Mannheimer "Die Branche kann sich eine Pleite nicht leisten"

Die Versicherungswirtschaft schreckt vor einer notwendigen Bereinigung des Marktes zurück. Notgedrungen will sie erneut einem Lebensversicherer unter die Arme greifen. Wie es mit der Mannheimer weiter geht, ist allerdings noch unklar.

Berlin/Mannheim - Zähneknirschend, aber ohne wirkliche Alternative wird die deutsche Versicherungswirtschaft aller Voraussicht nach in einer konzertierten Aktion die Mannheimer-Gruppe vor der Insolvenz retten.

Mit rund 370 Millionen Euro wolle die Branche das finanziell schwer angeschlagene Unternehmen unterstützen, berichtet die "Financial Times Deutschland" am Mittwoch aus Kreisen eines Krisengipfels von Vertretern der Versicherungswirtschaft. Das sind rund 70 Millionen Euro mehr als der zuletzt von dem Unternehmen selbst bezifferte Kapitalbedarf.

Keine offizielle Bestätigung

Sprecher der Mannheimer Holding, des Gesamtverbands der Deutschen Versichungswirtschaft (GDV) sowie des Großaktionärs Uniqa (12,9 Prozent) wollten den Bericht gegenüber manager-magazin.de nicht kommentieren.

"Wir haben darüber keine Informationen", erklärte etwa Peter Swienczek von der Mannheimer Versicherung. Ihre Zurückhaltung begründeten die Sprecher auch damit, dass die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) noch nicht den bereits einmal modifizierten Sanierungsplan der Mannheimer abgesegnet habe. Auch wolle man einem Treffen des GDV-Chefs Bernd Michaels mit BaFin-Präsident Jochen Sanio an diesem Freitag nicht vorgreifen.

"Branche kann sich eine Pleite nicht leisten"

"Die Branche kann sich weder einen Zerfall der Mannheimer leisten noch dass die Mannheimer Leben ein Fall für die Auffanggesellschaft Protektor wird. Der Imageverlust wäre viel zu groß", sagte Analyst und Chefredakteur des Branchendienstes "map-report" im Gespräch mit manager-magazin.de. Deshalb gehe er davon aus, dass genügend Geld zusammengetragen werde, um den Fortbestand der Mannheimer - ob nun selbständig oder unter dem Dach eines anderen Versicherers - zu gewährleisten.

Sollte die Finanzaufsicht dem neuen Rettungsplan nicht zustimmen, müsste die BaFin einen Sonderbeauftragten einsetzen und einen eigenen Sanierungsplan erarbeiten, sagte eine Sprecherin des GDV am Mittwoch. Fände sich auch dann kein rettender Investor, sei die Mannheimer endgültig ein Fall für die Auffanggesellschaft Protektor.

Branche eilte bereits zweimal zur Hilfe

So weit wird es die Branche aber wohl nicht kommen lassen. Dafür sprechen nicht zuletzt die Fälle der "Familienfürsorge" und der Hannoverschen Lebensversicherung. Im vergangenen Jahr war die kirchliche "Familienfürsorge" in arge finanzielle Schieflage geraten.

Die Huk Coburg erbarmte sich schließlich der Gruppe und schoss Millionen zu. Im Gegenzug erhielt die Huk Coburg eine Beteiligung an der Holding der Kirchen-Versicherer.

Fatale Anlagepolitik

Hannover Leben: Fusion mit Versicherungsgruppe VHV

Die ebenfalls durch die Krise der Kapitalmärkte stark getroffene Hannoversche Leben wird sich durch eine Fusion mit der Versicherungsgruppe VHV aus der Krise retten können. Der Zusammenschluss soll bis September abgeschlossen sein, bedarf allerdings noch der Zustimmung der Finanzaufsicht sowie des Bundeskartellamtes.

Auch die Mannheimer war infolge einer falschen Anlagepolitik vor allem ihres erst am vergangenen Freitag zurückgetretenen Vorstandschefs Hans Schreiber in höchste Not geraten. Im ersten Quartal dieses Jahres hat sich der Konzernfehlbetrag auf rund 67 Millionen Euro erhöht.

Das Unternehmen schiebt rund 240 Millionen Euro an stillen Lasten auf Aktienbestände vor sich her. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG machten den Fortbestand des Konzerns unlängst davon abhängig, ob er seine Probleme mit den stillen Lasten künftig in den Griff bekommt.

Zur Rettung der Mannheimer sollen die deutschen Lebensversicherer dem Bericht zufolge nun entsprechend des Anteils ihrer Kapitalanlagen an denen des Gesamtmarktes zahlen. Rund 130 Millionen Euro sollen aus einer Kapitalerhöhung mit Kapitalschnitt kommen. Als Folge wären die Aktionäre fast enteignet, wenn sie nicht selbst frisches Geld einschießen.

Heftiges Ringen hinter den Kulissen

Der größte Teil der restlichen 240 Millionen Euro soll aus der Ausgabe von Genussscheinkapital stammen. Zudem sei immer noch eine Vorfinanzierung künftiger Gewinne aus der Lebensversicherung auf dem Weg der Rückversicherung im Gespräch.

Bei der angestrebten Finanzierung war nach Presseberichten der vergangenen Tage hinter den Kulissen offenbar hart gerungen worden. Ursprünglich sollte der Anteil der Rückversicherungskomponente rund 170 Millionen Euro betragen haben.

Im Gespräch mit manager-magazin.de hatten Analysten dieser Variante allerdings wenig Chancen eingeräumt. "Die Mannheimer steht seit einem Jahr negativ in der Presse. Und jetzt schon Gewinne zu verkaufen auf ein Neugeschäft, das man noch gar nicht gemacht hat, halte ich für eine äußerst problematische Methode", sagte Volker Kudszus von WestLB Panmure.

Künftige Struktur ist ungewiss

BaFin lehnte das ursprüngliche Sanierungskonzept ab

Vor diesem Hintergrund habe die BaFin das ursprüngliche Sanierungskonzept auch abgelehnt. Sie wollte mehr Kapital sehen. Die Aktionäre wiederum wollten so wenig Geld wie möglich in die Mannheimer einbringen. Die überwiegende Finanzierung des Kapitalbedarfs über Genusscheine hätte folgende Vorteile. Die Mannheimer könne die Bedienung von Genusskapital steuerlich als Aufwand geltend machen.

Die Investoren könnten bei dieser Variante ihr Geld schneller zurückerhalten als dies ausschließlich bei Aktien der Fall ist. Und für die Finanzaufsicht wäre es ein Sicherheitskapital, das der Mannheimer zumindest bis zu einem Kündigungstermin zur Verfügung stünde, analysierte unlängst das Handelsblatt.

Struktur des Konzerns bleibt offen

Ob dies letztlich alles auch so umgesetzt wird, muss bis zur Entscheidung der BaFin offen bleiben. Fraglich ist auch die zukünftige Struktur des Konzerns. Das Neugeschäft im Bereich der Kapital-Lebensversicherung hat das Unternehmen bereits eingestellt.

Die Rating-Agentur Standard & Poor's hat unlängst das Rating für die Mannheimer Lebensversicherung von "B" auf "CCC" herabgesetzt. Die Sparte Krankenversicherung gilt zwar als wachstumsstark, aber in Konkurrenz zu den anderen Anbietern immer noch zu klein.

Experte sieht noch viele Fragezeichen

Der Bereich Sachversicherungen gilt als das eigentliche Herzstück der Mannheimer. Diese Sparte hat sich unter Federführung von Lothar Stöckbauer, der nach Schreiber zum neuen Vorstandschef berufen worden ist, mit erstklassigen Produkten zudem für eine zahlungskräftige Klientel einen Namen gemacht. Nach Ansicht von Versicherungsanalysten sollte die Mannheimer vor allem diesen Bereich weiter ausbauen.

Analyst Jochen Schmitt von der Landesbank Rheinland-Pfalz beließ am Mittwoch trotz des angeblichen Schulterschlusses der Versicherungsbranche das Rating der Mannheimer auf "Underperformer". Auch wenn ein Rettungskonzept im Interesse der gesamten Branche liegen dürfte, gebe es allerdings noch eine ganze Reihe ungeklärter Fragen.

Mannheimer als Gewinner?

Neben der Art der Kapitalzufuhr sei auch die Höhe der zuzuführenden Mittel unklar. Zudem sei selbst im Falle einer Rettung völlig ungewiss und kaum einzuschätzen, wie sich ein derartiges Prozedere auf die Altaktionäre auswirken könnte. Zwar werde die Zusage einer massiven Kapitalspritze den Fortbestand des Konzerns sichern.

"Nach unserem Dafürhalten ist jedoch nicht davon auszugehen, dass bezogen auf das aktuelle Kursniveau die Aktionäre der Mannheimer als Gewinner aus dieser Sanierung hervorgehen", schrieb der Analyst am Mittwoch.

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