Die Trinkaus-Kolumne Wird der Lahme wieder gehend?
Im letzten Jahr beschäftigten sich die Analysten im Bereich Technologie einige Zeit lang mit der Frage: Geht Alcatel pleite? Verschwindet die "französische Siemens", wie die Aktie teilweise auch genannt wird, vom Kurszettel?
Der Kurs der Aktie sackte Ende September 2002 bis auf 2,05 Euro ab. Heute notiert die Aktie bei knapp 7 Euro. Ist es das letzte Aufbäumen vor der finalen Notierung oder ein Anzeichen dafür, dass Alcatel wieder frische Lebensgeister verspürt?
Schauen wir uns zunächst die Unternehmenszahlen zum vierten Quartal 2002 noch einmal an. Der Umsatz sank im Vergleich zum Vorjahresquartal um 33,4 Prozent, aber gegenüber dem dritten Quartal 2002 war ein Anstieg um 28 Prozent zu verbuchen. Das operative Ergebnis erreichte 20 Mio. Euro, der Nettoverlust belief sich allerdings auf "stolze" 1,119 Milliarden Euro.
Nettoverlust etwas höher als erwartet
Somit waren die Zahlen wie erwartet ausgefallen, lediglich der Nettoverlust war etwas höher als erwartet. Das Unternehmen gab bekannt, dass mit Hilfe der eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen die Gewinnschwelle schon ab einem Umsatzniveau von 4,1 Milliarden Euro im Quartal erreicht wird.
Anfang 2002 lag dieser Wert noch bei 6 Milliarden Euro. Durch die weiter voranschreitende Reduzierung des Working Capitals war der operative Cash-Flow im sechsten Quartal hintereinander positiv; die Netto-Cash-Position betrug am Jahresende 326 Mio. Euro.
Auf die Ergebnisse der einzelnen Unternehmensbereiche möchte ich gar nicht so im einzelnen eingehen, denn sie zeigen die Vergangenheit. Für das Unternehmen ist aber die Zukunft sehr viel wichtiger, und hier rechnet das Management in 2003 mit einem anhaltend schwachen Marktumfeld und daher mit weiteren Umsatzrückgängen von etwa 15 Prozent.
Zuversichtlich für das operative Break-Even-Ziel
Das ist aber kein Grund zur Panik, denn Alcatel bleibt trotz dieses etwas schwächer als erwarteten Ausblicks zuversichtlich, das operative Break-Even-Ziel für 2003 zu erreichen; auch der Nettogewinn soll sich "vor Jahresende" wieder an der Nullinie bewegen.
Alles in allem kann man in der Tat über die fundamentale Einschätzung von Alcatel trefflich streiten. Fakt bleibt: Auf Grund der abnehmenden Befürchtungen über Liquiditätsengpässe sowie einer Verbesserung des operativen Ergebnisses sollte sich das Sentiment für die Alcatel-Aktie in den kommenden Monaten weiter aufhellen.
Was für Alcatel spricht
Weltweit führende Position im Wachstumsmarkt ADSL
Der im vergangenen Jahr überproportional abgestrafte Titel dürfte sich daher tendenziell sogar besser entwickeln können als die Vergleichsgruppe. Immerhin hat Alcatel die weltweit führende Position im Wachstumsmarkt ADSL (Marktanteil ca. 50 Prozent), in dem der Preisdruck allerdings sehr stark geworden ist. Die Nettoverschuldung ist deutlich gesunken und Liquiditätsengpässe sind eher unwahrscheinlich geworden.
Die durchgreifenden Restrukturierungsmaßnahmen (für Alcatel-Verhältnisse) sollten die Kostenbasis auch 2003 nochmals deutlich verringern, und durch die zuletzt stets über den Erwartungen rangierenden Quartalszahlen hat sich die Kredibilität des Managements wieder verbessert. Belastend wirkt das ca. 40 prozentige Dollar-Exposure und das unverändert schwache US-Marktumfeld, das durch geplante Investitionskürzungen der Netzwerkbetreiber weiter beherrscht wird - aber das sollte in den Zahlen bereits enthalten sein.
Kann das Management genügend Kosten einsparen?
Natürlich bleiben Fragen offen: Kann das Management genügend Kosten einsparen? Wie kann der üblicherweise schwierige Arbeitsplatzabbau in Frankreich vorangetrieben werden?
Wie gesagt: Über Alcatel kann man fundamental trefflich streiten. Wer aber eine Trading-Idee in diesen unsicheren Zeiten sucht, für den ist Alcatel eine gute Alternative. Der Anleger sollte dann aber mit strengen Stop-Loss-Limiten um die 6,40-6,50 Euro arbeiten. Die Aktie hat Restrukturierungsfantasie, aber sie hat auch den "High-Risk"-Faktor.