Die Steuer-Kolumne Investition in die Zukunft
Mit den horrend hohen Arbeitslosenzahlen geht eine andere Schreckensmeldung einher: Der Mangel an Lehrstellen. Derzeit dürften noch zwischen 160.000 bis 170.000 junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sein.
Neben der menschlichen Tragödie, die eine erfolglose Suche für den Einzelnen darstellt, ist dies auch ein gesellschaftliches Problem. Wir brauchen gut ausgebildete Menschen, um im immer härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können.
Hinzu kommt ein anderes Problem: Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Menschen ohne Berufsausbildung zu den Ersten gehören, die arbeitslos werden. So wurde 2002 vom Bundesinstitut für Berufsausbildung ermittelt, dass fast 25 Prozent der Nicht-Ausgebildeten mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatten, während es bei denen mit abgeschlossener Ausbildung nur knapp sechs Prozent waren.
Fehlende Ausbildung schafft Arbeitslosigkeit
Damit verbinden sich hier zwei Probleme: Zu geringe Ausbildungszahlen führen dazu, dass wir in absehbarer Zeit einen Mangel an Fachkräften haben werden, die wir in der Wirtschaft brauchen, um diese in Schwung zu bringen und dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Gleichzeitig wird es immer schwerer, die Arbeitslosenzahlen zu senken. Von der menschlichen Problematik einmal abgesehen, geht es hier auch mittel- und langfristig um Kostenfaktoren, die unsere Sozialsysteme nicht mehr verkraften können.
Dass wir eine gute Ausbildung brauchen, dürfte auch den Unternehmen klar sein. Lehrlinge einzustellen, muss durchaus keine soziale Tat sein. Es ist auch eine Investition in den Fortbestand des eigenen Unternehmens. Darum stellt sich die Frage, warum die Unternehmen nicht ausbilden wollen.
Es kann sich dabei nicht immer um eine Kostenfrage handeln. Denn immer mehr "gesunde" Unternehmen, die sich eine qualifizierte Ausbildung leisten können, verabschieden sich aus dem Kreis der Lehrstellenanbieter. Die Gründe müssen also in anderen Bereichen zu finden sein.
Betriebliche und schulische Ausbildung
Ein Grund dürfte sicherlich sein, dass die schulische Vorbildung nur wenig Rücksicht auf die Anforderungen in der betrieblichen Ausbildung nimmt. Die Pisa-Studie hat belegt, dass unsere schulische Ausbildung dem europäischen Standard nicht gewachsen ist. Hier müssen grundlegende Reformen der Lehrinhalte herbei.
In den Betrieben stellt man immer wieder fest, dass es nicht nur an Grundlagen in der deutschen Sprache und in Mathematik mangelt. Darüber hinaus fehlt es auch oft am Verständnis logischer Zusammenhänge.
In unserem Schulsystem muss ein Weg gefunden werden, in dem genauso konzentriert auf eine betriebliche Ausbildung vorbereitet wird, wie es beispielsweise am Gymnasium für ein Studium getan wird. Es kann nicht Aufgabe der praktischen, betrieblichen Ausbildung sein, hier vorhandene Defizite auszugleichen. Es ist Aufgabe der Kultusministerien, für eine engere Verzahnung zu sorgen.
Auch Unternehmer haben Pflichten
Angebot an Lehrberufen
Gerade in der jetzigen Situation findet die Debatte, ob die Inhalte unserer Lehrberufe richtig sind, neue Nahrung. Dabei werden gerne "Ausbildungsberufe mit weniger komplexen Anforderungen" gefordert. Diese sollten mit einer Lehrzeit von zwei Jahren erlernbar sein.
Kann man über die Länge der Ausbildungszeit (mit der wir in Europa zur Spitzengruppe gehören) noch diskutieren, so ist die Forderung nach Ausbildungsberufen mit einem "kleineren" Anforderungsprofil doch äußerst gefährlich. Hier besteht die Gefahr, eine "Lehre zweiter Klasse" einzuführen. Dies würde aber unsere Probleme auf Dauer nicht lösen, sondern eher noch verstärken.
Überzeugen statt strafen
Dass in der desolaten Lehrstellensituation immer wieder der Ruf nach einer Ausbildungsabgabe laut wird, die von ausbildungsfähigen aber nicht ausbildungswilligen Unternehmen gezahlt werden soll, ist nicht verwunderlich.
Doch haben wir wirklich etwas davon, wenn Unternehmen Ausbildungsplätze schaffen, nur um an der Zahlung von Abgaben herumzukommen? Wir dürfen das quantitative Problem (zu wenig Lehrstellen) nicht durch ein qualitatives Problem (schlechte Ausbildung) ersetzen. Wer aber nur, um Geld zu sparen, "ausbildet", wird die jungen Menschen in den meisten Fällen als billige Arbeitskräfte von heute einstufen (wobei sie so billig gar nicht mehr sind) und wohl kaum noch in die Ausbildung investieren.
Ausbildende Unternehmen müssen gefördert werden
Es gilt also, die ausbildungsfähigen Unternehmen zu überzeugen, dass sie sich selbst helfen, wenn sie jungen Menschen eine Chance geben. Zusätzlich müssen ausbildende Unternehmen gefördert werden. Beispielsweise könnten Seminare, die zur Ergänzung der Ausbildung notwendig werden, staatlich finanziert oder zumindest subventioniert werden.
Was die Ankündigung von Zwangsgeldern auslösen kann, hat Handwerkspräsident Dieter Philipp in einem Zeitungsinterview auf den Punkt gebracht: "Die wiederholten Drohungen ... führen dazu, dass sich Betriebe bei Ausbildungsplätzen zunehmend zurückhalten, weil sie mit finanzieller Unterstützung rechnen." Das sieht Arbeitsminister Wolfgang Clement wohl genauso. Er wendet sich ebenfalls gegen gesetzliche Vorgaben und Abgaben.
Auch Unternehmer haben Pflichten
Es muss aber gleichzeitig einmal deutlich gesagt werden, dass auch Unternehmer Verpflichtungen haben. Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, werden sie beispielsweise die Gewinner der Krankenkassen-Reform sein, um nur eine der Entlastungen zu nennen.
Eine Senkung der Lohnkosten war auch dringend notwendig, um die Konkurrenzfähigkeit auf dem internationalen Markt zu erhalten. In Bezug auf Lehrstellen sind aber die Unternehmen in der Pflicht - auch aus eigenem Interesse.
Info zu Leonardo da Vinci II
Tipp für Ausbildungsbetriebe: Leonardo da Vinci II
Auch Auszubildende müssen lernen, europäisch zu denken. Aus diesem Grunde hat die EU-Kommission ein Förderprogramm aufgelegt, das zeitweise eine Verlagerung der Ausbildung ins europäische Ausland ermöglicht. Die Anträge hierzu können nur von Berufsschulen, Betrieben und außer- oder überbetrieblichen Einrichtungen gestellt werden.
Es werden Aufenthalte zwischen drei Wochen und neun Monaten gefördert. Außerdem werden Reisekosten und Stipendien zwischen 400 Euro für drei Wochen und 5000 Euro für langfristige Aufenthalte gewährt.
Zusätzlich können die Antragsteller eine Verwaltungskostenpauschale erhalten. Nähere Informationen zu diesem Modell finden Sie auf der Homepage der Carl Duisberg Gesellschaft unter http://www.cdg.de/home11.htm.