Den schwachen Mitgliedern der Allianz-Familie dürfte in Zukunft ein kalter Wind ins Gesicht blasen. "Wir waren bislang sehr nachsichtig", sagt Vorstandschef Michael Diekmann und erhöht den Druck auf Kostgänger. Mehr denn je lautet das Ziel Profitabilität.
Hamburg/München - Die Allianz will sich weiter mit frischem Geld am Kapitalmarkt versorgen und damit ihre Eigenkapitalbasis verbessern. Zugleich unterstrich Vorstandschef Michael Diekmann am Dienstag das Ziel, den Konzern noch stärker auf Profitabilität zu trimmen. Im Zuge des Strategieprogramms "Drei plus eins" dürfte sich damit der Druck auf die einzelnen Konzern-Gesellschaften und ihr Management deutlich erhöhen.
Weitere 1,5 Milliarden Euro soll eine nachrangige Anleihe Anfang 2004 in die Kassen spülen, bestätigte das Unternehmen am Dienstag. Die Allianz widersprach damit Gerüchten, sie habe ihre Pläne nach dem erfolgreichen Abschluss der Kapitalerhöhung im April ad acta gelegt. Seinerzeit hatte der Finanzkonzern rund 4,4 Milliarden Euro eingenommen und bereits die Emission einer nachrangigen Anleihe angekündigt.
Abschreibungen in Milliardenhöhe auf ihr Wertpapierportfolio im Zuge der Börsenbaisse hatten die Allianz schwer belastet. Zugleich schrieb die Tochter Dresdner Bank hohe Verluste. Zu allem Überdruss saßen die Ratingagenturen der Allianz im Nacken und zwangen sie indirekt zu der Kapitalerhöhung. Andernfalls drohte der Rausschmiss aus der AA-Klasse, was die Refinanzierung deutlich verteuert hätte.
Diekmann: "Wir waren bislang sehr nachsichtig"
Um die Kapitallage zu entspannen und Bilanzlöcher zu stopfen, trennte sich die Allianz in diesem Jahr bereits von zahlreichen Beteiligungen. Der Verkauf etwa von rund 40 Prozent der Beiersdorf-Aktien erbrachte einen Buchgewinn von 2,9 Milliarden Euro. Zudem gab die Allianz ihre Fünf-Prozent-Beteiligung an der Deutschen Börse(Kurswerte anzeigen) komplett ab, reduzierte ihren Anteil an dem Reifenhersteller Continental(Kurswerte anzeigen) aber auch beständig jenen an der Münchener Rück(Kurswerte anzeigen).
An dem Sorgenkind Dresdner Bank werde der Konzern aber auf jeden Fall festhalten und ihn in die Gewinnzone zurückführen, hatte Diekmann unlängst im Interview mit manager magazin (Ausgabe 12/03) erklärt. Der Verkauf von Beteiligungen ist Bestandteil des Strategieprogramms "Drei plus eins", mit dem der Konzern seit geraumer Zeit bei Investoren um Vertrauen wirbt. Erklärtes Ziel ist es, die Eigenkapitalbasis zu verbessern, die Ertragskraft zu steigern und den Konzern neu auszurichten.
Letzteres will die Allianz indes nicht als reines "Gesundschrumpfen" verstanden wissen. Es gehe vielmehr darum, die Komplexität des mitunter schwerfälligen Tankers Allianz zu reduzieren, sich auf Kompetenzen zu beschränken und die Expansion in den einzelnen Bereichen voranzutreiben. Dazu will die Allianz auch ineffiziente Strukturen in den einzelnen Gesellschaften sowie in der Holding beseitigen. Alle drei Punkte des Strategieprogramms sollen langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Allianz steigern und Wachstum aus eigener Kraft ermöglichen ("plus eins").
Das Management muss umdenken
Das Management muss umdenken
Soweit die Theorie. In der Praxis dürfte damit der Druck auf die einzelnen Gesellschaften steigen. "Das wird sich auf die Planungen all unserer Gesellschaften auswirken, von denen wir die meisten bisher sehr nachsichtig behandelt haben", gab Diekmann am Dienstag im Interview auf der konzerneigenen Internetseite zu verstehen. Bisher hätten die einzelnen Gesellschaften in der Holding einen "eher wohlwollenden Aktionär" gehabt, der mitunter schlechte Ergebnisse wieder ausgeglichen habe. "Jetzt gelten bei uns die Regeln des Marktes", gab Diekmann zu verstehen.
Im Kern geht es darum, dass die einzelnen Gesellschaften und ihr Management wieder stärker operative Verantwortung tragen. Einzelne Regionalfürsten insbesondere in den Versicherungssparten werden sich dabei wohl warm anziehen müssen. "Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass hier fundamentale Änderungen im Verhalten des Managements notwendig sind", sagte Diekmann.
Eine große Veränderung werde etwa darin bestehen, dass die Gesellschaften verpflichtet werden sollen, erstmalig Dividenden in Höhe ihrer Kapitalkosten zu zahlen. "Zum anderen werden wir mit zusätzlichem Risiko-Kapital sehr vorsichtig umgehen und es nur noch den Unternehmen zuweisen, die in ihrem Business-Modell klar aufzeigen können, dass sie mit diesem Kapital höhere Gewinne erwirtschaften können als andere", sagte Diekmann weiter.
Analysten begrüßen den Restrukturierungskurs
Der Allianz-Vorstandschef ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass das Management der Gruppengesellschaften hier mitziehen werde. Bei seinen Besuchen in den vergangenen Monaten habe er überrascht festgestellt, dass "eine enorm große Zustimmung zu härteren, anspruchsvolleren Zielen" vorhanden sei. Auf allen Ebenen sei die Motivation vorhanden, "noch den entscheidenden Schritt weiter zu gehen und sich konsequenter an Kundenbedürfnissen zu orientieren".
Die Restrukturierungsbemühungen und die verschärfte Gangart gegenüber den einzelnen Gesellschaften scheinen also anzukommen. Die Enttäuschung über die Zahlen zum dritten Quartal sei überwunden, erklärten etwa die Analysten der Vereins- und Westbank zu Wochenbeginn. Chancen, die sich durch den eingeschlagenen Restrukturierungskurs der Allianz bieten, sollten mittelfristig in den Vordergrund treten. Die Experten erwarten in allen Segmenten eine deutliche Verbesserung des operativen Ergebnisses. Sie empfehlen die Aktie zum Kauf.
Die Analysten der Hessischen Landesbank stuften die Aktie der Allianz am Dienstag von "Neutral" auf "Übergewichten" hoch. Zudem erhöhten sie ihre Gewinnschätzung für das kommende Jahr von 4,90 auf 6,15 Euro je Aktie. Sie begründeten ihre positive Einschätzung mit den aus ihrer Sicht zu erwartenden Rentabilitätssteigerungen in den kommenden beiden Jahren. Zudem sei der Titel derzeit günstig bewertet.