Die "Bürgerversicherung" als Heilmittel für unser sieches Gesundheitssystem? Wir haben es nicht besser verdient. Nein, wir wollen es gar nicht anders. Nichts kann uns Bürger Deutschlands offenbar davon abhalten, uns mündig selbst zu entmündigen.
"Bürgerversicherung"! Wie schön das klingt! Irgendwie so mündig und gleichzeitig auch irgendwie so sicher. So gutbürgerlich und heimelig. So basisdemokratisch, im Einklang mit unseren Mitbürgern und auch irgendwie mit uns selbst (wobei wir angemessenerweise, wenn wir uns schon in der Erkundung unserer Seelenlandschaften semantisch hinterfragen, annehmen wollen, dass auch Bürgerinnen ihren Anteil an künftig sichererer Sicherheit haben werden).
Derart stimuliert und mit warmen, autosuggestiven Schauern bürgermenschlicher Solidargemeinschaftlichkeit berieselt, erkennen wir auch sofort, dass unsere erste Bürgerpflicht die Ruhe ist. Die Ruhe und - das Zahlen. Ruhig zahlen - das können wir, das wollen wir, das werden wir.
Sollen doch die ewigen Bürgerschreck-Neoliberalen, diese unverbesserlichen, marktgläubigen Marktschreier, so oft behaupten wie sie wollen, dass eine "Bürgerversicherung" ein Irrweg ist, ein Weg in Bürger-Entmündigung, ein sich selbst nährender, ohne Maß immer weiter wachsender, bürgerfressender Zwangsverwaltungs- und Kosten-Moloch, ein Loch ohne Boden.
Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, die wir gern erfüllen. Weil wir entmündigt sein wollen, weil wir eigene Entscheidungen und Verantwortung nicht mögen, weil andere genauso viel zahlen sollen oder - noch besser - mehr als wir selbst.
Niemals würden wir weniger zahlen wollen, wenn andere vielleicht noch weniger abdrücken müssten. So kann uns, Bürger Deutschlands, nichts davon abhalten, uns mündig selbst zu entmündigen.
Falls sich an dieser Stelle noch immer irgend jemand fragt, warum Deutschland und die deutsche Wirtschaft in internationalen Wettbewerbsvergleichen immer stärker an Boden verlieren, warum Ausländer sich mit Investitionen und Finanzanlagen in Deutschland immer mehr zurückhalten, hier ist die vorläufig letzte Antwort: Weil wir es offenbar so wollen.
Anders ist nicht zu erklären, warum Vorstellungen von einer "Bürgerversicherung" als Heilmittel zur Überwindung der akuten Krise des staatlichen Gesundheitssystems nicht zumindest mit einem lauten, öffentlichen Schmerzensschrei quittiert werden.
Möglicherweise ist die autosuggestive Kraft der Realitätsverdrängung so groß, dass die dabei ausgeschütteten körpereigenen Endorphine des deutschen Bürgers Schmerz beseitigen. Um so besser - Schmerzmittel werden bald sowieso nicht mehr erstattet werden können. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.