Münchener Rück Karten auf den Tisch
Hamburg - Die Spekulationen um eine Kapitalerhöhung der Münchener Rück nehmen kein Ende und haben am Freitag die Aktie des Konzerns erneut belastet. Seit mehrere Ratingagenturen die Bonität des weltgrößten Rückversicherers herabgestuft haben, steht das Unternehmen unter Druck, seine Kapitalbasis deutlich zu verbessern.
Ein Konzern-Sprecher hat am Freitag einen Bericht der "Financial Times" dementiert, der Vorstand habe sich bereits weitgehend auf eine Kapitalerhöhung geeinigt. Ob und wann etwas gemacht werde, sei offen. Dabei hatte zu Beginn dieser Woche der designierte Vorstandschef Nikolaus von Bomhard noch erklärt, der Konzern wolle schneller als geplant seine Eigenmittel aufstocken, um zügig wieder ein Rating in dem Bereich "AA" zu erreichen.
Ratingagenturen beziffern den Kapitalbedarf der Münchener Rück derzeit auf drei bis vier Milliarden Euro. Senken die Bonitätswächter ihre Einstufung für einen Versicherer, erhöht dies die Refinanzierungskosten des Konzerns und wirkt als Wettbewerbsnachteil. Ein Rating misst die Fähigkeit eines Schuldners, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen.
WestLB rechnet fest mit einer Kapitalerhöhung
Nach Einschätzung von Analysten kommt die Münchener Rück nicht daran vorbei, ihre Kapitalstärke zu verbessern. Strittig ist aber der Weg.
"Ich gehe davon aus, dass die Münchener Rück noch in diesem Jahr eine Kapitalerhöhung machen wird und grundsätzlich auch eine machen muss, um mittelfristig wieder ein Rating im 'AA'-Bereich zu bekommen", erklärt Analyst Frank Stoffel von der WestLB im Gespräch mit manager-magazin.de.
Seiner Einschätzung nach ist es für den Konzern auf andere Art und Weise unmöglich, innerhalb der von den Ratingagenturen geforderten Zeit die Eigenkapitalbasis in dieser Höhe zu stärken. Gleichlautend haben sich Freitag Experten von dem Münchener Bankhaus Merck Finck geäußert.
Auch Beteiligungsverkäufe können die Lage entspannen
Stoffel rechnet damit, dass der Rückversicherer durch eine Kapitalerhöhung zwischen zwei und drei Milliarden Euro einspielen könnte. Überdies werde sich das Unternehmen zur Verbesserung seiner Kapitalbasis vermutlich von Anteilen der HypoVereinsbank trennen, um damit einen weiteren Kritikpunkt der Ratingagenturen zu entkräften. Derzeit liegt der Anteil noch bei rund 26 Prozent.
Der designierte Vorstandschef, Nikolaus von Bomhard hat dies bereits angedeutet, allerdings keine Zielgröße genannt. Trotz des Drucks der Rating-Agenturen werde die Münchner Rück weder die Allianz- noch die HypoVereinsbank-Anteile zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf den Markt bringen, hatte Bomhard erklärt.
Friedensangebot an die Analysten
Gleichwohl will der Konzern nach jüngsten Aussagen seine Eigenkapitalbasis früher als geplant stärken und nicht bis Ende 2004 warten. Beobachter bewerten diese Ankündigung als ein Friedensangebot vor allem an die Analysten von Standard & Poor's (S&P). Die Experten von S&P haben unlängst das Rating für den Konzern von "AA-" auf "A+" zurückgestuft und Kapitalmaßnahmen angemahnt. Darüber ist es mit der Münchener Rück zum Streit gekommen.
"Da jetzt die Verträge mit den Erstversicherern neu ausgehandelt werden, kam dieses Downgrade äußerst ungünstig. Ich gehe aber nicht davon aus, dass die Münchener Rück im laufenden Jahr dadurch in relevanter Weise Geschäft verlieren wird", erklärt Analyst Stoffel.
Dennoch nehme der Druck auf den Rückversicherer zu, auch deshalb, weil Kunden und Investoren über die weitere Entwicklung verunsichert sein dürften, schätzt der Analyst der WestLB. "Je eher die Münchener Rück eine Kapitalerhöhung bestätigt, desto besser ist dies für den Aktienkurs", ist der Analyst überzeugt. Der Kapitalmarkt erwarte im Grunde eine Kapitalerhöhung, doch er brauche auch die Gewissheit. Die Aktie der Münchener Rück verlor bis Freitagabend mehr als drei Prozent.
Wehe wenn die Kurse fallen...
Wehe wenn die Kurse fallen...
"Wir denken, dass es bei der Münchener Rück in den nächsten Monaten keine Kapitalerhöhung geben wird", erklärt dagegen Jochen Schmitt von der Landesbank-Rheinland-Pfalz (LRP) im Gespräch mit manager-magazin.de. Völlig ausschließen möchte dies der Analyst allerdings nicht. Die größte Gefahr für eine kurzfristig anberaumte Kapitalerhöhung könnte aus seiner Sicht ein Kursverfall am deutschen Aktienmarkt und insbesondere der größten Beteiligungen der Münchener Rück sein.
Möglicherweise könne der Rückversicherer seine Kapitalbasis aber auch durch die Thesaurierung von zukünftigen Gewinnen und andere kapitalstärkende Maßnahmen verbessern, meint Schmitt. Diesen Standpunkt hat unlängst die Ratingagentur Moody's vertreten und die Einstufung für den Rückversicherer (Aa3, Ausblick negativ) bestätigt.
Stoffel von der WestLB schätzt, dass die Münchener Rück bis Mitte kommenden Jahres in der Lage sein sollte, einen Gewinn von bis zu 900 Millionen Euro zu erwirtschaften. Dies dürfte die Kapitallage ebenso entspannen wie die Senkung des HVB-Anteils deutlich unter 20 Prozent, zumal die Beteiligung an der Bank dann nicht mehr voll in der Gewinn- und Verlustrechnung des Rückversicherers bilanziert werden müsste.
Lange Diskussion um die Kapitalbasis schadet nur
Moody's rechne Schmitt zufolge damit, dass das Unternehmen aufgrund seiner dominanten Marktposition auch künftig profitables Geschäft zeichnen könne. Dies habe nach dem Downgrade von S&P ein wenig den Druck von der Münchener Rück genommen, sagt der LRP-Analyst. Eine anhaltende Diskussion um die Kapitalbasis könne den Kurs der Aktie aber zumindest kurzfristig weiter belasten, schätzt der Experte.
Die Befürchtungen des Marktes, eine mögliche Kapitalerhöhung werde den Gewinn je Aktie durch die neuen Papiere deutlich verwässern, teilt der Analyst so nicht. Solange sich die Kapitalerhöhung in einem Bereich von zwei bis drei Milliarden Euro bewege, ist dies aus Sicht des Experten nicht "sonderlich gravierend".
LRP sieht Aktie als günstig bewertet an
Eine Kapitalerhöhung in genannter Höhe sei im Vergleich zur derzeitigen Marktkapitalisierung der Münchener Rück von rund 18 Milliarden Euro noch ein "relativ überschaubarer" Betrag. Überdies sieht der Analyst die Aktie mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2004 von derzeit knapp neun immer noch als vergleichsweise günstig bewertet an. Daran werde auch ein sich in Grenzen haltender Verwässerungseffekt nicht viel ändern. "Deshalb sehen wir eine mögliche Kapitalerhöhung in dieser Größenordnung nicht als Damoklesschwert über der Aktie", sagt Schmitt.
Auf mittlere Sicht dürften die operativen Fortschritte, die die Münchener Rück im zurückliegenden zweiten Quartal erzielen konnte, wieder in den Fokus der Investoren rücken. Vor diesem Hintergrund bewertet der Experte die Aktie unverändert als "Outperformer". Frank Stoffel von der WestLB stuft den Wert derzeit mit "neutral" ein und taxiert das Kursziel auf 95 Euro.
Münchener Rück genießt einen guten Ruf
Wie die WestLB geht auch die Landesbank Rheinland-Pfalz davon aus, dass das Geschäft der Münchener Rück infolge der Abstufung durch S&P nicht nachhaltig belastet werde. Das Rating sei nicht der allein ausschlaggebende Faktor für eine Kundenbeziehung. Die Münchener Rück genieße einen guten Ruf unter den Erstversicherern.
Zudem habe der renommierte Versicherungsmakler Aon auf dem Branchentreffen in Monte Carlo in dieser Woche signalisiert, dass er durch das Downgrade keine Verschlechterung für den weltgrößten Rückversicherer erwarte.