Infineon Aktie stürzt nach Wandelanleihe ab
München/Hamburg - Infineon kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Nachdem in den vergangenen Tagen über drastische Sparmaßnahmen und eine Verlegung der Konzernzentrale ins Ausland spekuliert wurde, überraschte der Dax-Konzern am Mittwoch einer Wandelanleihe. Die über die niederländische Tochter Infineon Technologies Holding erfolgreich platzierte Anleihe habe dem Unternehmen rund 700 Millionen Euro eingebracht, hieß es in einer Mitteilung.
Am Aktienmarkt wurde die Nachricht mit Erstaunen aufgenommen. Schließlich hatte der Münchener Chiphersteller erst in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass er solide finanziert sei.
Der Erlös aus der Emission soll dazu genutzt werden, die finanzielle Position zu stärken. Eine größere Akquisition sei nach Angaben eines Unternehmenssprechers jedoch nicht geplant. Angesichts der zurzeit niedrigen Zinsen und hohen Aktienkursschwankungen seien die Finanzierungsbedingungen für Wandelanleihen jetzt günstig.
Die Börse reagierte auf die Nachricht mit einem massiven Kursabschlag. Am Vormittag notierte die Infineon-Aktie rund sieben Prozent schwächer auf 6,52 Euro. Noch vor einem Jahr kostete das Papier mehr als 20 Euro.
Lob von Analysten
Trotz der herben Verluste am Aktienmarkt ist die Wandelanleihe von Analysten begrüßt worden. Die angekündigten Maßnahmen gehen nach Ansicht von Thomas Hofmann, Experte der Landesbank Rheinland-Pfalz, in die richtige Richtung.
Oliver Drebing von SES Research nannte die Emission sinnvoll, auch wenn "wir derzeit keine konkrete Notwendigkeit für eine zusätzliche Finanzierung ausmachen können". Infineon nutze die derzeit günstige Marktsituation um an zusätzliche Liquidität zu gelangen. Sollte eine gute Akquisitionsmöglichkeit erkannt werden, hätte das Unternehmen nun den nötigen Spielraum.
Für das operative Geschäft braucht die frühere Siemens-Tochter zumindest kein frisches Kapital. Bei einer Nettoverschuldung von minus 266 Millionen Euro hatte die Liquidität zum 31. März SES-Angaben zufolge noch 1,475 Milliarden Euro betragen. Allerdings mache die Abhängigkeit von der Entwicklung des Halbleitermarktes eine genauere Eingrenzung des zukünftigen Zahlungsmittelbedarfs schwierig. Für das laufende Halbjahr wird ein Netto-Cash-Verbrauch von 400 Millionen Euro prognostiziert.
Rund zehn Prozent Anteil am Grundkapital
Die Anleihe ist nach Angaben von Infineon wandelbar in bis zu 69 Millionen Aktien des Unternehmens, was bei derzeit 721 Millionen ausstehenden Aktien einem Anteil am Grundkapital von rund 9,6 Prozent entspräche. Die Wandelanleihe kann - nach Maßgabe von Infineon - in bar sowie in einer Bar-/Aktien-Kombination zurückgezahlt werden. In den ersten drei Jahren ist das Papier nicht kündbar.
Aus dem Kreis der Konsortialführer Morgan Stanley und Goldman Sachs verlautete, der Wandelpreis enthalte einen Aufschlag von 46 Prozent auf den Schlusskurs der Infineon-Aktie am Dienstag.
Massiver Stellenabbau geplant
Massiver Stellenabbau geplant
Erst am Dienstag hat Infineon angekündigt, rund 900 weitere Stellen abzubauen, die meisten davon in Deutschland. "Wir müssen wieder ein positives Ergebnis machen", sagte Firmenchef Ulrich Schumacher. Der Konzern könne mindestens 500 Millionen Euro zusätzlich einsparen. Dazu ziehe die Sparte Automobil- und Industrieelektronik komplett ins österreichische Villach. Die Verlagerung des Konzernsitzes von München ins Ausland werde noch geprüft.
Laut Schumacher werden die Arbeitsplätze in den nächsten Monaten gestrichen. 500 Stellen fallen in Zentralfunktionen weg. 150 Jobs werden in der Sparte Sichere Mobile Lösungen abgebaut, vorwiegend in Schweden.
5000 Stellen wurden bereits abgebaut
Durch Verlagerungen und Ausgliederungen spart Infineon weltweit etwa 250 Stellen ein, einige davon in der Zentrale in München. Infineon hatte in der Vergangenheit bereits 5000 Stellen abgebaut. Der Konzern beschäftigt weltweit mehr als 31.000 Mitarbeiter.
Schumacher sagte, der Konzern müsse auf die anhaltende Krise am Halbleitermarkt reagieren. Der Personalabbau sei bitter, der verschärfte Sparkurs sichere aber die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Der Großteil der Einsparungen wird laut Schumacher auf das kommende Jahr entfallen. Infineon hatte in den vergangen zwei Jahren Milliardenverluste aufgehäuft.
Weitere Dezentralisierung wird geprüft
Die Leitung der Ertragssparte Automobil- und Industrieelektronik wird laut Schumacher künftig von Villach aus erfolgen, wo bereits der Großteil der Fertigung angesiedelt ist. 70 bis 80 Mitarbeiter würden verlegt. Der Umzug helfe Infineon, "von der Nummer zwei weltweit zur Nummer eins in diesem Bereich aufzusteigen".
Aus Österreich ließen sich Italien, Tschechien und Osteuropa besser bedienen. Auch in anderen Geschäftsbereichen wird laut Schumacher eine Dezentralisierung geprüft.
Wohin zieht die Zentrale?
Zum viel diskutierten Umzug der Konzernzentrale ins Ausland sagte Schumacher: "Es gibt noch keine Entscheidung." Derzeit würden vier bis fünf Standorte in Europa, USA und Asien geprüft. Unter den europäischen Kandidaten sei die Schweiz die beste Möglichkeit. Zum Ende des Geschäftsjahrs am 30. September soll eine Entscheidung fallen.
Von einem Umzug wären in Deutschland maximal 120 bis 150 von insgesamt 16.000 Mitarbeitern betroffen, betonte Schumacher. "Es ist nicht beabsichtigt oder geplant, Forschung und Produktion aus Deutschland abzuziehen."
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