Thilenius-Kolumne
Die Citigroup-Aktie nach dem Machtwechsel
Der Machtwechsel an der Spitze des weltgrößten Finanzdienstleisters ist vollzogen. Die Märkte reagieren mitunter skeptisch, wenn Führungslegenden die Geschicke eines Konzerns in neue Hände legen. Bei der Citigroup könnte sich das ganz anders entwickeln.
Die Citigroup ist der größte Finanzdienstleister der Welt. Die Angebote reichen von Versicherungen über Kreditkarten und Unternehmenskredite bis hin zu Börsengängen und Vermögensverwaltung. Die heutige Größe der Citigroup ist ganz wesentlich das Werk des langjährigen charismatischen Vorstandschefs Sanford ("Sandy") I. Weill.
Dieser "Sandy" Weill erreicht demnächst die Altersgrenze von 70 Jahren. Nachfolger wird Charles Prince, der bereits seit vielen Jahren im Unternehmen tätig ist. Als kleines Abschiedsgeschenk hat Weill die Dividende um 75 Prozent erhöht. Im letzten Jahr seiner Amtszeit erwirtschaftete der Konzern im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 15,3 Milliarden Dollar.
Die Kariere von Weill hat jedoch nicht nur Licht-, sondern auch Schattenseiten - gerade in der jüngsten Zeit. Die Citigroup war an führender Stelle in die Skandale um Enron und Worldcom verwickelt. Auch in der Diskussion der Interessenkonflikte von Wertpapieranalysten spielte das Unternehmen nicht immer eine glückliche Rolle. Diese Probleme scheinen jetzt bereinigt zu sein. Die Citigroup-Tochter Salomon Smith Barney musste unlängst insgesamt 400 Millionen Dollar Strafe an die amerikanische Börsenaufsicht SEC bezahlen.
Jenseits dieser Schattenseiten lässt sich die Erfolgsgeschichte der Citigroup gut am Börsenkurs ablesen. Während der US-Bankenkrise kostete das Papier zeitweise nur zwei Dollar. Derzeit notiert die Aktie über 40 Dollar. Der Kurs hat sich also in etwas mehr als zehn Jahren verzwanzigfacht. Es lohnt sich eben, bei Qualitätsunternehmen auf dem Höhepunkt von Krisen zuzugreifen.
Wer sich in der gegenwärtigen Krise für die Versicherungen interessiert, sollte dieses Beispiel im Hinterkopf behalten. Allianz, Münchener Rück, Axa und Aegon - um nur einige zu nennen - sind heute in einer ähnlich schwierigen Lage wie die amerikanischen Banken vor etwas über zehn Jahren.
Nun ist die Frage, wie der Investor auf den Führungswechsel bei der Citigroup reagieren soll. Da die Führungspersönlichkeiten in den Vereinigten Staaten eine wesentlich stärkere Stellung haben als bei uns und die Unternehmen stärker prägen, gehen sehr oft überragende unternehmerische Leistungen ganz wesentlich auf das Konto einer Führungsfigur. An dieser sensiblen Nahtstelle könnten die Probleme beginnen.
Nicht jeder Führungswechsel bekam der Aktie
General Electric hat unter der Führung von Jack Welch nahezu 20 Jahre eine große Erfolgsgeschichte geschrieben. Seit dem Führungswechsel vor zwei Jahren hat sich der Kurs der Aktie allerdings halbiert. Welchs Nachfolger Jeffrey Immelt mag ein sehr fähiger Mann sein, hat aber unter der US-Rezession und verschiedenen unternehmensinternen Problemen wie dem schwachen Kraftwerksgeschäft zu leiden.
Eine ähnliche Unternehmerlegende war Alfed Zeien, der langjährige Chef von Gillette. Zeien hatte den Hersteller von Rasierapparaten und anderen Konsumentenprodukten in mehr als zehnjähriger Vorstandstätigkeit zum globalen Unternehmen und Weltführer in seinen Märkten ausgebaut. Mit seinem Abgang sank der Aktienkurs und hat sich bis heute trotz eines sehr fähigen neuen Managers nicht wesentlich erholt.
Nun ist die Frage, ob den Aktionären der Citigroup das gleiche Schicksal droht, und ob sie ihre Papiere verkaufen oder gar zukaufen sollten.
Die Gefahr eines deutlichen Kursrückgangs bei der Citigroup-Aktie infolge des Führungswechsels ist nicht so groß wie bei anderen Unternehmen, da Geld ein austauschbares Commodity-Produkt ist. Die Verteilung indes ist ein spezielles Geschäft, anders als das Geschäft mit Rasierapparaten und Kraftwerksturbinen.
Die Citigroup ist an hervorragender Stelle vertreten und dürfte ihre Ertragsstärke aufgrund der Breite und Solidität ihres Managements auch unter einem neuen Chef behalten, der vielleicht weniger charismatisch als der Vorgänger ist. Investoren sollten sich hier keine Sorgen machen.
Wer die Citigroup-Aktie noch nicht besitzt, kann - auch aufgrund der starken Position der Bank in Entwicklungs- und Schwellenländern - einen langfristigen Kauf überlegen. Die Bewertung ist günstig: das Kurs-Gewinn-Verhältnis für den im Jahr 2004 zu erwartenden Gewinn beträgt zwölf. Die Citigroup hat kontinuierliche Steigerungen im Gewinn pro Aktie von 17 Prozent im Schnitt der vergangenen fünf Jahre vorzuweisen. Die Bewertungskennziffern sind günstig und der langfristige Ausblick für die Branche der Finanzdienstleister ist es auch.
Hier kann sich der Investor trotz des Führungswechsel langfristig engagieren oder engagiert bleiben.