Die Goldman-Sachs-Kolumne Kluge Reform
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gab am 5. Dezember ein Konzept zur Umstrukturierung der Gremien der EZB bekannt. Eine Änderung ist notwendig, da die Währungsunion wahrscheinlich noch vor Ende des Jahrzehnts um insgesamt 15 Länder wachsen wird.
Bei der derzeitigen Organisationsstruktur der EZB würde dies den Entscheidungsprozess lahm legen, da der EZB-Rat, der einstimmig die Entscheidungen bezüglich der Geldpolitik treffen muss, auf etwa 30 Mitglieder anwachsen würde.
Gegenwärtig ist die EZB in drei Gremien organisiert. Das erste dieser Gremien, das Direktorium, besteht aus sechs Mitgliedern, die von den Staatsoberhäuptern der Euroländer für eine Amtszeit von acht Jahren gewählt werden.
Das zweite Gremium, der EZB-Rat, wird aus den Mitgliedern des Direktoriums und den Vorsitzenden der nationalen Zentralbanken der Mitgliedsländer gebildet.
Ein drittes Gremium, der Erweiterte Rat, besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums und der Vorsitzenden der nationalen Zentralbanken aller EU-Länder, also auch der Länder, die nicht an der Währungsunion beteiligt sind.
Ohne Reformen würde Handlungsunfähigkeit drohen
Während der EZB-Rat die wichtigen Entscheidungen bezüglich Zinspolitik, Wechselkursinterventionen, und Personalfragen trifft, ist das Direktorium für den reibungslosen Ablauf und die Umsetzung der Entscheidungen verantwortlich und übernimmt die Aufgaben der Dokumentation, der Analyse und der Koordination innerhalb des Währungsraumes.
Der Erweiterte Rat hat eine hauptsächlich beratende Funktion und trifft ein paar limitierte Entscheidungen, die beispielsweise die Standardisierung der statistischen Datenerhebung betreffen.
Eine Erweiterung der Währungsunion um 15 Länder würde den EZB-Rat beim derzeitigen Aufbau weitgehend handlungsunfähig machen, da er auf etwa 30 Mitglieder anschwellen würde und die Entscheidungen zur Zinspolitik einstimmig getroffen werden müssen. Eine Umstrukturierung der EZB-Gremien innerhalb der nächsten Jahre war daher zu erwarten, wenn auch nicht so schnell.
Im Rat wird's eng
Zahl der Rats-Mitglieder soll auf 21 steigen
Unserer Ansicht nach sollten die Reformen insbesondere folgende Aufgaben erfüllen: Zum ersten sollte das Präsidium gegenüber den nationalen Zentralbanken gestärkt werden, um eine Übermacht nationaler Interessen zu verhindern. Die wirtschaftliche Situation in den großen Ländern sollte dabei jedoch mit entsprechendem Gewicht im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden.
Außerdem sollte ein häufiger Wechsel der wahlberechtigten Mitglieder vermieden werden, um den Kurs der Geldpolitik stabil und relativ berechenbar zu halten. Gleichzeitig würden wir eine Verkleinerung des EZB-Rates empfehlen, um den Entscheidungsprozess effizienter zu gestalten und die Signale an die Finanzmärkte zu verschärfen. Zu guter Letzt muss die demokratische Verantwortlichkeit für die Bevölkerung der Mitgliedsländer erkennbar bleiben.
Gerechte Verteilung der Stimmrechte
EZB-Präsident Wim Duisenberg gab am 5. Dezember 2002 eine Einigung des EZB-Rates zur Umstrukturierung und deren wichtigste Elemente bekannt: Das Präsidium soll weiterhin aus sechs Mitgliedern bestehen, die permanente Wahlrechte haben. Die Anzahl der Rats-Mitglieder wird von derzeit 18 auf höchstens 21 ansteigen.
Da nach der Erweiterung durch die Beschränkung auf 21 Mitglieder nicht alle Länder gleichzeitig im EZB-Rat vertreten sein können, ist eine gerechte Verteilung der Stimmrechte entsprechend dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder der Bevölkerungszahl zu gewährleisten. Dies wird durch eine Aufteilung des Gremiums in drei Gruppen erreicht.
Vorschlag zu Umstrukturierung ist sinnvoll
Die erste Gruppe besteht aus den Repräsentanten der größten Länder im Euroraum, die zweite Gruppe repräsentiert die Hälfte aller Mitgliedsländer der Währungsunion und die dritte Gruppe umfasst die restlichen Mitglieder. Die Stimmrechte der jeweiligen Gruppen werden dabei unterschiedlich gewichtet.
Eine ausgewogene Beachtung aller oben genannten Ziele ist nicht ganz einfach. Beispielsweise wäre eine Verkleinerung des Rates mit der demokratischen Verantwortlichkeit nicht vereinbar. Unserer Meinung nach hat der EZB-Rat mit diesem Vorschlag zur Umstrukturierung jedoch eine sinnvolle Lösung gefunden.
Verteilung nach Rotationsverfahren
Zwar wird die Zahl der Mitglieder des Rates begrenzt, jedoch wird gleichzeitig dafür gesorgt, dass kein Land für längere Zeit nicht im EZB-Rat repräsentiert ist. Die Plätze werden nach einem Rotationsverfahren verteilt, welches auch die relative Größe der Länder berücksichtigt. Das Direktorium verliert nicht an Einfluss, dessen Gewicht bei knapp unter 30 Prozent konstant bleiben wird.
Zur Zeit ist noch fraglich, ob die Gewichte nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder der Bevölkerung verteilt werden. Eine Verteilung nach dem BIP würde sicherlich die alten Mitgliedsländer bevorzugen.
Frühe Einigung des EZB-Rates ist ein gutes Zeichen
Jedoch wird beispielsweise Polen nach der Erweiterung etwa acht Prozent der Bevölkerung stellen. Wir halten daher eine Kombination aus BIP und Bevölkerung mit einer höheren Gewichtung des BIP für angebracht.
Die frühe Einigung des EZB-Rates ist ein gutes Zeichen für die Handlungsfähigkeit der EZB auch über die Reform hinaus und wird diese voraussichtlich auch nach der Erweiterung der Währungsunion sichern.