EZB Keine Überraschung aus Frankfurt
Frankfurt am Main - Der Schlüsselzins für die Refinanzierung der Geschäftsbanken betrage weiterhin 4,50 Prozent, teilte die EZB nach ihrer turnusgemäßen Ratssitzung in Frankfurt mit. Nach den jüngsten Äußerungen von EZB-Chef Wim Duisenberg - er hatte das gegenwärtige Zinsniveau am Dienstag als angemessen bezeichnet - hatten Analysten überwiegend mit unveränderten Leitzinsen gerechnet. Einige Analysten rechnen angesichts der schwachen Konjunktur allerdings bis Anfang August mit einer Zinssenkung.
Der Euro reagierte kaum auf die Entscheidung und hielt sich knapp oberhalb von 84 US-Cent. Kurz vor Beginn der Ratssitzung war die Gemeinschaftswährung vorübergehend auf ein Sieben-Monatstief unter diese Marke gefallen. Gegen 14.10 Uhr MESZ kostete ein Euro 0,8413/15 Dollar.
Duisenberg habe mit seinen Äußerungen vom Dienstag keine andere Möglichkeit als unveränderte Zinsen zugelassen, sagten Analysten. "Ich denke, Duisenberg...hatte ziemlich unzweideutig signalisiert, dass die EZB die Zinsen nicht verändern wird. Er hat sein Wort gehalten", sagte Steven Pearson von Halifax in London.
Duisenberg hatte das derzeitige Zinsniveau am Dienstag als angemessen bezeichnet und ergänzt: "Seit der vergangenen Ratssitzung gab es keine Informationen, die eine Änderung dieser Haltung rechtfertigen würden." Analysten hatten deshalb mehrheitlich mit gleichbleibenden Zinsen gerechnet. Michael Rottmann von der HypoVereinsbank erwartet nun eine Zinssenkung um 25 Basispunkte entweder in vierzehn Tagen oder auf der Ratssitzung am 2. August.
Die Währungshüter hatten die Leitzinsen zuletzt am 10. Mai erstmals seit mehr als zwei Jahren um 25 Basispunkte auf 4,50 Prozent im Schlüsselzins reduziert.
Volkswirte halten aber wegen der schwachen Konjunktur weiterhin niedrigere Leitzinsen für notwendig. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll trotz seiner bisherigen Prognose von 2,4 Prozent internen Papieren zufolge nur noch zwei Prozent Wachstum in der Euro-Zone erwarten. Christoph Hausen von der Commerzbank sagte zwei Senkungen um insgesamt 50 Basispunkte bis zum Jahresende voraus. Ulla Kochwasser von IBJ Deutschland erwartet aber keine nachhaltigen Impulse von einer geldpolitischen Lockerung: "Eine Zinssenkung hätte nur psychologische Auswirkungen, das die Probleme in Europa struktureller Natur sind.
EZB-Vizepräsident Christian Noyer hatte sich am Dienstag mit Blick auf die Konjunktur allerdings zuversichtlich gezeigt. Die Euro-Zone habe sich bei der Abschwächung Weltwirtschaft gut behauptet. Jüngste deutsche Daten schienen diese Einstellung am Donnerstag zu bestätigen, doch Analysten sahen darin keine Trendwende. Vor allem wegen ausländischer Großaufträge kletterten die Bestellungen der deutschen Industrie preis- und saisonbereinigt um 4,4 Prozent. Analysten äußerten sich zwar über das hohe Auftragsvolumen überrascht, wollten jedoch nicht von einer Trendwende sprechen.
An der EZB-Sitzung nahm auch der belgische Finanzminister Didier Reynders in seiner Funktion als Vorsitzender der Eurogruppe teil. Ein Stimmrecht im Rat hat er nicht. Reynders betonte, er stimme mit der EZB überein, das Haushaltsdisziplin und Reformen für das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone entscheidend seien. Er bekräftigte, dass die Staaten der EU ihren strikten Sparkurs fortsetzen müssten. Das schwache Wachstum in einigen EU-Ländern führte Reynders auf die lahmende Konjunktur in den USA und Japan sowie auf hohe Ölpreise zurück.
Auch den Zinskorridor für den Geldmarkt unverändert. Die Sätze dafür betragen weiterhin 3,50 Prozent für Übernachteinlagen der Banken bei der EZB (Einlagenfazilität) und 5,50 Prozent für Übernachtkredite (Spitzenrefinanzierungsfazilität).