Sunburst Kein Licht. Nirgends.
Osnabrück/München - Die Situation des angeschlagenen Nemax-Unternehmens Sunburst Merchandising spitzt sich dramatisch zu. Nachdem Mitte April die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt worden war, droht nun weiteres Ungemach: Die Deutsche Börse AG wird wegen des immer noch fehlenden Jahresabschlusses ein Sanktionsverfahren einleiten, das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) hat mit einer Insider-Untersuchung begonnen, und verschiedene Anleger haben Strafanzeige eingereicht.
Das Sanktionsverfahren der Deutschen Börse war bereits seit einigen Wochen erwartet worden. Hintergrund: Trotz mehrmaliger Anmahnung hat Sunburst den testierten Abschluss für 2000 immer noch nicht vorgelegt.
Das Regelwerk für den Neuen Markt sieht vor, dass die Zahlen spätestens drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres präsentiert werden müssen. In begründeten Ausnahmefällen kann eine Fristverlängerung beantragt werden, diese bringt jedoch maximal vier Wochen Aufschub.
Delisting nicht ausgeschlossen
Wie hoch die Strafe nun ausfällt, ist nach Angaben der Deutschen Börse noch nicht abzusehen. Sprecherin Ursula Schneider: "Wir können entweder eine Geldbuße bis 100.000 Euro verhängen oder - in besonders schwerwiegenden Fällen - einen Ausschluss vom Neuen Markt verhängen. Im Falle Gigabell beispielsweise haben wir das getan. Wie die Entscheidung bei Sunburst ausfällt, hängt davon ab, wann der Vorstand die testierten Zahlen nachreicht."
Das Unternehmen selbst sieht sich momentan außerstande, eine Prognose zum Abgabe-Datum abzugeben. Narghes Bernecker, Assistentin von Vorstands-Chef Benjamin Gawlik, begründet die Verzögerung gegenüber manager-magazin.de mit dem laufenden Insolvenzverfahren: "Wir können im Augenblick nichts machen, um den Vorgang zu beschleunigen. Die Wirtschaftsprüfer arbeiten daran, und wir hoffen, die Zahlen Anfang oder Mitte Juni vorlegen zu können."
Insider-Untersuchung
Benjamin Gawlik selbst ist erst seit Februar 2001 im Amt. Zuvor war er Geschäftsführer der OM Oktoberfest GmbH, die von EM.TV und Mama Concerts & Rau gegründet worden war.
Weiteres Unheil droht dem Unternehmen von Seiten des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel. Dieses hat unlängst nach eingehenden Marktanalysen eine förmliche Insider-Untersuchung eingeleitet, nachdem sich der Verdacht erhärtet hatte, dass vor einer Ad-hoc-Meldung vom 21. März diesen Jahres einige Aktionäre offenbar etwas früher über den Inhalt der Mitteilung informiert waren.
Über 20 Strafanzeigen eingereicht
Der Vorstand hatte an dem betreffenden Tag die Ergebnisse für das abgelaufene Jahr präsentiert, und die waren noch schlechter ausgefallen, als viele Analysten befürchtet hatten. Das Ergebnis vor Steuern lag massiv unter den Erwartungen, und auch beim Umsatz wurden die anvisierten Ziel deutlich verfehlt. Für die Anleger vor allem deshalb ärgerlich, weil wenige Wochen vorher die Prognosen vom Vorstand noch nach oben revidiert worden waren.
Reger Umsatz vor der Hiobsbotschaft
Kurz vor der Ad-hoc-Meldung war einigen Markteilnehmern bereits aufgefallen, dass der Aktien-Umsatz bei Sunburst deutlich zugenommen hatte. Am Montag vor der Hiobsbotschaft lag das Handelsvolumen mehr als 200 Prozent über dem Durchschnitts-Wert der letzten Monate; es wurde offenbar kräftig verkauft, und zwei Tage später war die Aktie um rund 50 Prozent gefallen.
Unternehmenssprecher Christian Kröger hatte damals ausgeschlossen, dass die Aktienverkäufe von Mitgliedern des Sunburst-Vorstands getätigt wurden. Narghes Bernecker dazu: "Wir unterstützen die Untersuchung und haben bereits einen entsprechenden Brief an das Bundesaufsichtsamt geschrieben. Über den Fortgang der Ermittlungen können wir nichts sagen, weil wir dazu keine Informationen erhalten. Derzeit warten wir auf weitere Auskünfte."
Über 20 Strafanzeigen gegen Sunburst
Auf den Ausgang der Insider-Untersuchung wartet auch die Münchner Anwaltskanzlei Rotter . Sie vertritt im Fall Sunburst etwa 25 Anleger und hat ihrerseits Strafanzeige erstattet. Nach Informationen der Kanzlei sollen mindestens 20 weitere Strafanzeigen gegen Sunburst vorliegen.
Die Anzeige richtet sich unter anderem gegen den neuen CEO Benjamin Gawlik und seinen Vorgänger Hero Alting. Ihnen und anderen Mitarbeitern der AG wird vorgeworfen, "in Schreiben an die Aktionäre und in Ad-hoc-Meldungen die Unternehmens-Situation grundlegend falsch dargestellt" zu haben.
"Starke Analogien zum Fall Infomatec"
Rotter-Anwalt Franz Braun dazu: "Die Vorwürfe in unserer Strafanzeige haben weiterhin Bestand. Die Sachlage ist eindeutig. Man kann sich nicht so einfach verschätzen - von 6,2 Millionen Plus auf 6,2 Millionen Minus - und quasi mal eben das Vorzeichen ändern. Das ist auf jeden Fall grob fahrlässig."
Braun sieht starke Analogien zum Fall Infomatec, der seit Freitag-Morgen vor dem Landgericht Augsburg verhandelt wird. Der Anwalt: "Nach einem Gutachten, das im Falle Infomatec erstellt wurde, haften die Vorstände auch für grob fahrlässig veröffentlichte Falsch-Meldungen. Das ist unserer Ansicht nach übertragbar auf Sunburst."
Braun: "Die Wut der Anleger ist absolut verständlich"
Für eine Erfolgsprognose ist es nach Einschätzung des Juristen allerdings noch zu früh. Braun: "Wir stehen bei Sunburst derzeit ein wenig im luftleeren Raum. Die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft gestaltet sich etwas schwieriger als bei Infomatec, weil einige der zuständigen Mitarbeiter derzeit auf die Ergebnisse der BAWe-Untersuchung warten und einfach nichts machen. Ich hätte schon gedacht, dass hier schnelles Handeln geboten ist, damit nichts auf die Seite geschafft werden kann an Unterlagen und Vermögenswerten."
Dem Ausgang des angestrebten Verfahrens sieht der Advokat dennoch mit Zuversicht entgegen. Braun: "Der Fall ist schon sehr krass. Die Enttäuschung und die Wut der Anleger ist groß und absolut verständlich, denn sie hatten sich auf die Informationen des Unternehmens verlassen."