T-Aktie Chronik des Niedergangs

Seit dem Börsengang der Telekom am 18. November 1996 haben die Aktionäre des ehemaligen Monopol-Konzerns eine rasante Berg- und Talfahrt erlebt. Durch den Absturz der "Volksaktie" nach dem Rekordhoch von März 2000 wurde ein Vermögen von über 300 Milliarden Euro vernichtet.

16. Mai 1995:

Der ehemalige Sony-Manager Ron Sommer wird zum Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG  ernannt. Die Verschuldung des Konzerns liegt zu diesem Zeitpunkt bei umgerechnet rund 59 Milliarden Euro.

Zuvor war das Unternehmen "Deutsche Bundespost Telekom" lange Zeit von Helmut Ricke geleitet worden, dessen Sohn Kai-Uwe später - im November 2002 - neuer CEO der Telekom wird. Helmut Ricke führte den Konzern von 1990 bis 1994 und hatte maßgeblichen Anteil an der Umwandlung der ehemaligen Behörde in ein formal privatwirtschaftliches Unternehmen.

Anfang 1996: Die Werbekampagne für den Börsengang der Telekom läuft an. Nach Informationen des SPIEGEL investiert der Ableger der Deutschen Bundespost insgesamt rund 100 Millionen Mark, um die "Volksaktie" auch bei Kleinanlegern populär zu machen. Federführend bei der Kampagne ist die Londoner Beratungsfirma Dewe Rogerson.

Als prominente Werbefigur hat die Telekom den Schauspieler Manfred Krug verpflichtet, der zuvor bereits für Jacobs-Kaffee, Aquavit und Waschmittel geworben hatte. Krugs Botschaft: "Das ist der helle Wahnsinn, was die Telekom alles drauf hat." Ron Sommer sekundiert: "Die T-Aktie wird so sicher wie eine vererbbare Zusatzrente sein."

18. November 1996: Der Kurs der fünffach überzeichneten Telekom-Aktie schnellt am ersten Handelstag in die Höhe. Der Einführungspreis für das Papier betrug 28,50 Mark (14,57 Euro), der erste amtliche Schlusskurs liegt bei 33,90 Mark.

Rund 500 Millionen Aktien werden platziert, der Verkauf bringt rund 20 Milliarden Mark ein. Schätzungsweise 700 Millionen Mark fallen dabei als Provision für die beteiligten Banken ab. Im IPO-Konsortium waren fast alle großen deutschen Finanzinstitute vertreten. Angenehmer Nebeneffekt: Im Vorfeld des Börsengangs gibt es kaum negative Analysten-Statements zur T-Aktie.

22. Mai 1999: Schwere Schlappe für Ron Sommer: Die Ende April angekündigte Fusion von Deutscher Telekom und Telecom Italia (TI) zum zweitgrößten Telekom-Konzern der Welt ist gescheitert. Das italienische Unternehmen Olivetti hat sich im Wege einer feindlichen Übernahme 51,02 Prozent der Stimmrechte an TI gesichert. Später ist zu hören, dass der PR-Unternehmer Moritz Hunzinger  die Telecom Italia im Abwehrkampf gegen die Übernahme beraten haben soll.

25. Juni 1999: Bankhäuser und Kursmakler verursachen durch den Verkauf von 12,93 Millionen T-Aktien einen Kurssturz. Bei Handelsschluss liegt der Kurs bei 39,50 Euro.

28. Juni 1999: Die Telekom gibt die zweite Tranche Aktien zu einem Preis von 39,50 Euro heraus. Die Papiere legen am ersten Handelstag zu. An der Frankfurter Börse steigt der Kurs der Aktie auf 40,30 Euro. Die Platzierung bringt eine Einnahme von etwa 10 Milliarden Euro.

Anfang August 1999: Für etwa 10 Milliarden Euro übernimmt die Telekom die Firma One2One, den viertgrößten Mobilfunkbetreiber Großbritanniens. Übernommen werden damit auch Verbindlichkeiten von 200 Millionen Pfund.

6. März 2000: Die Aktie erreicht mit einem Wert von 103,50 Euro ihren bisherigen Höchststand.

Mai 2000: Die Aktie ist deutlich gefallen und liegt nur noch knapp über 60 Euro. Ron Sommer versichert: "Die Telekom-Aktie wird uns in Zukunft noch viel Freude bereiten." Den verunsicherten Anlegern macht er Mut: "Wer jetzt einsteigt, kann sich auf ein phantastisches Potenzial freuen."

Voicestream-Deal und UMTS-Auktion

19. Juni 2000: Nach dem dritten Börsengang startet die T-Aktie lustlos. Das Papier verliert rund 3,3 Prozent auf 65,79 Euro und liegt damit klar unter dem Ausgabepreis von 66,50 Euro. Die Emission war 3,5-fach überzeichnet. Der Bund als Großaktionär kassiert einen Rekorderlös von 15,3 Milliarden Euro (knapp 30 Milliarden Mark).

24. Juli 2000: Die Telekom  kündigt den Kauf des US-Mobilfunkbetreibers Voicestream für 50,7 Milliarden Dollar an. Zwei Wochen später bläst sie den Börsengang ihrer Mobilfunktochter T-Mobile ab - mit Verweis auf die Eingliederung des Neukaufs. Der Kurs der T-Aktie steht bei 47 Euro (rund 92 Mark).

9. August 2000: Die Telekom verschiebt den für Herbst 2000 geplanten Börsengang ihrer internationalen Mobilfunktochter T-Mobile auf unbestimmte Zeit.

17. August 2000: Die UMTS-Versteigerung ist beendet, und damit die größte Auktion der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Unter den Teilnehmern, die für insgesamt 100 Milliarden Mark einen Zuschlag bekommen haben, ist auch die Deutsche Telekom mit T-Mobile. Sie zahlt eine Summe von über 16 Milliarden Mark. Außerdem dabei: Mannesmann Mobilfunk, VIAG Interkom, e-plus/Hutchison, MobilCom/France Télécom und die Group 3G aus der spanischen Telefónica und der finnischen Sonera.

31. Oktober 2000: Obwohl die Telekom einen Gewinnsprung von 546 Prozent verkündet, entstanden vor allem durch Firmenverkäufe und den Börsengang von T-Online , sackt die T-Aktie um 3,25 Prozent auf 42,58 Euro ab.

22. November 2000: Die Deutsche Telekom gibt bekannt, dass sie sich in Frankreich nicht um eine UMTS-Lizenz bewerben wird. Zuvor hatte die Telekom bereits in Spanien, Italien und der Schweiz auf eine Beteiligung an den UMTS-Vergabeverfahren verzichtet.

Anfang Februar 2001: Ron Sommer nimmt in einer Mail an die Telekom-Mitarbeiter Stellung zum Absturz der Aktie. Seine Deutung: Die Medien sind schuld. Wörtlich schreibt er: "Wir alle wissen, dass es zwischen veröffentlichter Meinung und Kursentwicklung Zusammenhänge gibt. Und nachdem die eher negative Schlagzeile mehr Aufmerksamkeit und Interesse verspricht, hat ein Unternehmen wie unseres (...) noch Probleme in der öffentlichen Berichterstattung."

14. Februar 2001: Nach Rücktrittsgerüchten um Vorstands-Chef Ron Sommer sackt die T-Aktie zum ersten Mal seit Ende Dezember 1998 wieder unter 30 Euro.

21. Februar 2001: Nach unten korrigierte Gewinne lassen den Aktienkurs der Telekom auf ein neues Jahrestief stürzen. Mit 24,80 Euro wird der bisherige Tiefststand der letzten 52 Wochen von 26,50 Euro zeitweise deutlich unterschritten.

27. Februar 2001: Die "Aktionsgemeinschaft geschädigter T-Aktionäre" stellt eine Strafanzeige gegen "die Verantwortlichen der Deutschen Telekom , insbesondere Ron Sommer". Das bestätigt der Bonner Oberstaatsanwalt Bernd König. Vorgeworfen wird den Managern Kapitalanlagebetrug, Verschleierung tatsächlicher Unternehmensverhältnisse und weitere Straftatbestände.

Es gebe den Verdacht, dass wissentlich der Wert des Unternehmens falsch angegeben worden sei, heißt es in der Begründung. Zumindest sei nicht rechtzeitig eine Korrektur des Immobilienwertes vorgenommen worden, vor allem, um den Kurs der Aktie bei über 33 Euro zu halten. Dahinter habe möglicherweise die Strategie gestanden, den dritten Börsengang im Juni 2000 oder die Übernahme des US-Unternehmens Voicestream nicht zu gefährden.

Ermittlungen gegen Ron Sommer

10. März 2001: Es wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Ron Sommer aufgenommen hat. Dabei geht es um die Fehlbewertung der Telekom-Immobilien. Geprüft wird die Frage, ob Sommer möglicherweise schon seit Jahren von der falschen Bewertung wusste.

Bisher richteten sich die Ermittlungen vor allem gegen den ehemaligen Telekom-Finanzvorstand Kroeske. Wegen der zu hohen Bewertung der 35.000 Immobilien musste die Bilanz der Telekom um rund zwei Milliarden Euro korrigiert werden.

28. Mai 2001: In einem Interview mit dem SPIEGEL verteidigt Ron Sommer den hohen Ausgabekurs der dritten Tranche (66,5 Euro). Wörtlich sagt der Telekom-Vorsteher: "Aber ich bitte Sie, ich bin doch kein Prophet. Als wir vergangenes Jahr den Ausgabekurs festlegten, war ich fest überzeugt, dass wir nach dem Rückgang von 100 auf 60 die Talsohle durchschritten hätten."

29. Mai 2001: Auf der Hauptversammlung äußern Aktionärsvertreter den Verdacht, die im Februar 2000 verkündete Abwertung des Immobilienvermögens sei bewusst verschleppt worden, da sonst der Ausgabekurs der dritten Tranche der Telekom-Aktien nicht zu halten gewesen wäre.

Vorstands-Chef Ron Sommer weist diese und andere Vorwürfe in seiner Rede entschieden zurück. Allerdings nennt auch er den Kursverlauf der Aktie "absolut unbefriedigend".

31. Mai 2001: Die Deutsche Telekom  schließt die Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens Voicestream und des kleineren Anbieters Powertel ab. Die Aktionäre der US-Unternehmen bekommen im Tausch T-Aktien, die sie erst nach einer Haltefrist wieder abstoßen dürfen. In den kommenden Wochen und Monaten machen erste Großanleger davon Gebrauch, der Kurs bricht wegen der Aktienschwemme ein.

31. Juli 2001: Nach der Bekanntgabe roter Zahlen im ersten Halbjahr kommt die Telekom an der Börse unter die Räder.

2. August 2001: Aktionäre klagen vor dem Landgericht Frankfurt am Main gegen die Telekom wegen falscher Angaben im Immobiliengeschäft.

7. August 2001: Die T-Aktie bricht nach dem Verkauf von rund 44 Millionen Aktien durch die Deutsche Bank  im Auftrag eines Großkunden ein. Für Empörung sorgt, dass ein Analyst der Bank die Aktie der Telekom noch einen Tag zuvor zum Kauf empfohlen hatte.

8. August 2001: Der Aktienkurs der Telekom verliert den zweiten Tag in Folge kräftig. Das Papier büßt über sieben Prozent ein und ist bei Börsenschluss noch 21,25 Euro wert.

Die "Deutsche-Bank-Affäre"

10. August 2001: Die T-Aktie schließt unter 20 Euro.

13. August 2001: Der Ärger um den Großverkauf der Deutschen Bank  und den Absturz der T-Aktie hält an. Ron Sommer droht mit Konsequenzen. Auch die Börsenaufsicht wird aktiv: Fast 40 Milliarden Euro sind vernichtet worden.

14. August 2001: Eine Woche nach der umstrittenen Kaufempfehlung der Deutschen Bank für die T-Aktie  stuft Goldman Sachs den Wert hoch. Bei Analysten anderer Banken wird das zum Teil heftig kritisiert: "Schweinerei Teil 2".

16. August 2001: Das Rätsel, in wessen Auftrag die Deutsche Bank die 44 Millionen T-Aktien veräußert hat, ist gelöst: Das Institut handelte im Auftrag des asiatischen Konzerns Hutchison Whampoa.

17. August 2001: Das Telekom-Papier geht mit 17,38 Euro aus dem Handel - der tiefste Stand seit rund drei Jahren. Ron Sommer sagt in einem Interview: "Ich fühle mich erst wieder wohl, wenn die Telekom-Aktie mindestens 70 Euro überschreitet."

21. August 2001: Der Ausverkauf geht weiter. Der Rivale Sonera hat angekündigt, sein Paket von 72 Millionen T-Aktien zu veräußern.

26. August 2001: Wie erst jetzt bekannt wird, hat der finnische Konzern Sonera bereits 22 Millionen T-Aktien (Kurswerte anzeigen) verkauft - in aller Stille und vor Ablauf der Haltefrist. Die Telekom hat dem angeblich "marktschonenden Verfahren" zugestimmt. Das meldet das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL.

3. September 2001: Nach Ablauf der Haltefrist für Voicestream-Aktionäre (1. September) gerät das Papier erneut unter Druck. Zudem scheint der Verkauf des Kabelnetzes an Liberty Media zu wackeln. Die Aktie notiert zeitweise unter 16,30 Euro, Händler halten einen Sturz unter 15 Euro für möglich.

5. September 2001: Höhere Preise, Machtkonzentration und Ausnutzung der Stellung - nach der Ankündigung des Kabelnetz-Verkaufs an John Malone hagelt es Kritik von Verbraucherschützern, Landesmedienanstalten und Politik.

7. September 2001: An einem schwarzen Freitag gehen Europas Telekom-Werte unter. Eine Wende ist nicht in Sicht.

10. September 2001: Knapp fünf Jahre nach dem Börsengang und einen Tag vor den Terroranschlägen in den USA fällt die T-Aktie erstmals unter ihren damaligen Ausgabepreis für institutionelle Anleger.

19. September 2001: Die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation muss ihre umstrittene Gebührenordnung für die Vergabe von Lizenzen in Teilen zurücknehmen. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, dass die Verordnung für Kabel, Richtfunk und Sprachtelefondienste rechtswidrig ist. Derzeit gebe es keine Rechtsgrundlage für diese Gebühren, urteilen die Richter in Berlin.

1. Oktober 2001: Erneut gibt es einen Wechsel bei T-Systems : Vorstand Christian A. Hufnagl (56) muss sich einen neuen Topmanager suchen. Rudolf Gröger  (47), der sich vergeblich Hoffnungen auf den Chefsessel bei dem Joint Venture zwischen Telekom und DaimlerChrysler gemacht hat, verläßt den Konzern und tritt bei Viag Interkom die Nachfolge von Maximilian Ardelt (61) an.

Geburtstag und Dividendenschock

10. Oktober 2001: Nach einem nicht mehr anfechtbaren Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster muss die Deutsche Telekom  ihr Ortsnetz für die Wettbewerber deutlich stärker öffnen - zumindest vorläufig. Damit ist der Konzern verpflichtet, seinen Konkurrenten die "letzte Meile" auf Basis eines Angebots für Wiederverkäufer zur Verfügung zu stellen.

31. Oktober 2001: Die Telekom legt aktuelle Zahlen vor. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2001 wurden laut Vorstand bei Umsatz und Gewinn die selbst gesteckten Ziele erreicht, gegenüber dem Vorjahreszeitraum sei das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen im zweistelligen Bereich gestiegen. Der Konzernumsatz erhöhte sich um 20 Prozent auf 35 Milliarden Euro. Dazu trug die US-Mobilfunktochter Voicestream 1,5 Milliarden Euro bei.

18. November 2001: Der fünfte Geburtstag der T-Aktie fällt bescheiden aus. Zum Feiern ist den Aktionären nicht zu Mute. Der Kurs liegt bei knapp 20 Euro. Seit dem Rekordhoch vom März 2000 (ca. 103 Euro) ist somit ein Börsenkapital von mehr als 350 Milliarden Euro vernichtet worden.

5. März 2002: Die Telekom verkündet erstmals rote Zahlen für ein Geschäftsjahr. Der Netto-Verlust beläuft sich 2001 auf 3,5 Milliarden Euro.

18. März 2002: Eine weitere Hiobsbotschaft für die Telekom-Aktionäre. Das Unternehmen meldet nach Börsenschluss, dass die Dividende deutlich niedriger ausfallen soll als prognostiziert. Statt der erwarteten 62 Cent sollen die Aktionäre nur 37 Cent erhalten.

Diese Maßnahme muss allerdings noch auf der Hauptversammlung am 28. Mai in Köln abgesegnet werden. Von den Aktionärsschützern gibt es sogleich erbitterten Widerstand. So kündigt zum Beispiel die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre an, sie werde dem Vorstand auf der HV die Entlastung verweigern. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) will sich diesem Schritt voraussichtlich anschließen.

23. April 2002: Wegen des gescheiterten TV-Kabelnetzverkaufs an den US-Konzern Liberty Media muss die Telekom ihr Schuldenziel revidieren. Statt die Verbindlichkeiten noch dieses Jahr auf 50 Milliarden Euro zu senken, geht das Unternehmen nun davon aus, dass dieses Ziel erst Ende 2003 erreicht wird. Die Aktie gerät weiter unter Druck.

Der Fall der 10-Euro-Marke

3. Mai 2002: Die T-Aktie  fällt am Nachmittag auf den bislang tiefsten Stand ihrer Geschichte. Im Xetra-Handel stürzt das Papier bis auf 12,80 Euro, was einem Minus von ca. 7 Prozent gegenüber Vortag entspricht. Der bis dahin tiefste Stand - 13,12 Euro - war am 11. September 2001 in Folge der Terroranschläge in den USA erreicht worden.

23. Mai 2002: Die T-Aktie fällt nach einer Herabstufung der Ratingagentur Moody's auf ein neues Rekordtief von 11,76 Euro. Moody's hatte den Ausblick für die Telekom und die amerikanische Mobilfunktochter Voicestream auf "negativ" herabgestuft. Die angespannte Branchensituation werde anhalten, zumal die Wachstumsraten im Festnetzgeschäft zurückgehen könnten. Die Telekom müsse darauf mit Restrukturierungen reagieren, hieß es.

28. Mai 2002: Die Telekom lädt zu Hauptversammlung nach Köln. Die Stimmung ist gereizt. Vorstand und Aufsichtsrat werden heftig kritisiert, Ron Sommer kann trotz einer mehr als einstündigen Rede die Gemüter kaum beruhigen.

30. Mai 2002: Die T-Aktie markiert ein weiteres Allzeittief bei 11,44 Euro. Der Ausgabekurs hatte 1996 bei 14,57 Euro gelegen. Ein Grund für die aktuelle Schwäche: Anleger und Händler befürchten, nach Zahlung der Dividende könnten nun weitere Großinvestoren ihre Bestände reduzieren. "Viele am Markt warten nur darauf, bis der Kurs der Aktie unter die zehn Euro fällt", sagte eine Analystin, die den Titel jedoch für fundamental unterbewertet hält.

Am gleichen Tag geben der FC Bayern München und die Deutsche Telekom offiziell ihre Partnerschaft bis zum 30. Juni 2008 bekannt. Ron Sommer dazu: "Der FC Bayern ist derzeit eine der spannendsten und attraktivsten Kommunikations- und Sponsoring-Plattformen auf dem deutschen und europäischen Markt." Der bisherige Sponsor Opel war zuvor nach 13 Jahren wegen finanzieller Probleme ausgestiegen. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" zahlt die Telekom bis zu 20 Millionen Euro im Jahr für das Sponsoring.

4. Juni 2002: Wer dachte, tiefer kann das Papier nicht mehr fallen, sieht sich getäuscht. Die T-Aktie rutscht erstmals unter elf Euro und markiert ein neues Allzeittief von 10,90 Euro. Neben der allgemeinen Börsenflaute machen Börsianer so genannte Leerverkäufe für den Kursverfall verantwortlich.

Auslöser für die Leerverkäufe ist Händlern zufolge unter anderem die Tatsache, dass die Tochterfirma T-Systems einen Staatsauftrag über 6,5 Milliarden Euro bei einer Laufzeit von zehn Jahren nicht erhalten hat. Ein Konsortium um den IT-Dienstleister CSC Plönzke hat nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums die besten Chancen auf den Erhalt des Auftrages zum Betrieb des Telefon- und Datennetzes des Bundeswehr.

14. Juni 2002: Nachdem die T-Aktie am Vortag in den USA bereits kräftig unter Druck geraten war, fällt das Papier am Freitag-Morgen im deutschen Handel erstmals unter die Marke von 10 Euro.

Sommer geht, Sihler kommt

21. Juni 2002: Ein neuer Negativ-Rekord - die T-Aktie  fällt unter die Marke von 9 Euro. Namhafte Analysten befürchteten nun, dass das Papier in den nächsten Monaten in einer Tradingrange von 5 bis 12 Euro gehandelt wird.

Die Kritik an CEO Ron Sommer wird unterdessen immer größer. Die Anzeichen mehren sich, dass der Bund - mit 43 Prozent an der Telekom beteiligt - die Ablösung des Vorstandschefs betreibt.

Bundeskanzler Schröder hatte sich zuvor noch für Ron Sommer stark gemacht. Mitte Mai sagte er in einem Interview mit dem Magazin "Stern", man müsse jetzt den Mut haben, "den Ärger der Kleinaktionäre auszuhalten und ihnen zu sagen: Liebe Leute, es besteht kein Anlass, den Mann auszuwechseln, er hat gut gearbeitet".

10. Juli 2002: Das Präsidium des Aufsichtsrats setzt eine Sondersitzung des Gremiums an. Bald sickert durch, dass die Mitglieder über die Zukunft Sommers zerstritten sind. Neue Namen angeblicher Kandidaten fallen: DaimlerChrysler-Manager Klaus Mangold, ThyssenKrupp-Aufsichtsrat Gerhard Cromme sowie Pharma-Manager Jürgen Dormann.

11. Juli 2002: Sommer geht in die Offensive und weist die Kritik an seinem Kurs zurück. Mangold wird inzwischen als Favorit für Sommers Nachfolge gehandelt. Als Hauptakteur, der für den Bund die Ablösung Sommers betreibe, wird Finanzstaatssekretär Manfred Overhaus genannt.

16. Juli 2002: Nach einer außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats tritt Sommer vor die Presse. Der seit 1995 amtierende Vorstandschef gibt sein Amt mit sofortiger Wirkung auf.

Zur Begründung sagt er: "Ich habe mich nach den heutigen Ereignissen - und denen der vergangenen Tagen - der Realität zu stellen, dass der Aufsichtsrat des Konzerns nicht mehr uneingeschränkt zu mir und der von mir verantworteten Strategie für das Unternehmen steht."

Der Aufsichtsrat beruft Helmut Sihler zum neuen CEO des Unternehmens. Der 72-Jährige soll dieses Amt jedoch nur für sechs Monate behalten. Stellvertreter Sihlers wird Technikvorstand Gerd Tenzer, der einige Tage lang auch als CEO im Gespräch war.

Sihler saß bislang im Aufsichtsrat der Telekom. Vor der Berufung seines Nachfolgers Hans-Dietrich Winkhaus war er der Vorsitzende des Konzerngremiums. Die Entscheidung seien "einstimmig" gefällt worden, sagte Aufsichtsrat Rüdiger Schulze. Mit der Entscheidung solle Ruhe in das Unternehmen gebracht und das Vertrauen der Märkte und Investoren zurückgewonnen werden.

Sihler geht, Ricke kommt

17. Juli 2002: Der erste Tag der Post-Sommer-Ära. Ob Ron Sommer, dessen Vertrag erst zum 14. Mai 2005 ausläuft, eine Abfindung erhält, ist zunächst nicht zu erfahren. Finanzminister Hans Eichel bestreitet eine entsprechende Zahlung, Aufsichtsratchef Winkhaus spricht von einer Abfindungssumme, die sich aber in einem für Deutschland "total" normalen Rahmen bewege. Sommers Jahreseinkommen wird von Fachleuten auf 2,5 bis 3,5 Millionen Euro geschätzt.

Der als Interims-CEO bestimmte Aufsichtsrat Helmut Sihler kündigt an, er werde einen radikalen Konsolidierungskurs kraftvoll vorantreiben. Der von der Bundesregierung als Favorit für Sommers Nachfolge gehandelte Technik-Vorstand Gerd Tenzer wird zum stellvertretenden Vorstandschef ernannt.

5. August 2002: Wegen Verdachts der Untreue haben zwei Stuttgarter Rechtsanwälte Strafanzeige gegen Spitzenmanager der Telekom  gestellt. Die Wirtschaftsprüfer Mark Binz und Martin Sorg werfen den Verantwortlichen vor, durch einen Aktienoptionsplan im Jahr 2001 die Anteilseigner um mindestens 375 Millionen Euro geschädigt zu haben. Die Anzeige richte sich u.a. gegen Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus, gegen den Interims-CEO Helmut Sihler und gegen Ron Sommer.

21. August 2002: Die Telekom hat erneut schlechte Nachrichten für ihre Aktionäre. Im ersten Halbjahr wurde der Verlust deutlich ausgeweitet. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum (minus 349 Millionen Euro) stieg er auf 3,891 Milliarden Euro, was vor allem auf Abschreibungen bei Gesellschaften wie Voicestream zurückzuführen ist. Für das gesamte Jahr 2001 war ein Minus von 3,5 Milliarden Euro ausgewiesen worden.

23. August 2002: Ein weiterer Rechtstreit bahnt sich an. Der Internet- und Telekommunikationskonzern Teles  will die Telekom und deren Luxemburger Partner SES wegen eines Patentmissbrauchs verklagen. Der ehemalige Staatskonzern und sein Partner hätten mit ihrem gemeinsam angebotenen "T-DSL-Dienst via Satellit" ein Teles-Patent und ein Teles-Gebrauchsmuster verletzt, lautet der Vorwurf.

25. September 2002: Der Radrennstall Team Telekom verliert seinen prominentesten Fahrer. Der 28-jährige Jan Ullrich einigt sich mit Teamchef Walter Godefroot auf die endgültige Auflösung des ursprünglich bis zum Saisonende 2003 geltenden Vertrages. Nach Angaben von Fachleuten lag das bisherige Jahreshonorar des Radprofis bei etwa zwei Millionen Euro.

8. Oktober 2002: Neue Hiobsbotschaften für die Mitarbeiter der Telekom. Nach einem Bericht der "Welt" ist der Abbau von bis zu 55.000 Stellen geplant.

24. Oktober 2002: Angesichts ihrer Milliardenverluste schließt die Telekom eine vollständige Streichung der Dividende für das laufende Jahr nicht mehr aus. "Alles ist denkbar", sagte ein Konzern-Sprecher, "entschieden ist aber noch nichts."

29. Oktober 2002: Ein Bundesgericht im Staat New York entscheidet, dass eine im Namen von mehreren tausend Klägern eingereichte Klage in einem einzigen Verfahren fortgeführt werden kann. Damit hat das Verfahren den Status einer Sammelklage.

Die betroffenen Aktionäre hatten die Telekom vor allem deswegen verklagt, weil der Aktienkurs seit Anfang 2000 bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung um rund 90 Prozent eingebrochen war. Als Grund für den Einbruch sehen sie die Übernahme von Voicestream und Wertberichtigungen beim Immobilienvermögen der Telekom.

14. November 2002: Der Aufsichtsrat ernennt mit sofortiger Wirkung den Sommer-Intimus Kai-Uwe Ricke zum neuen Konzernchef. Rickes Vater Helmut hatte das Unternehmen "Deutsche Bundespost Telekom" bereits in den Jahren 1990 bis 1994 geleitet und war maßgeblich an der Umwandlung der ehemaligen Behörde in ein formal privatwirtschaftliches Unternehmen beteiligt.

Rekordverlust von ca. 25 Milliarden Euro

28. November 2002: Kaum im Amt, baut Kai-Uwe Ricke den Telekom-Vorstand massiv um. Neu in das Gremium berufen werden die Manager Rene Obermann für den Mobilfunk und Thomas Holtrop für das Onlinegeschäft. Josef Brauner bleibt für das Festnetz verantwortlich und führt auch fürs erste die Systemlösungen weiter, für die aber ein separater Sitz an der Konzernspitze vorgesehen ist.

Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick, gegen den wegen der Immobilien-Affäre immer noch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen, wird Vize-CEO. Er übernimmt diesen erst vor vier Monaten eingerichteten Posten von Gerd Tenzer, der nach 13 Jahren den Vorstand vorzeitig verlassen muss.

Der neue Vorstand wird künftig nur noch aus sechs Mitglieder bestehen. Für die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den ausscheidenden Vorstandsmitgliedern (einschließlich des bereits abgetretenen Ron Sommer) bildet die Telekom  Rückstellungen in Höhe von 25 Millionen Euro.

2. Dezember 2002: Die Telekom bestätigt Gerüchte, die seit einigen Wochen im Markt sind. Um die hohe Verschuldung von über 65 Milliarden Euro abzubauen, will der Konzern seinen Anteil an der Internettochter T-Online  deutlich reduzieren. Der Vorstand plane den Verkauf von insgesamt rund 120 Millionen T-Online-Aktien (einschließlich einer Mehrzuteilungsoption von 20 Millionen Aktien), teilt die Telekom mit, ohne eine Preisspanne zu nennen. Der voraussichtliche Verkaufserlös wird auf mehr als 700 Millionen Euro geschätzt.

4. Dezember 2002: Der Verkauf der T-Online-Aktien wird bestätigt; die Papiere wurden bereits platziert.

12. Dezember 2002: Weitere Verkaufsgerüchte machen die Runde. Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet, soll unter anderem die Deutsche Funkturm GmbH veräussert werden. Mit dem Verkauf könnte die Telekom nach Ansicht von Experten bis zu vier Milliarden Euro erlösen. In der Funkturm GmbH sind vor allem die 15.000 deutschen Mobilfunk-Standorte der Konzernschwester T-Mobile gebündelt. Dazu zählen sowohl einzelne Funkantennen auf Hausdächern wie auch große Antennenmasten.

5. Januar 2003: Neue Spekulationen sorgen für Aufsehen. Nach Informationen der britischen Zeitung "Independent on Sunday" plant Vodafone  eine Milliarden-Übernahme im amerikanischen Mobilfunkmarkt. Ziel, so das Blatt, könnte T-Mobile USA sein - das Unternehmen, das zuvor unter dem Namen Voicestream für 39 Milliarden Euro von der Telekom übernommen war.

11. Februar 2003: Mehrere Medien berichten, die Telekom wolle bis Sommer 2003 große Teile ihrer Konzernverwaltung verkleinern und dabei mehr Stellen als zunächst mitgeteilt abbauen. Demnach sollen rund 3000 der etwa 4000 Stellen in der Konzernholding gestrichen werden. Insgesamt sollen den Plänen zufolge bis 2005 weltweit 43.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Alles in allem beschäftigt die Telekom 256.000 Mitarbeiter.

9. März 2003: Es wird bekannt, dass der in Zusammenhang mit dem dramatischen Wechsel an der Konzernspitze in die Kritik geratene Telekom-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dietrich Winkhaus zurücktreten wird. Sein Nachfolger soll Klaus Zumwinkel werden, der Vorstandschef der früheren Schwestergesellschaft Deutsche Post AG .

10. März 2003: Die Telekom präsentiert ihre Zahlen für 2002. Der Verlust liegt wegen hoher Abschreibungen bei fast 25 Milliarden Euro - der höchste Verlust der deutschen Unternehmensgeschichte.

20. Mai 2003: Der Konzern lädt zur Hauptversammlung in Köln. Vorstandschef Kai-Uwe Ricke kündigt an, man wolle die Telekom bis zum Jahr 2007 zum führenden innovativen Dienstleistungsunternehmen der Informations- und Telekommunikationsindustrie machen. Das Unternehmen wolle sich künftig "radikal auf den Markt und unsere Kunden ausrichten", sagt Ricke. "Wir werden komplett umdenken."

Das laufende Jahr 2003 sei "ein Jahr des Umbruchs". Mit neuer Führungsmannschaft, einer angepassten Strategie und neuen Zielen wolle die Telekom das Jahr 2002, das schwärzeste Jahr in ihrer Geschichte, überwinden.

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