Telekom 12,80 Euro! Aktie auf Rekordtief
Frankfurt am Main - Die schlechten Nachrichten für die Deutsche Telekom nehmen kein Ende. Am Freitagmorgen stufte auch die Investmentbank Lehman Brothers die Telekom ab und beschleunigte damit die Talfahrt der T-Aktie.
Das Papier fiel am Nachmittag mit einem Preis von 12,80 Euro (Xetra) auf seinen bisher tiefsten Stand. Der Absturz fand bei hohen Umsätzen statt. Allein im Xetra-Handel wechselten bis zum Abend 39.412.400 Aktien den Besitzer. Ein ähnliches Bild in New York: Dort wurden bis Handelsende rund 2,85 Millionen Aktien umgesetzt, der Kurs lag um 22 Uhr deutscher Zeit bei 11,80 Dollar.
Zuvor hatte die "Volksaktie" am 11. September 2001 ein Rekordtief bei 13,12 Euro markiert. Zum Vergleich: Der Ausgabekurs hatte im November 1996 bei umgerechnet 14,57 Euro gelegen.
Nach einem Downgrade durch die Investmentbank Goldman Sachs war das Papier bereits am Donnerstag um rund sieben Prozent gefallen. Experten halten nun einstellige Kurse der Aktie in absehbarer Zeit für möglich.
Analysten kehren der Telekom den Rücken zu
"Es gibt einfach nichts Positives zu dem Wert", sagte ein Marktbeobachter. Der Titel stehe bei hohen Umsätzen unter Druck und die charttechnische Lage sehe sehr schlecht aus.
Lehman Brothers stufte die Telekom von "Marketperformer" auf "Underperformer" ab. Die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs hatten der Telekom bislang die Stange gehalten, am Donnerstag aber die T-Aktie von "Outperformer" auf "Marketperformer" zurückgestuft, nachdem bereits Merrill Lynch vor wenigen Tagen sogar zum "Reduzieren/Verkaufen" der T-Aktie geraten hatte. Die Analysten von Dresdner Kleinwort Wasserstein schraubten zudem ihre Gewinnerwartung für die Telekom zurück.
"Dass einflussreiche Banken ihre Ratings noch auf einem solch niedrigen Kursniveau zurücknehmen, spricht Bände", zitiert die "Welt" einen Analysten von M.M. Warburg. Sollte die Aktie die Marke von 13,12 Euro nach unten durchbrechen, seien bald auch einstellige Kurse der T-Aktie vorstellbar, zumal die ganze Branche sich in einem gleichgerichteten Abwärtstrend befinde, sagte der Analyst weiter.
Telekomriesen in ganz Europa auf Talfahrt
Telekomwerte in ganz Europa auf Talfahrt
Diese Tendenz zeichnete sich am Freitag auch im EuroStoxx50 ab. In ganz Europa gingen Telekomwerte auf Tauchstation. Nokia fielen am Nachmittag um 7,30 Prozent. Die spanische Telefonica gab drei Prozent ab. France Telecom notierten rund sechs Prozent leichter. Der Telekomausrüster Alcatel gab ebenfalls rund sechs Prozent nach.
Zu dem Kurssturz bei Telekomwerten trug zudem eine von den Analysten als Gewinnwarnung aufgenommene Ankündigung von Vodafone bei: Der weltgrößte Mobilfunk-Anbieter senkte am Morgen kurz nach Börsenbeginn seine Prognosen für den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibung für D2/Omnitel für 2002/03 um 5,2 Prozent auf rund sechs Milliarden Euro und für 2003/04 um acht Prozent auf 6,7 Milliarden Euro. Analysten hatten für 2002/03 ein Ebitda von 6,5 Milliarden Euro prognostiziert. Der Kurs von Vodafone sank daraufhin bis zum Nachmittag um über 7,5 Prozent auf den tiefsten Stand seit vier Jahren.
Den breiten Ausverkauf der T-Aktie begründete ein Fondsmanager mit einem grundlegenden Sinneswandel bei den Investoren. Es setze sich zusehends die Erkenntnis durch, dass man bei der Telekom nicht mehr investiert sein müsse.
Die Börsen-Zeitung hatte überdies zuvor berichtet, die Deutsche Telekom müsse im Zahlenwerk für das erste Quartal 2002, das am 22. Mai veröffentlicht wird, eine Einmalbelastung nach US-GAAP in Milliardenhöhe verkraften. Die Telekom werde im Nachgang zu der jetzt von der US-Börsenaufsicht SEC akzeptierten Bilanzierungsregel SFAS 142 eine Änderung der nicht mehr zulässigen Abschreibungen auf US-Mobilfunklizenzen vornehmen, hieß es in dem Bericht. Diese Bilanzierungsregel sei rückwirkend zum 1. Januar 2002 für alle US-Unternehmen in Kraft getreten.
Nach deutscher Rechnungslegung wird sich nach Ansicht von Experten an dem Ergebnis allerdings nichts ändern. Die Bonner bilanzieren nach HGB, erstellen aber als in den USA gelisteter Konzern eine US-GAAP-Überleitungsrechnung.
Psychologische Faktoren belasten
"Die Einmalbelastung bei den Telekom-Töchtern Voicestream Wireless und Powertel im ersten Quartal in Höhe von 3,8 Milliarden Dollar ist zwar weder steuer- noch cashwirksam, belastet den Wert aber psychologisch", sagte Hans-Peter Kuhlmann von der Baden-Württembergischen Bank AG in Stuttgart. Ähnlich sieht dies Analyst Werner Stäblein von der BHF-Bank in Frankfurt. "Das ist eine rein buchhalterische Belastung", betonte er.
Von vielen Anlegern werde der gegenwärtig niedrige Kurs "wohl wieder als Kaufgelegenheit gewertet", sagte Kuhlmann. Analyst Stäblein vertrat die Auffassung, dass das Papier derzeit tatsächlich unter seinem eigentlichen Wert gehandelt werde. "Dass der Kurs so weit abschmiert, hätte ich nicht erwartet. Unser Kursziel liegt bei 17,50 Euro", sagte er.
Ob die Aktien tatsächlich derzeit günstig sind, wollte ein Münchner Händler nicht mit letzter Bestimmtheit sagen. "Die Aktie ist auf ein Preisniveau gefallen, auf dem sie günstig erscheint", sagte er vorsichtig. "Wenn die TMT-Werte (Technologie, Medien, Telekom) nach oben drehen, ist die Deutsche Telekom auf jeden Fall dabei. Aber den Aufschwung erwarten wir seit einem Jahr und bislang ist er nicht gekommen." Letztlich hänge die Entwicklung wesentlich vom Aufschwung in den USA ab.
Verkaufen die Großinvestoren?
Schlechte Nachrichten aus dem Telekomsektor
Doch gerade Besorgnis erregende Nachrichten aus den USA, Frankreich und Finnland hatten die Aktie in der jüngsten Vergangenheit bereits kräftig unter Druck gesetzt. Die France Télécom hat ihren Umsatz im ersten Quartal zwar von 10,043 Milliarden Euro auf 10,604 Milliarden Euro gesteigert und will im Gesamtjahr zweistellig wachsen. Jedoch sei das Umsatzplus hauptsächlich auf die Mobilfunktochter Orange zurückzuführen, bemängelten Analysten.
Der finnische Konzern Sonera soll angeblich weitere 2,8 Millionen T-Aktien auf den Markt werfen, hieß es in Frankfurt. Und auch ehemalige Voicestream-Aktionäre würden sich wieder von Papieren der Deutsche Telekom trennen. Außerdem belasteten zusätzlich Gerüchte um den US-Telekomkonzern WorldCom die T-Aktie. Demnach werde der amerikanische Konzern auf Grund seiner hohen Verschuldung in den Konkurs gezwungen.
Rote Zahlen auch bei Qwest Communications
Schlechte Nachrichten gab es auch vom Telekomkonzern Qwest Communications, der im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres tiefer in die roten Zahlen gerutscht ist. Der Verlust vor Einmaleffekten sei von 46 Millionen Dollar auf 698 Millionen Dollar gewachsen, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.
Schließlich hatte der niederländische Telekomkonzern KPNQwest eine Gewinnwarnung herausgegeben und mitgeteilt, er könne eine Unternehmensanleihe möglicherweise nicht bedienen. Die Aktien waren in Amsterdam zeitweise um 50 Prozent eingebrochen.
Kleinaktionäre stinksauer
Wegen der "katastrophalen Kursentwicklung" will die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten. Binnen eines Jahres habe die T-Aktie 42 Prozent an Wert verloren. Als Gründe hierfür nannte die SdK unter anderem den verschobenen Schuldenabbau und die ungewissen Ertragsausichten im UMTS-Geschäft.
Vor einigen Wochen hatte die Düsseldorfer Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz bereits angekündigt, dem Telekom-Vorstand die Entlastung zu verweigern. Die SdK wirft zudem dem Aufsichtsrat vor, die Gesamtbezüge des Vorstands um 90 Prozent erhöht zu haben. Angesichts der geplanten Dividendenkürzung um 40 Prozent hätten die Bezüge sinken müssen.