Konjunktur Deutschland bleibt das Sorgenkind
Paris - Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für die Weltwirtschaft in diesem Jahr kaum mehr Wachstum als im Vorjahr. Besorgt ist der Fonds vor allem über die Schwäche der deutschen Wirtschaft. Der IWF fordert die Europäische Zentralbank (EZB) daher zu weiteren Zinssenkungen auf.
3,2 Prozent Wachstum weltweit erwartet
"Die weltweite Erholung setzt sich 2003 fort, wenn auch vergleichsweise langsam", hieß es in dem am Mittwoch in Washington veröffentlichten Weltwirtschaftsausblick, der den traditionellen Auftakt der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank bildet.
Der IWF erwartet für die Weltwirtschaft 3,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr nach drei Prozent im vorigen Jahr und nimmt dabei einen kurzen Krieg mit begrenzten wirtschaftlichen Folgen an. Dieses optimistische Szenario schien sich am Mittwoch zu bewahrheiten, als die US-Truppen im Zentrum von Bagdad ohne Widerstand die Kontrolle übernahmen und nach drei Wochen Krieg von einem Teil der irakischen Bevölkerung jubelnd empfangen wurden.
Wachstumsaussichten mit Risiken
Während nach Einschätzung des IWF das Wachstum in diesem Jahr in den großen Währungszonen der Welt unter seinem Potenzial liegen wird, sollte sich 2004 der Aufschwung mit einer Rate von 4,1 Prozent durchsetzen. IWF-Chef Horst Köhler hatte erst am Dienstag in einem Interview mit Reuters gesagt, der Irak-Krieg werde die Weltwirtschaft zwar nicht aus der Bahn werfen, aber gewarnt: "Es besteht das Risiko eines schlechteren Ergebnisses."
Die Furcht vor Anschlägen werde noch auf Jahre wie eine Wolke über Investoren und Konsumenten hängen. Der IWF appellierte an die internationale Staatengemeinschaft, die mit dem Irak-Krieg entstandene politische Kluft zu überwinden und diese nicht auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit übergreifen zu lassen, um das Vertrauen in die Wirtschaft wieder aufzubauen.
Auch in diesem Jahr werde das globale Wachstum von den USA angeführt, für die ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,2 (2004: 3,6) Prozent erwartet werde, teilte der IWF weiter mit. Als Gefahren für die US-Wirtschaft führte der Fonds das hohe Defizit der Leistungsbilanz und die mit den Kriegskosten wachsende Staatsverschuldung an, die fünf Prozent des BIP übersteigen könnte. Beides könnte das Wachstum dämpfen. Zudem drohten an den Aktienmärkten weltweit nach der früheren Überbewertung nun gefährliche Übertreibungen nach unten.
IWF besorgt über Deutschland
IWF besorgt über Deutschland
Mit schwacher Binnennachfrage, eingeengter Finanzpolitik und dem aufgewerteten Euro erwartet der Fonds für die Euro-Zone mit 1,1 Prozent nur halb so viel Wachstum wie in den USA.
Die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone, Deutschland, komme 2003 sogar nur auf die Hälfte des Währungsraums mit 0,5 Prozent BIP-Zuwachs. Die Stagnation in Deutschland bleibe Anlass zur Sorge - um so mehr, da eine Wende noch nicht in Sicht sei.
Die Anspannungen der Finanzwirtschaft träten immer deutlicher zu Tage. Der IWF wirft die Frage auf, inwiefern die zurückhaltende Kreditvergabe der Banken zu der Wirtschaftsflaute beigetragen hat. Zwar kommt auch der Fonds nicht zu dem Schluss, dass es eine Kreditklemme gibt, warnt aber: "Diese Probleme könnten mit der Zeit wachsen, besonders wenn sich die Konjunkturerholung verzögert und die Verschlechterung der Unternehmensgewinne nicht umgekehrt wird."
Reformen könnten Wende einleiten
Eine Verabschiedung der angekündigten Arbeitsmarktreformen könne die Wende für die deutsche Wirtschaft sein, hatte IWF-Chef Köhler im Reuters-Interview gesagt. Mit 2,4 Prozent in der Euro-Zone und 1,9 Prozent in Deutschland geht der IWF für 2004 von einer kräftigen Belebung aus.
Weltweit sind mit erwarteten Inflationsraten von zwei Prozent im Schnitt die Preise stabil. Den Notenbanken rät der Fonds deshalb: "Wenn die Unsicherheiten um den Irak-Krieg in nächster Zeit gelöst werden, wäre eine weitere Stimulierung nicht nötig." Anders wäre dies bei einem langwierigen Krieg.
In der Euro-Zone erwartet der IWF eine weitere Lockerung der Geldpolitik. "In der Euro-Zone sollten zusätzliche Zinssenkungen in Betracht gezogen werden, und wären auch notwendig, wenn der Ausblick schwach bleiben und sich der Euro weiter aufwerten sollte." Für den Fall eines langen Krieges könnten Länder mit niedriger Inflation in eine Deflation geraten. Dann wäre eine lockere Geldpolitik die erste "Verteidigungslinie", in der Euro-Zone müsse dann die Konsolidierung der Staatsfinanzen gebremst werden.
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