Marconi "Schlachtfest" am Morgen
London - Der britische Telekom-Ausrüster Marconi hat die Streichung von weiteren 4000 Stellen angekündigt und davor gewarnt, dass der operative Gewinn sich im laufenden Geschäftsjahr halbieren werde. Der Umsatz werde zudem voraussichtlich um 15 Prozent unter dem Wert des Vorjahres liegen, teilte Marconi am späten Mittwochabend mit.
Das Unternehmen gehe davon aus, außerordentliche Aufwendungen von 150 Millionen Pfund aufnehmen zu müssen. Analysten sprachen von einer "ungewöhnlich kräftigen" Gewinnwarnung. Die Aktien des Konzerns waren zuvor auf Antrag des Unternehmens vom Börsenhandel in London ausgesetzt gewesen.
Zu Handelsauftakt am Donnerstag-Morgen verlor die Aktie rund 50 Prozent ihres Wertes. Ein Händler sagte schockiert: "Wir hatten uns auf das Schlimmste eingestellt, aber ein solches Schlachtfest hatten wohl kaum einer erwartet."
Anzeichen einer Erholung für 2002
"Basierend auf den gegenwärtigen Auftragsbüchern und einer klaren Abschwächung der Investitionsausgaben bei den Kunden glaubt das Management, dass diese Faktoren das Geschäftsjahr stärker beeinflussen werden als in unserem früheren Ausblick und durch die aktuellen Markterwartungen angezeigt," hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. In den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres bis Juni sei das Marktumfeld viel härter gewesen als zuvor erwartet.
Beim operativen Gewinn werde nunmehr mit einem ausgeglichen Ergebnis im Halbjahr und einer stärkeren zweiten Hälfte des Geschäftsjahres gerechnet. Für das erste Halbjahr 2002 sieht Marconi nach eigenen Angaben einige Anzeichen auf eine Erholung.
Morgan Stanley ist pessimistisch
"Klarerweise werden die Zahlen in diesem Jahr massiv nach unten gehen," sagte Telekom-Analyst Marcus Nash von der Investmentbank Morgan Stanley. Dies sei eine hohe Gewinnwarnung. Die Investmentbank war zuvor noch von einem deutlich geringeren Umsatzrückgang von fünf Prozent für das laufende Geschäftsjahr ausgegangen.
Zu den geplanten Stellenstreichungen hieß es von Unternehmensseite, die Maßnahmen würden weltweit gelten und schlössen auch 1000 Positionen im Management ein. Vor drei Monaten hatte Marconi bereits den Abbau von 3000 Arbeitsplätzen angekündigt, was rund fünf Prozent der Mitarbeiter entsprach.
Medizintechnik regelrecht "verscheuert"?
Die Entlassungs-Pläne des Vorstands haben bei den Gewerkschaften für helles Entsetzen gesorgt. So kurz nach den jüngsten Stellenkürzungen sei nicht mit einer zweiten Runde gerechnet worden, hieß es. "Wir sind schockiert von dieser Nachricht. Wir hätten nicht gedacht, das so etwas passiert," sagte Danny Carrigan von der Gewerkschaft AEEU. Marconi-CEO Lord Simpson dementierte während einer Pressekonferenz nach Börsenschluss, dass Marconi angesichts der derzeitigen Unternehmenslage nach einem Fusionspartner suche.
Am Mittwoch-Morgen war bereits bekannt worden, dass der niederländische Philips-Konzern die Sparte Medical Systems von Marconi übernimmt. Der Kaufpreis liegt nach Angaben des Unternehmens bei 1,1 Milliarden Dollar (rund 2,53 Milliarden Mark). Nach Händlerangaben lag dieser Preis 40 Prozent unter der von Marconi erwarteten Summe. Die Medizintechnik sei regelrecht "verscheuert" worden, sagte ein Händler.
Philips profitiert massiv von dem Kauf
Mit diesem Kauf wird Philips im Bereich der diagnostischen Geräten mit bildlicher Darstellung der zweitgrößte Anbieter der Welt. Der Jahresumsatz wird nach Angaben eines Spreches bei ca. fünf Milliarden Euro liegen. Vereinbart wurde auch der Erwerb von Ausrüstung und Dienstleistungen von Marconi im Wert von 150 Millionen Dollar innerhalb der nächsten fünf Jahre.
Mit dem jüngsten Kauf werde das Expansionsprogramm der Abteilung PMS abgeschlossen, kündigte Philips an. Jetzt sollen erst die Übernahmen der letzten zweieinhalb Jahren integriert werden. Die Ergebnisse des Medical System-Geschäfts sollen erst ab 2003 in den Bilanzen von Philips auftauchen. Wegen der Kosten der Transaktion und wegen der Integration der Geschäftsabläufe würden die Ergebnisse im kommenden Jahr noch nicht berücksichtigt, sagte Philips-Sprecher Ben Geerts ergänzend.
Ein Teil der Sparte soll weiterverkauft werden
Einen Teil der jetzt erworbenen Marconi-Aktivitäten will Philips nach Abschluss der Transaktion weiter verkaufen. Dabei geht es um Marconi Healthcare Products (HCP), eine Abteilung für den Vertrieb von Einzelteilen medizinischer Apparaturen.
Philips hat im vergangenen Jahr vom US-Unternehmen Agilent den Bereich Healthcare Solutions (Apparate für Herzbehandlung, Ultraschallgeräte) übernommen und vom US-Unternehmen Adac einen Mehrheitsanteil an Medquist (medizinische Berichterstattung) erworben. Zuvor hatte Philips ATL Ultrasound (Ultraschall-Diagnostik) gekauft.