Skandal-Analysen SEC spricht von Betrug
New York - Lange hatten die Märkte auf diesen Tag gewartet. Und aus Sicht von Marktbeobachtern begann er mit einem Paukenschlag. Die amerikanische Wertpapieraufsicht SEC hat die ehemaligen Staranalysten Henry Blodget (Merrill Lynch) und Jack Grubman (Salomon Smith Barney) unter anderem wegen gefälschter Aktienanalysen zu Millionenstrafen verurteilt. Zugleich beendete die SEC den größten Skandal der Wall Street mit einem Vergleich. Die zehn betroffenen US-Investmentbanken selbst müssen insgesamt 1,4 Milliarden Dollar Strafe zahlen.
Deutsche Bank schließt eigenen Vergleich ab
Die Untersuchungen gegen einzelne Personen gehen aber weiter, teilte der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer mit. Die SEC und die Strafverfolgungsbehörden hatten auch gegen die Deutsche Bank ermittelt. Die Bank wird nach eigenen Angaben vom Dienstag einen eigenen Vergleich mit der SEC abschließen, da sie noch Unterlagen nachliefern muss, die die amerikanische Wertpapieraufsicht angefordert hat.
Die Gesamtsumme des Vergleichs von 1,4 Milliarden Dollar ist die höchste in der Geschichte der Wall Street. Über sie hatten sich die Aufsichtsbehörden bereits vergangenen Dezember geeinigt. Alle Banken hatten sich zu einer strikten Trennung zwischen Investmentbanking und Aktien-Research verpflichtet und einer Reform der Aktienanalyse zugestimmt.
"Diese Fälle sind ein wichtiger Meilenstein in unseren Bemühungen, die schweren Missbräuche anzugehen, die in unseren Märkten stattgefunden haben, das Vertrauen der Investoren wieder herzustellen, und sicher zu stellen, dass dies in Zukunft nicht wieder vorkommt", sagte SEC-Chef William Donaldson.
Hintergrund der Ermittlungen sind Vorwürfe, Analysten hätten übertrieben positive Aktienempfehlungen abgegeben, um zusätzliche Geschäfte für die Investment-Sparten ihrer Arbeitgeber zu generieren.
SEC spricht von "betrügerischen Aktienanalysen"
Die SEC hat den Investmentbanken Credit Suisse First Boston, Merrill Lynch und der zur Citigroup gehörenden Salomon Smith Barney vorgeworfen, betrügerische Aktienanalysen vorgelegt zu haben. Damit hätten die betroffenen Banken während des Bullenmarktes für Internet- und Technologiewerte Ende der neunziger Jahre gegen bestehende Gesetze verstoßen, teilte die SEC als Ergebnis ihrer Ermittlungen in Washington mit.
Banken droht eine Flut von Klagen
Die einzelnen Verhandlungen über den Vergleich hatten sich wegen des Gerangels um die Sprachregelung und die Veröffentlichung der internen Dokumente lange hingezogen. Die betroffenen Banken haben wie erwartet keine Schuldeingeständnisse abgegeben. Gleichwohl haben die Formulierungen der SEC und die Dokumente eine große Bedeutung, weil sich auf ihnen Klagen von Privatanlegern stützen werden. Branchenkenner erwarten nach dem Vergleich nun eine Flut von Klagen gegen Banken und einzelne Analysten. Mehrere Sammelklagen sind bereits anhängig und von dem Vergleich unberührt.
Fehlverhalten wurde den betroffenen Banken indes auch bei der Zuteilungspraxis bei Börsengängen vorgehalten
Auch ehemalige Star-Analysten müssen zahlen
SEC bittet ehemalige Star-Analysten zur Kasse
Dem früheren Merrill-Lynch-Analysten Henry Blodget soll eine Geldstrafe von vier Millionen US-Dollar auferlegt werden. Blodget wurde beschuldigt, maßgeblich zum "Internet-Bubble" der neunziger Jahre beigetragen zu haben.
Jack Grubman von Solomon Smith Barney soll 15 Millionen Dollar zahlen. Den Vorwürfen zufolge hatte Citigroup-Chef Weill seinen Analysten Grubman zur Hochstufung von AT&T bewegt, um die Geschäftsbeziehungen zu der Telefongesellschaft nicht zu belasten. Beide Analysten sind mit einem lebenslangen Berufsverbot an der Wall Street belegt worden.
Frank Quattrone sitzt in Haft
In einem abgetrennten Verfahren wurde in der vergangenen Woche Frank Quattrone (CSFB) verhaftet und wegen Behinderung der Justiz angeklagt. Quattrone soll elektronisch gespeicherte Daten und Nachrichten vernichtet haben. Die Ermittler hatten sich von diesen Daten Aufschluss über unfaire Praktiken bei der Zuteilung von Neuemissionen erhofft.
Mary Meeker kann sich halten
Bislang unangetastet blieb die Star-Analystin Mary Meeker von Morgan Stanley. Die New York Post sprach unlängst von einem zumindest symbolischen Sieg, den die Technologie-Analystin deshalb errungen habe. Dabei lag Meeker mit ihren Aktienempfehlungen wohl nicht weniger oft daneben als die beiden anderen Kollegen.
Den entscheidenden Unterschied sehen Beobachter dem Bericht zufolge darin, dass die Ermittler der SEC Meeker offenbar nicht überführen konnten. In ihrem E-Mail-Verkehr hätten sich vermutlich keine der verräterischen und zum Teil sogar beleidigenden Kommentare über Unternehmen finden lassen, wie die Ermittler sie allerdings bei den beiden anderen Kollegen entdeckt hatten. "Vielleicht war Meeker grundsätzlich zurückhaltender und hat sich deshalb auch weniger Ärger eingefangen", zitiert der Bericht John Coffee, einen Rechtsprofessor von der Columbia Universität.
Beobachter unterstellen der Analystin ohnehin eine grundsätzlich "vornehme Natur". Sie sei nach außen nicht prahlerisch aufgetreten wie Blodget und Grubman. Meekers Arbeitgeber Morgan Stanley behauptet, sie sei schlicht ehrlicher. So habe die Investmentbank unter dem wesentlichen Einfluss der Expertin fünf potenzielle Kandidaten doch nicht an die Börse gebracht, obwohl sich das Institut um den Auftrag beworben hatte.
Meeker arbeitet weiter bei Morgan Stanley und kümmert sich um die Überlebenden des einstigen Hightech-Wahns wie Ebay, Amazon.com und AOL Time Warner.
Doch selbst wenn die Analystin jetzt ihre Krallen zeigt, wirkt es aus Sicht von Marktbeobachtern unverändert freundlich. Als sie AOL Time Warner unlängst abstufte schrieb sie in einer Notiz an die Investoren: "Wir können uns nicht an ein anderes Geschäft erinnern, das so viele Möglichkeiten mit einer so großen Kundenbasis geboten hat und das doch so viel verloren hat."
Die ebenfalls beschuldigte Deutsche Bank nahm an dem Vergleich nicht teil, da die Bank bestimmte von den Aufsichtsbehörden angeforderte Dokumente bislang nicht beibringen konnte. Im vergangenen Dezember war die Bank neben anderen Investmenthäusern mit einer Strafe von insgesamt mehr als acht Millionen Dollar belegt worden, weil sie E-Mails nicht ordnungsgemäß archiviert hatte.
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