T-Aktie Boden nicht in Sicht
Frankfurt am Main Die Deutsche Telekom wird ihre Mobilfunktochter T-Mobile in diesem Jahr wohl nicht mehr an die Börse bringen und verpasst damit die Chance, den Schuldenberg von rund 67 Milliarden Euro abzubauen. Intern habe der Vorstand das Projekt wegen der anhaltend schwierigen Lage an den internationalen Finanzmärkten bereits ad acta gelegt, berichtet die Süddeutsche Zeitung am Montag.
Den Ausschlag für die hinter den Kulissen offenbar bereits gefallene Entscheidung gegen den Börsengang hat nach Insider-Informationen der jüngste Absturz der T-Aktie (Kurswerte anzeigen) gegeben. Das Papier hatte am Montag nach den drastischen Verlusten der Vorwoche zunächst zugelegt, fiel bis zum Handelsschluss aber wieder um 2,6 Prozent auf 10,21 Euro ins Minus. Am Freitag hatte die T-Aktie zeitweilig ein Allzeittief von 10,06 Euro markiert.
T-Aktie verlor auf Wochensicht mehr als zehn Prozent
Der Rauswurf aus dem Dow Jones-Börsenbarometer Golbal Titans 50, starker Verkaufsdruck aus Amerika und die Schwierigkeiten beim Abbau des 67-Millarden Euro hohen Schuldenberges hatten das Papier am Freitag unter Druck gesetzt.
Die T-Aktie hatte auf Wochensicht mehr als zehn Prozent verloren und war mit verantwortlich dafür, dass der Dax während der vergangenen fünf Handelstage rund vier Prozent abgegeben hat. "Es ist derzeit sehr leicht, bei der Telekom auf sinkende Kurse zu spekulieren", sagte ein Wertpapierhändler in Frankfurt. Die sehr liquide Aktie sei eine ideale Tummelwiese für Hedge-Fonds, die ihr Geld mit sinkenden Kursen verdienten.
Ein anderer Händler sagte: "Die Börse will die Aktie unter zehn Euro sehen". Die Deutsche Telekom sei ein Marktschwergewicht. "Wenn der Verlust den Dax an die 4500-Punkte-Marke fallen lässt, dann sieht es düster aus, denn dann müssen die großen institutionellen Anleger wie Versicherungen ihr Risiko minimieren und hohe Bestände auf den Markt werfen", sagte der Börsianer.
Schuldenabbau stockt
"Es wird keinen signifikanten Fortschritt beim Schuldenabbau geben", hatte Telekom-Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick in der vergangenen Woche in einem Interview erklärt. "Wir zahlen in diesem Quartal die Dividende von 1,6 Milliarden Euro."
Der Bilanzverantwortliche bezeichnete es zudem als "spannend", ob es dem Konzern gelingen werde, diese Summe auszugleichen. Viele Analysten bezeichnen die Pläne der Telekom, den Schuldenstand bis Ende 2003 auf 50 Milliarden Euro zu reduzieren, als sehr ehrgeizig. Aktuell bezifferte Eick den Schuldenstand mit 66,4 Miliarden Euro.
Charttechnik macht keine Hoffnung
Großauftrag entspannt die Lage nur kurz
Am Donnerstag hatte ein möglicher Großauftrag nur für eine kurze Atempause gesorgt. Ein angeblich unmittelbar vor dem Abschluss stehender Vertrag für Deutsche Telekom und DaimlerChrysler habe Investoren zum Einstieg gelockt, sagten Händler. Ein Konsortium aus Deutscher Telekom und DaimlerChrysler stehe kurz vor dem Zuschlag für einen Großauftrag zum Aufbau des Lkw-Maut-Systems in Deutschland.
"Es gibt Signale, die darauf hindeuten, dass die Regierung so entscheidet", verlautete aus Gesellschafterkreisen des Konkurrenzkonsortiums Ages, an dem der britische Mobilfunkkonzern Vodafone sowie Aral und Shell beteiligt sind, hieß es in Medienberichten.
Gleichzeitig wächst die Kritik am Aktienoptionsplan für Führungskräfte der Deutsche Telekom wächst, schrieb das "Handelsblatt". Bilanzexperten bemängeln, dass das Unternehmen die Aufwendungen für das Programm nicht in seiner Bilanz berücksichtigt.
Charttechnisch angeschlagen
Experten wollten auch am Montag weiter keine Entwarnung geben. Das Papier sei charttechnisch angeschlagen und ein Fall unter die Marke von zehn Euro mittelfristig nicht auszuschließen, hieß es. "Solange das Papier den Boden nicht erreicht hat, kauft auch keiner", sagte ein Händler.
Händler hatten neben der Marktschwäche eben auch so genannte Leerverkäufe für den neuerlichen Kurssturz der Aktie verantwortlich gemacht. Dabei handelt es sich um den Verkauf von Papiere, die der Verkäufer noch gar nicht besitzt. Der Verkäufer setzt bei derartigen Geschäften darauf, dass er sich bis zum Liefertermin zu einem geringeren als dem vereinbarten Verkaufspreis mit diesen Papieren eindecken kann (Siehe auch: Die Macht der Shorties).
Die Aktie war allerdings auch von der Nachricht belastet worden, dass der Telekom ein Milliarden-Auftrag der Bundeswehr entgangen war. "Es ist ein schwerer Schlag für die Deutsche Telekom und Siemens, dass das Deutsche Verteidigungsministerium die Erstplatzierung bei der Auftragsvergabe an ein Konsortium um CSC Ploenzke (Mobilcom und EADS ) erteilt hat", sagte ein Händler.
Druck auf Ron Sommer nimmt zu
Der anhaltende Fall der T-Aktie verstärkt den Druck auf Telekom-Chef Ron Sommer, der bei der jüngsten Hauptversammlung von vielen Haltern der "Volksaktie" scharf kritisiert worden war. Die Bundesregierung wies bislang zwar Spekulationen um eine baldige Ablösung Sommers als unbegründet zurück. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) äußerte jedoch in einem Interview mit dem Magazin "Stern" sein Verständnis für den Ärger vieler Kleinaktionäre.
Bundesfinanzminister Hans Eichel hatte die Manager um Vorstandschef Ron Sommer in Schutz genommen. "Der gesamte Bereich der Telekommunikation steckt weltweit in Schwierigkeiten. Da steht die Deutsche Telekom weitaus besser da als viele andere Unternehmen aus dem Sektor", hatte Eichel erklärt. Der Minister nannte Sommer allerdings nicht beim Namen.
Zuletzt war in den Medien über angebliche Pläne der Bundesregierung spekuliert worden, Sommer im Falle eines Wahlsiegs im September abzulösen. Die Regierung hatte dies ausdrücklich zurückgewiesen. Der Bund hält die Mehrheit bei der Telekom.
Sturz unter 10-Euro-Marke?
Sturz unter die Zehn-Euro-Marke befürchtet
"Viele am Markt warten nur darauf, bis der Kurs der T-Aktie unter die zehn Euro fällt", sagte eine Analystin, die die Aktie jedoch für fundamental unterbewertet hält. Telekom-Vorstandschef Ron Sommer hatte auf der turbulenten Hauptversammlung am Dienstag erklärt: "Was wir in den letzten Wochen beobachtet haben, ist nicht mehr nachvollziehbar und lässt sich nur mit psychologischen Mechanismen erklären."
Er beteuerte, die Telekom sei richtig aufgestellt. Das Unternehmen sei solide finanziert und habe in seinen vier Sparten gute Zukunftsaussichten.
Doch genau das wolle derzeit am Markt keiner so richtig glauben, sagte die Analystin. Mit der Aktie seien zu viele Fragezeichen verbunden: "Wenn die Schulden in den kommenden Monaten nicht auf die avisierten 50 Milliarden Euro gesenkt werden, dann befindet sich Sommer noch deutlicher in einem Erklärungsdilemma", sagte die Expertin.
Der Schuldenstand der Telekom stieg nicht zuletzt aufgrund der Investitionen in den Mobilfunkstandard UMTS und den Kauf von Voicestream auf über 67 Milliarden Euro. Sowohl der Börsengang der Mobilfunktochter T-Mobil wie auch der Verkauf des Kabelnetzes seien in weite Ferne gerückt. "Derzeit ist nicht abzusehen, was das Papier nach oben bringen sollte, da auch die Stimmung in der Telekommunikationsbranche am Boden ist."
Dramatische Veränderungen
Auf die immensen Probleme in der Telekombranche reagieren nun auch die Zulieferer. Da die Konzerne enorm sparen müssen und die UMTS-Ausrüstung sehr viel weniger einbringt als erhofft, geraten zum Beispiel Ericsson und Nortel massiv unter Druck.
Auch die Chiphersteller sind besorgt. "Die Telekommunikationsbranche hat nach Jahrzehnten der Ruhe im regulierten Markt vergangenes Jahr erstmals unter der weltweiten Rezession gelitten", sagte Sean Maloney, Executive Vice President des Chipherstellers Intel. Die Veränderungen und Einbrüche, die andere Branchen innerhalb von zehn Jahren erlebt hätten, habe die Telekom-Industrie 2001 in nur einem Jahr durchleben müssen. "Das Gebot der Stunde sind jetzt massive Kosteneinsparungen und flexible Technologien in einem sich schnell wandelnden Markt."
Derzeit stünden die Telekom-Unternehmen unter enormem Druck, sagte Maloney. Während die Aktienkurse und Umsätze sinken, wachse der Bedarf an Bandbreite zur Übertragung neuer multimedialer Inhalte. Die einzige Chance, diese Situation zu überstehen, sei es, auf schnellere und kostengünstigere Technologien zu setzen.
Breitseite von den Fondsexperten Deutsche Telekom: Die Lehren der Hauptversammlung T-Aktie: Chronik des Niedergangs Telekom-Klagen: Neue Hoffnung für die Aktionäre