Hugo Boss Glaubwürdigkeit verspielt
Metzingen - Der Modekonzern Hugo Boss hat angesichts eines Gewinneinbruchs im ersten Halbjahr 2002 seine Ergebnisprognose für das Gesamtjahr zum dritten Mal innerhalb weniger Monate deutlich gesenkt. Die Aktie brach am Montag in der Spitze um mehr als 20 Prozent auf rund 13 Euro ein.
Nach einem schwierigen ersten Halbjahr rechne Boss nur noch mit einem Jahresüberschuss von 70 Millionen Euro statt der zuvor erwarteten 95 Millionen Euro, teilte das im MDax gelistete Unternehmen mit. Noch vor rund einem Monat hatte der neue Konzernchef Bruno Sälzer die zuletzt Ende Mai gesenkte Prognose bekräftigt. Der Konzern hatte dabei überraschend seine Gewinnschätzung bereits zum zweiten Mal um weitere elf Prozent zurückgenommen, nachdem in den USA Differenzen im Warenbestand festgestellt worden waren. Im März hatte Boss zum ersten Mal seine Gewinnziele nach unten korrigiert.
Händler: "Boss verliert an Glaubwürdigkeit"
"Das Hugo Boss zum dritten Mal innerhalb weniger Monate seine Ergebnisprognose für 2002 gesenkt hat, deutet auf ernsthafte Schwierigkeiten hin", kommentierte ein Händler in Frankfurt. "Sehr enttäuschend ist vor allem das schwache US-Geschäft, von dem sich das Unternehmen hohe Wachstumsraten erhoffte", sagte Analyst Nils Lesser von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Die Bank senkte ihre Kursziel von 18 auf 13 Euro.
Der Einschätzung von Lesser zufolge verliert mit der Gewinnwarnung auch der neue Hugo-Boss-Chef Bruno Sälzer an Glaubwürdigkeit. Sälzer hatte im Mai auf der Hauptversammlung Werner Baldessarini als Vorstandschef abgelöst.
Auch ein Händler in Frankfurt bezeichnete die "zerstörte Glaubwürdigkeit" als ein "riesiges Problem" für Hugo Boss: "Das Unternehmen hat erst vor kurzem Bilanzierungspannen bei der US-Tochter eingeräumt, das Unternehmen muss bei seinen Finanzen endlich zuverlässiger werden."
Das Geschäft bleibt schwierig
Das Geschäft bleibt schwierig
Boss nach eigenen Angaben "weiterhin" mit einem Umsatz auf Vorjahresniveau. Im Mai hatte es geheißen, das angepeilte Umsatzplus von fünf Prozent auf 1,15 Milliarden Euro werde wohl geringer ausfallen, ein Rückgang werde aber nicht erwartet. Im ersten Halbjahr 2002 sei das Ergebnis nach Steuern mit 30 (2001: 58,9) Millionen Euro hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben, hieß es vom Unternehmen weiter.
Ursache dafür sei "der weiterhin angespannte Geschäftsverlauf" im US-Textilgeschäft. Für das zweite Halbjahr rechne Hugo Boss nicht mit positiven Impulsen auf dem Bekleidungsmarkt.
Im März hatte Hugo Boss seine Erwartungen für 2002 erstmals zurückgenommen und erwartete seither statt eines Gewinnzuwachses um fünf Prozent nur noch ein Ergebnis auf Vorjahresniveau von 107 Millionen Euro.
Spekulationen um Bilanzfälschung
Die darauf folgende Prognosekorrektur um weitere zwölf Millionen Euro rund zwei Monate später hatte der Konzern maßgeblich mit verschwundener Ware aus den Lagern in den USA und der schwachen Konjunktur im US-Markt begründet. Bei einer Inventur waren nach Angaben von Boss Bestandsdifferenzen im Wert von zehn Millionen Euro festgestellt worden. "Wir haben den Verdacht, dass bei der US-Tochter im vergangenen Jahr Bestände in Millionenhöhe in der Bilanz bewusst falsch ausgewiesen wurden", hatte Ende Mai Finanzvorstand Jörg-Viggo Müller gegenüber mananger-magazin.de erklärt.
Anfang Juni hatte der Modekonzern dann die Affäre um ungeklärte Inventurdifferenzen in den USA für abgeschlossen erklärt und sich endgültig vom Chef seines Amerika-Geschäfts getrennt. Die zweite Gewinnsenkung im Mai war mit dem Abschied des seit 1998 im Amt befindlichen Boss-Vorstandschef Werner Baldessarini zusammengefallen, der von seinem bisherigen Stellvertreter Sälzer abgelöst wurde.