Die Trinkaus-Kolumne Der "heiße Draht" zur Kursrakete
Die Aktie von Vodafone notierte vor zwölf Monaten ca. 50 Prozent über dem aktuellen Kursniveau. Selbst zum Jahreswechsel 2001 / 2002 war der Kurs noch bei ca. 180 Pence. Der jüngste starke Kursverfall löst vielerorts Bedenken aus: Ist Vodafone immer noch ein guter Titel? Soll ich mich lieber von meinen Beständen trennen und in eine andere Aktie oder gar in eine andere Branche investieren?
Ich halte den jüngsten Kursverfall für übertrieben und sehe im aktuellen Kurs von 125 bis 130 britischen Pence eher eine Kaufgelegenheit. Das wird verständlich, wenn man sich einmal die Gründe für den Kursverfall ansieht:
1. Das aktuelle Mobilfunkwachstum in den USA liegt etwas unterhalb der Erwartungen. Daraus erwächst die Frage: Ist in den USA generell geringeres Potenzial als bisher erwartet vorhanden oder sind die jüngsten Tendenzen eher die Folge der rezessiven Entwicklung?
Aktuell nur eine Wachstumsdelle
Ich gehe davon aus, dass wir im zweiten Halbjahr 2002 eine wirtschaftliche Erholung sehen werden und von daher aktuell eine Wachstumsdelle vorliegt und keinesfalls ein strukturelles Problem.
2. Das Nettokundenwachstum in Europa lässt schneller nach als erwartet. Dieses Jahr wird voraussichtlich die Zahl der Nettokunden in Deutschland sinken. Nettokunden berechnen sich als die Anzahl der Neukunden abzüglich der Anzahl der gekündigten Vertragskunden bzw. der inaktiven Prepaid-Kunden.
Durch diesen Schritt wird eine Bereinigung der Kundenbasis bewirkt. Die Vertragslänge im Prepaid-Bereich beläuft sich auf 24 Monate. Vor zwei Jahren hatten wir in Europa sehr starkes Wachstum hauptsächlich durch diese Prepaid-Kunden, die ihrerseits nur niedrige monatliche Umsätze generiert haben.
Diese Kundengruppe benutzt die Geräte mittlerweile nicht mehr. Deshalb werden die inaktiven Prepaid-Kunden aus der Kundenbasis herausgerechnet. Damit werden der durchschnittliche Umsatz pro Kunde und die zukünftige Profitabilität leicht verbessert.
3. Gerüchte über eine Gewinnwarnung machen die Runde. Diese Gerüchte basieren auf Analystengesprächen, die angeblich geringere monatliche Umsätze als bisher erwartet ergeben haben sollen. Für Vodafone würde das bedeuten: Das tatsächliche Umsatzwachstum liegt unterhalb der Erwartungen. Wir halten diese Gerüchte für nicht sehr zuverlässig.
Wir erwarten zwar, dass der Konsens für den Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen (Ebitda) leicht, d.h. um 2 bis 3 Prozent (!) sinken wird; das liegt aber eher daran, dass einige Analysten auch vor den Gesprächen nach unserer Einschätzung schon zu hohe Erwartungen in ihren Modellen hatten. Der Kursverfall ist entsprechend übertrieben.
Was für die Vodafone-Aktie spricht
4. Enttäuschende Nachrichtenlage im Bereich Mobile Data. Es gibt weiterhin keine Dienstleistungen in diesem Bereich und wir rechnen vor Ende 2003 auch nicht mit signifikanten Umsätzen aus Datendiensten für Vodafone.
Diese Einschätzung hat in der ohnehin nachrichtenarmen Zeit das Enttäuschungspotenzial vergrößert und dazu geführt, dass die Abhängigkeit der Aktie vom Sentiment angestiegen ist. Wir erwarten von Mobile Data auch in der nahen Zukunft keine sonderlich positiven Nachrichten. Auch die letzte Woche in Cannes gelaufene GSM-Konferenz, auf der sowohl die Ausrüster und Operator ihre neuen Produkte und Dienste vorstellten, brachte keinen richtigen Rückenwind.
Mobilfunkbranche ist von Zyklen geprägt
Im Markt herrscht aktuell eine generelle Skepsis hinischtlich zyklischer Aktien, und der Mobilfunkbereich ist einer der zyklischsten Bereiche. Dementsprechend belasten negative Nachrichten auch besonders stark.
Allerdings berücksichtigen die meisten Analystenmodelle bereits sehr pessimistische Annahmen; teilweise liegen die Daten sogar deutlich unter denen, die Vodafone selber kommuniziert. Vor diesem Hintergrund sehen wir auf dem heutigen Kursniveau kein weiteres Enttäuschungspotenzial mehr für Vodafone.
Günstige Kennzahlen
Der momentane Kurs preist beispielsweise bereits eine sehr niedrige Datenwachstumsrate ein. Auch auf Basis traditioneller Kennzahlen wie EV/EBITDA im Vergleich zum Wachstum erscheint die Aktie keinesfalls zu teuer. Entsprechend meines konjunkturellen Szenarios (gesamtwirtschaftliche Erholung ab dem zweiten Halbjahr) ist Vodafone einer der am besten positionierten Aktien im Sektor.
Zum Schluß noch eine Anmerkung: Es sollte nicht übersehen werden, dass Vodafone aktuell wieder auf dem Kursniveau notiert, das die Aktie im September 2001 im Sog der Terroranschläge in den USA erreicht hatte. Noch vor wenigen Wochen waren sich alle Marktbeobachter einig: Im Herbst 2001 das waren Kaufkurse!
Es bleibt die Frage: Warum hat man heute Angst vor der eigenen Courage? Mit Blick auf 12 Monate und länger ist die Aktie attraktiv bewertet. Aktien kauft man, wenn sie billig sind - auch wenn erfahrungsgemäß gerade dann sehr viel Mut dazu gehört.
Hinweis: Kaufen, Halten oder Verkaufen? Am kommenden Donnerstag (28. Februar) haben Sie Gelegenheit, unseren Kolumnisten Klaus Lüpertz in einem Chat direkt zum Aktien-Markt zu befragen. Die Veranstaltung beginnt um 16.30 Uhr.
Das neue Buch unseres Kolumnisten Klaus Lüpertz ist seit einigen Wochen erhältlich. Es ist im Gabler Verlag erschienen und trägt den Titel "Internetaktien - Gewinnstrategien nach dem Crash".