Die Thilenius-Kolumne Russisches Roulette
Überraschende Preissteigerungen entstehen in der Regel aus einer besonders starken Nachfrage, oder einem besonders niedrigen Preisniveau. Das gilt ganz besonders für Rohstoffe wie Öl.
Im Jahr 2002 allerdings sieht der Ölmarkt völlig anders aus als im Jahr 1999 und 2000. Die amerikanische Wirtschaft und in ihrer Folge die Weltwirtschaft zeigen allmähliche Signale der Erholung. Vor zwei Jahren um diese Zeit waren diese Märkte allerdings in Hochkonjunktur und haben einen sehr hohen Ölverbrauch gehabt. Damals stieg der Ölpreis im September 2000 auf den Höchstkurs von 36 Dollar.
Heute liegt der Ölpreis unter Schwankungen bis zu 50 Prozent darunter. Angesichts der langsamer wachsenden beziehungsweise sich langsam aus der Rezession erholenden Weltwirtschaft, ist kaum eine Verbrauchszunahme zu erwarten. Man sieht das am Verhalten der OPEC: Trotz verschiedener Maßnahmen zur Kürzung der Produktion sinkt der Ölpreis tendenziell weiter.
An dieser Stelle gibt es eine interessante weltpolitische Konstellation: Russland hat früher oft die Förderkürzungen der OPEC mitgemacht, um sowohl Freund der OPEC zu sein, als auch ein bisschen die Amerikaner zu ärgern. Nach der Allianz gegen den Terrorismus und dem Afghanistankrieg haben sich die Gewichte jedoch verschoben. Russland ist dadurch jedoch näher an den Westen gerückt. Gleichzeitig möchte Russland gerne seinen Marktanteil ausbauen.
Die internationale Energieagentur glaubt, dass die russische Produktion im Jahr 2002 um 430.000 Barrel auf 7.450.000 Barrel steigen wird. Diesen höheren Marktanteil braucht Russland auch, denn wenn bei sinkendem Ölpreis gleich viel Geld in die bedürftige Staatskasse fliesen soll muss die Produktion erhöht werden. Deswegen sind die zusammen mit der OPEC vereinbarten Produktionskürzungen eher kosmetischer Art. Russland wird deshalb weiterhin Überproduktion betreiben und damit die Anstrengungen der OPEC unterminieren, den Ölpreis hochzuhalten. Fachleute sehen einen Ölpreis von etwa 18 Dollar im ersten Quartal der aber durchaus auch auf 15 Dollar sinken könnte.
Für den Investor bedeutet dies eine interessante Möglichkeit zur Diversifikation seines Portfolios. Er sollte nämlich an dieser Stelle in russischen Ölwerten Gewinne mitnehmen. Die den Leser dieser Kolumne seit langem vertrauten Ölwerte Lukoil und Surgutneftegas, haben im Jahr 2001 42 Prozent beziehungsweise 52 Prozent zugelegt und gehören damit zu dem besonders erfreulichen Erscheinungen des Börsenjahres 2001. Angesichts des tendenziell sinkenden Ölpreises sollte der Investor jetzt die Gelegenheit nutzen, auf dem sehr hohen Niveau Gewinne mitzunehmen. An Anlagemöglichkeiten des Erlöses wird es nicht mangeln.