nicht, sondern weisen Sie darauf hin, dass Sie dieses Verhalten Ihrer Krankenkasse und der kassenärztlichen Bundesvereinigung als rechtswidrigen Vorgang melden werden.
Die ungewisse Zukunft der Pflichtversicherung
Nachbesserungen und Einschnitte sind zu erwarten
Wie der Start der Gesundheitsreform gezeigt hat, sind viele Unwägbarkeiten nicht in den Reformtext eingeflossen. Darum kann übrigens für die Zusammenstellung der obigen Daten auch keine Garantie übernommen werden. Aus diesem Grund werden wir wohl auch mit weiteren Nachbesserungen rechnen müssen.
Wie Pessimisten (oder doch Realisten) bereits voraussagten, ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass die Krankenkassenbeiträge nun endlich sinken werden. Wir können froh sein, wenn sie so bleiben, wie sie derzeit sind. Doch es geht hier auch um mehr als "nur" die Absenkung der Beiträge um einen oder zwei Prozentpunkte. Mit der Reform, und wie wir damit umgehen, wird nämlich das Solidaritätskonzept auf den Prüfstand gestellt.
Reine Privatversicherung würde für den Staat teurer
Wer vorschnell die Forderung erhebt, doch einfach die Pflichtversicherung abzuschaffen, übersieht dabei, dass eine reine private Versicherungswelt für den Staat sehr teuer wird. Denn die privaten Kassen suchen ihre Kundinnen und Kunden aus. Alle schwer Kranken müssten bei einem reinen Privatkassensystem beispielsweise über die Sozialhilfe vom Staat versorgt werden. Diese Kosten müsste man dann wieder über höhere Steuern hereinholen. Ob wir damit gegenüber dem jetzigen Modell besser fahren würden, bleibt deshalb dahingestellt.
Wenn es uns also gelingt, unser Sozialsystem den heutigen Bedingungen anzupassen, wollen wir zufrieden sein. Leider ist aber auch hier weiterhin Pessimismus angesagt. Die Pflegeversicherung schreibt tiefrote Zahlen und auch in den verschiedenen Bereichen der Krankenkassen scheinen die Kosten zu explodieren. Man muss sich also auf weitere Einschnitte einrichten - wenn nicht eine komplett neu organisierte Krankenversorgung aus der Taufe gehoben wird. Ob wir uns aber damit einen Gefallen tun werden, bleibt die Frage.